Stromversorgung bis 2030 sicher

Monitoringbericht der Bundesnetzagentur

Die Bundesregierung hat am 01.02.2023 den 110 Seiten langen Bericht der Bundesnetzagentur über Stand und Entwicklung der Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit Elektrizität unter dem Titel „Sichere Versorgung mit Strom bis Ende des Jahrzehnts gewährleistet“ veröffentlicht. Er analysiert den Zeitraum von 2025 bis 2031, die mittelfristige Perspektive der Versorgungssicherheit.

Strommasten und Umspannwerk – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die Versorgung mit Strom sei mit den aktuellen Planungen der Bundesregierung auch von 2025 bis 2031 auf weiterhin hohem Niveau gewährleistet. Das zeige der Bericht zum Monitoring der Versorgungssicherheit Elektrizität. Der Bericht basiert auf den Vorgaben der §§ 51 Abs. 3, 63 Abs. 2 Nr. 2 Energiewirtschaftsgesetz. Die Bundesnetzagentur betrachtet darin die Entwicklung des Strommarktes mit dem gesetzlich geplanten Ausbau der Erneuerbaren Energien, dem Umbau des Kraftwerksparks und dem Netzausbau. Die Versorgung mit Strom sei dabei auch nach dem Kohleausstieg 2030 sicher. Zum Bericht legt die Bundesregierung gemeinsame Handlungsempfehlungen vor, die sie aus den Ergebnissen ableitet. Der Bericht wird in einem nächsten Schritt dem Bundestag zugeleitet.

Bundeswirtschaftsminister Habeck: „Es ist zentral, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen jederzeit sicher mit Strom versorgt werden. Diese Stromversorgungssicherheit werden wir auch beim Umbau unseres Stromsystems auf 100 Prozent Erneuerbaren Strom gewährleisten. Daher monitort die Bundesnetzagentur die einzelnen Schritte und Etappen sehr genau. Der heute im Kabinett verabschiedete Bericht der Bundesnetzagentur zeigt, dass die Stromnachfrage im Zeitraum von 2025 bis 2031 jederzeit sicher gedeckt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Stromverbrauch durch neue Verbraucher wie Elektromobile und Wärmepumpen deutlich steigt und der Kohleausstieg bis 2030 erfolgt. Wir sehen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Jetzt sind Disziplin und Konsequenz gefragt. Wir treiben den Umbau unserer Energieversorgung weiter entschlossen voran. Das gilt für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, für den Netzausbau ebenso wie die Modernisierung des Kraftwerksparks. Dazu legen wir im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Kraftwerksstrategie auf, damit die Kraftwerke gebaut werden, die für ein klimaneutrales Stromsystem gebraucht werden. Neue Kraftwerke müssen wasserstoff-ready sein und so von Anfang an geplant werden. Entsprechend werden wir den Rahmen setzen.“

Einordnung des Berichts

Der Bericht betrachtet das marktliche Umfeld und die Entwicklung der Netze. Auf Basis des Berichtes hat die Bundesregierung Handlungsempfehlungen entwickelt und verabschiedet, wie die im Bericht analysierte Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Die Bundesnetzagentur hat die laufenden Planungen der Bundesregierung für den Umbau des Stromsystems zur Grundlage ihrer Analyse gemacht. Dazu gehören: Die Erneuerbaren Energien werden entsprechend der Ziele des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) und des novellierten Wind-auf-See-Gesetzes ausgebaut – bis 2030 werden die Erzeugungskapazitäten von Wind an Land, Wind auf See und Photovoltaik auf 360 GW Kapazität gesteigert. Gemäß des Netzentwicklungsplans werden die Übertragungs- und Verteilnetze ausgebaut. Laut Bericht ist das Stromsystem bei Umsetzung dieser Ziele sogar so robust, dass die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet wäre, wenn 10 Gigawatt (GW) Erzeugungsleistung weniger im Markt sind.

Zusätzliche steuerbare Kraftwerke

Laut Bericht müssen zusätzliche steuerbare Kraftwerke gebaut werden. Diese decken die Stromnachfrage, wenn die Erzeugung von Wind und Sonne nicht ausreicht. Flexible Lasten und Speicher helfen dabei, die Stromnachfrage zu regulieren. Diese flexiblen Lasten sind z. B. Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen oder Wasserstoff-Elektrolyseure. Sie können bei hoher Erzeugung Strom verstärkt nutzen und bei hoher Nachfrage den Bezug reduzieren. Der Bericht betrachtet den Umbau des Stromsystems unter der Annahme eines Kohleausstiegs bis 2030, wie im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP angestrebt.

Die Bundesregierung legt zusammen mit dem Bericht der Bundesnetzagentur Handlungsempfehlungen vor. Um die Versorgungssicherheit auch weiterhin auf höchstem Niveau zu gewährleisten, werden die vielfach bereits begonnenen Anstrengungen der Bundesregierung weitergeführt. Beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie sollen weitere Anstrengungen in unterschiedlichen Rechtsbereichen unternommen werden, damit die Maßnahmen zur Erreichung der Ausbauziele ihre volle Wirkung entfalten können und die gesetzlichen Ziele erreicht werden. Bund, Länder und Kommunen sind auch künftig weiter gefordert, den Ausbau der Erneuerbaren Energien stärker zu beschleunigen und die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Empfohlen wird auch, den Zubau steuerbarer Erzeugungsleistung weiter voranzutreiben und dazu die Förderung neuer Wasserstoffkraftwerke, Biomethan- und Biomassekraftwerke aus dem EEG 2023 zügig umzusetzen. Das KWKG wird ist und bleibt ein wichtiger Baustein für den Zubau im Kraftwerkspark. Außerdem sollen die Hemmnisse zur Flexibilisierung der Nachfrage schnellstmöglich adressiert werden.

