LNG-Eröffnung in Wilhelmshaven

„Wichtiger Beitrag für Sicherheit“

Bundeskanzler Scholz hat am 17.12.2022 in Wilhelmshaven feierlich Deutschlands erstes (schwimmendes) Flüssigerdgas-Terminal, die Höegh Esperanza, eröffnet. Dabei hob er die Errichtung in Rekordzeit von zehn Monaten hervor. Das LNG-Terminal sei ein „ganz wichtiger Beitrag für unsere Sicherheit“. Mit LNG-Terminals werde die Gasversorgung „unabhängig von den Pipelines aus Russland“, sagte Scholz in einer Rede auf dem Spezialschiff „Höegh Esperanza“. Das Terminal sei ein „wichtiger Beitrag für unsere Sicherheit“.

Über die sogenannte Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) sollen jährlich rund sechs Prozent des deutschen Erdgasbedarfs ins Netz eingespeist werden. nimmt verflüssigtes Erdgas (LNG) von Tankern auf und wandelt es an Bord in Gas um. Nach Angaben des Konzerns soll ab Donnerstag Gas ins deutsche Pipelinenetz eingespeist werden.

Das Schiff wurde am 01.06.2015 bei Hyundai Heavy Industries in Südkorea bestellt, am 17.03.2017 lief die Höegh Esperanza vom Stapel. Ab November 2018 wurde sie im LNG-Terminal am Hafen Tianjin eingesetzt. Ab 2022 sollte sie zehn Jahre lang für das australisches Energie-Unternehmen südlich von Melbourne Dienst tun. Dieses Terminalprojekt wurde jedoch im März 2021 aus Umweltschutzgründen nicht genehmigt. (de.wikipedia.org/wiki/Höegh_Esperanza)

Erstes deutsches Terminal für Import von Flüssigerdgas – Lob für das neue „Deutschland-Tempo“

Scholz lobte in Wilhelmshaven das noch vor wenigen Monaten kaum für möglich gehalten Tempo der Bereitstellung der Anlagen. „Das ist jetzt das neue Deutschland-Tempo, mit dem wir Infrastruktur voranbringen“, so Scholz. Das sei auch ein Zeichen für die Stärke der deutschen Wirtschaft. „Ende nächsten Jahres werden wir voraussichtlich über eine Importkapazität von über 30 Milliarden Kubikmeter Gas verfügen“. Wenn nach diesem Terminal auch die weiteren geplanten Anlagen in Lubmin, Brunsbüttel und Stade fertiggestellt seien, „dann können wir sagen: Deutschland hat seine Energiesicherheit gewährleistet“, hob der Kanzler hervor. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte dagegen vor übertriebener Euphorie gewarnt. Die Gefahr einer Gasmangellage sei auch mit dem neuen Terminal noch nicht gebannt.

Kritiker bezeichnen die insgesamt elf Flüssigerdgasterminals überhaupt als deutlich überdimensioniert. Seien in vier Jahren sämtliche Anlagen in Betrieb, wird ihre Jahreskapazität 73 Milliarden Kubikmeter Erdgas betragen – viel zu viel, kritisiert eine aktuelle Studie der Energiewende-Denkfabrik NewClimate Institute. Vor der Krise habe Russland pro Jahr im Durchschnitt lediglich 46 Milliarden Kubikmeter exportiert. Dadurch drohten erhebliche Fehlinvestitionen, die zum Teil aus Steuergeldern beglichen werden müssten.

„>“Von einer Überkapazität kann gar keine Rede sein“, widersprach Habeck im tt-Interview und verwies darauf, dass die Terminals lediglich ein Drittel des Benötigten sicherstellten. Im Gegensatz zur Nord-Stream-1-Pipeline seien die schwimmenden LNG-Anlagen außerdem flexibler nutzbar: „Wir bauen alle Infrastruktur Wasserstoff-ready, das heißt: Die Terminals, die wir errichten, können – sobald genügend Wasserstoff da ist – umgeswitcht werden auf einen anderen klimaneutralen Energieträger.“

Perspektive Klimaneutralität

Umweltverbände zeigten sich dennoch skeptisch. „Das Ganze ist eine fossile Falle, weil die Terminals über Jahre hinweg Bestand haben und wir damit noch auf lange Zeit fossile Energie importieren“, kritisierte etwa Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Habeck dagegen bezeichnete LNG in den tt als einen „notwendigen Zwischenschritt“. Die neue Infrastruktur sei so gebaut worden, dass die Klimaschutzziele bis 2045 erreicht werden könnten. Perspektivisch solle der Gasverbrauch reduziert werden, die Terminals seien ein „notwendiger Zwischenschritt“ auf dem Weg dahin. Wilhelmshaven ist nicht das einzige Terminal. Scholz kündigte an, man wolle weitere Terminals auch im kommenden Jahr vorantreiben. „Die Bundesregierung ist mit den Gasimporteuren kontinuierlich im Gespräch und wirbt auch dafür, längerfristige Verträge abzuschließen“, sagte er. Das Gas werde zu großen Teilen aus Norwegen, den USA und aus der Golfregion kommen, ein kleiner Teil aus den Niederlanden.

Habeck: Notabwehr hat absolute Priorität – NGO-Kritik zurückgewiesen

Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte in dem bereits zitierten tt-Interview am 16.12.2022 seine Energiepolitik verteidigt. „Die Not abzuwehren hat absolute politische Priorität“, sagte er in Bezug auf einen möglichen Gasmangel. Die Regierung habe „klug entschieden, entschlossen reagiert und etwas hinbekommen, was man Mitte des Jahres zu Recht noch für unmöglich gehalten hatte.“ Den Vorwurf von Klimaschützern, Deutschland schaffe Überkapazitäten beim Gas und verbaue sich den Weg zur Einhaltung der Klimagrenze, wies er zurück: Von einer Überkapazität könne keine Rede sein, widersprach Habeck und verwies darauf, dass die Terminals lediglich ein Drittel des deutschen Verbrauchs sicherstellten.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kündigte weitere rechtliche Schritte an, um eine Befristung des Betriebs zu erreichen. Eine erste Klage läuft bereits. „Klimakrise und Energiekrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Er befürchtet, dass die angestrebte Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase durch übermäßigen Flüssigerdgas-Import gefährdet wird. Nicht zuletzt sei die Einleitung großer Mengen Biozid erlaubt worden, das gehöre aber verboten. All das werde die DUH „notfalls auch mit rechtlichen Mitteln durchsetzen“, erklärte die Organisation. Habeck zeigte sich überzeugt, dass die Genehmigung Klagen standhalten würde.

BUND: Eröffnung des LNG-Terminals verliert Klima- und Meeresschutz aus dem Blick

Anlässlich der Eröffnung des ersten schwimmenden LNG-Terminals in Deutschland in Wilhelmshaven am 17.12.2022 kritisiert Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die überdimensionierte, klimaschädliche Infrastruktur: „Der geplante Bau von LNG-Terminals schießt weit über das hinaus, was notwendig wäre, um gut durch die nächsten Winter zu kommen. Die Ampelregierung begeht einen fatalen Fehler. Sie manifestiert auf Jahrzehnte eine fossile Infrastruktur. Damit betreibt sie das Gegenteil von klimaverantwortlicher Politik.

Bundesregierung und Genehmigungsbehörden haben völlig aus dem Blick verloren, dass wir unsere Infrastruktur schon bald von Erdgas auf Wasserstoff umstellen müssen, um die 1,5 Grad Erderhitzung nicht zu überschreiten. Wenn der Import von grünem Wasserstoff erst 2044 beginnt, sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Anders als oft behauptet, sind schwimmende LNG-Terminals nicht auf Wasserstoff umstellbar. Die Erzählung von der H2-Readiness ist einfach falsch. Es handelt sich um klassisch fossile Anlagen, die nicht für den Klimaschutz taugen. Der Betrieb des ersten schwimmenden LNG-Terminals muss zeitlich deutlich stärker befristet werden. Gemeinsam mit anderen Verbänden prüfen wir, rechtlich auf eine Änderung der Genehmigung zu klagen.“

Zur heutigen Übergabe der noch ausstehenden Genehmigungen für den Betrieb der Terminals, ergänzt Susanne Gerstner, Landesvorsitzende des BUND Niedersachsen: „Wir müssen feststellen, dass ein großer Teil unserer eingebrachten Beanstandungen von den Genehmigungsbehörden nicht berücksichtigt wurden. Die Genehmigungen beruhen vielfach auf unzureichenden Datengrundlagen und hypothetischen Annahmen statt faktenbasierten Schlussfolgerungen. Weder die Auswirkungen auf die Klimakrise noch die Folgen für die hochsensible Meeresumwelt am Rande des Nationalparks und des Weltnaturerbes Wattenmeer wurden ausreichend untersucht und gewürdigt. Eine dringend erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung wurde mit Verweis auf das LNG-Beschleunigungsgesetz ausgesetzt. Dies kritisieren wir aufs Schärfste und halten unsere massiven Bedenken in Bezug auf die geplanten Biozideinleitungen und deren Auswirkungen auf den Lebensraum Wattenmeer aufrecht.“

Hintergrund: Das erste schwimmende LNG-Terminal am Standort Wilhelmshaven soll nach den Vorgaben des LNG-Beschleunigungsgesetzes genehmigt und damit eine Laufzeit bis zum 31.12.2043 ermöglicht werden. Dieser Zeitraum geht weit über die derzeitigen Versorgungsengpässe am Gasmarkt hinaus. Er widerspricht auch dem notwendigerweise rückläufigen Gasverbrauch in Deutschland im Einklang mit den Klimazielen und den spätestens ab 2030 benötigten und zu erwartenden größeren Importmengen grünen Wasserstoffs. Diese Importe werden möglicherweise über dieselben Hafenanlagen abgewickelt werden müssen, die in der nächsten Zeit durch das schwimmende LNG-Terminal abgewickelt werden müssen. Anders als vom für die Genehmigung zuständigen Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg unterstellt, droht hier ein Lock-in in fossile Infrastrukturen und damit eine grober Verstoß gegenüber den Anforderungen des Klimaschutzgesetzes. Eine angemessene Abwägung zwischen der Erfordernissen von Klimaschutz und Energiesicherheit hat hier nicht stattgefunden. Dafür hätte die Genehmigung der FSRU (Floating Storage and Regasification Unit; Tanklagerschiffe bzw. stationäre schwimmende LNG-Terminals) zeitlich enger befristet werden müssen, um den Wasserstoffhochlauf nicht zu verzögern oder gar zu blockieren. Eine aktuelle Fraunhofer-Studie vom November diesen Jahres zur H2-Readiness von LNG-Terminals zeigt zudem, dass schwimmende LNG-Terminals nicht auf die Nutzung von Wasserstoff und seinen Derivaten umgerüstet werden können. Es handelt sich demnach um ein herkömmliches fossiles Infrastrukturprojekt, das nicht H2-Ready ist.

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