Zur Methodik des Berichts

Damit eine hohe methodische Robustheit besteht, baut die Bewertung der Versorgungssicherheit im Bericht auf zwei unterschiedlichen Studien auf. Verfasst wurden diese wissenschaftlichen Analysen von den renommierten Energieberatungsunternehmen Consentec GmbH (in Zusammenarbeit mit IER und FfE) sowie von r2b Energy Consulting.

Beide Studien berechnen jeweils ein Szenario, das die Ziele der Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag und gesetzlicher Vorgaben, z.B. zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Elektromobilität abbildet. Beide Studien unterstellen den Kohleausstieg für 2030, da dies eine für das Stromsystem zunächst herausfordernde und deshalb zentrale Annahme ist. Trotzdem kommen beide Studien zu dem Ergebnis, dass die Versorgung in einem solchen Szenario gesichert wäre. Zusätzlich wurde in einer Studie untersucht, was passiert, wenn 10 GW weniger Kraftwerksleistung zur Verfügung stehen. Hier sind nur minimale Auswirkung auf das Versorgungssicherheits-Niveau im Strommarkt zu beobachten.

Um den Erwartungswert der Versorgungssicherheit im Strommarkt bei Erreichung der Ziele der Bundesregierung zu ermitteln, betrachtet das Versorgungssicherheits-Monitoring eine Vielzahl möglicher Situationen und bezieht dabei verschiedene Wetterkonstellationen und Kraftwerksausfälle ein, also herausfordernde Situationen für das System. Diese Methodik des Monitorings des Strommarkts ist auch in der EU Binnenmarktverordnung angelegt. Sie ist „wahrscheinlichkeitsbasiert“, betrachtet also eine erwartete Entwicklung über eine Vielzahl an Situationen:

  • Für jedes betrachtete Jahr wird ein Kraftwerkspark berechnet und dann geprüft, ob dieser in unterschiedlichen Situationen die Versorgungssicherheit gewährleisten kann.
  • Für jede Stunde im betrachteten Jahr (8.760 Stunden) werden 350 unterschiedliche Kraftwerksausfälle angenommen. Diese werden kombiniert mit sechs unterschiedlichen Wetterjahren. Darunter sind auch Wetterjahre mit sehr kalten Perioden und Dunkelflauten. Insgesamt entstehen so für jede Stunde 2.100 Kombinationen aus Wetter und Kraftwerksausfällen (insgesamt rund 18 Mio. Situationen p.a.).
  • Für die Versorgungssicherheit im Stromnetz wird mittels eines detaillierten Netzmodells analysiert, ob der Strom im betrachten Jahr auch zum Verbraucher transportiert werden kann.

Das Monitoring der Versorgungssicherheit wird alle zwei Jahre von der Bundesregierung veröffentlicht. Die Handlungsempfehlungen sind alle vier Jahre vorzulegen. Der Bericht ist damit klar zu trennen von den parallelen Bedarfs- und Systemanalysen der Übertragungsnetzbetreiber für 2023 und 2024. Gemäß § 3 Netzreserveverordnung legen die Übertragungsnetzbetreiber einmal jährlich ihre Analysen vor, inwieweit der Stromtransport zwischen Erzeugern und Verbrauchern durch das bestehende Netz abgebildet werden kann. Diese Analyse wird von den Netzbetreibern aktuell erarbeitet und im April vorgelegt. Auf dieser Basis werden die benötigten Netzreservekapazitäten von der Bundesnetzagentur bestimmt; die Bundesnetzagentur wird weiter regelmäßig die Sicherheit der Energieversorgung monitoren und aufbauend auf den Daten des Berichts der Netzbetreiber einen Bericht erstellen.

VKU: „Die Ziele stimmen, bei der Umsetzung müssen wir deutlich nachlegen.“

Dazu Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU): „Der Monitoringbericht formuliert aus Sicht von Stadtwerken und kommunalen Energieversorgern die richtigen Ziele. Bei der Umsetzung aber hakt es. Deshalb halten wir die positiven Prognosen der Bundesnetzagentur derzeit für zu optimistisch. Die Ausbaugeschwindigkeit bei den Erneuerbaren Energien muss im Vergleich zum heutigen Stand verdreifacht werden, um die im Bericht zugrunde gelegte Ziele bei den Erneuerbaren-Kapazitäten zu erreichen.

Auch was den im Bericht genannten Zubau an regelbaren erdgasbasierten Erzeugungskapazitäten von bis zu 21 GW bis 2031 sowie an neuen Biomassekraftwerken von 7 GW und Wasserstoffkraftwerken von 9 GW über das EEG anbelangt, beschreibt der Bericht bislang nur Erfordernisse. Denn die dazu notwendigen Investitionsanreize für den Bau oder Modernisierung von wasserstoff- oder bioenergiefähigen Kraftwerken sind aktuell nicht in Sicht. Deren Bau ist heute für Investoren mit großen Unsicherheiten behaftet. Planziele sind für Investitionsentscheidungen nicht ausreichend.

Die Erfahrungen zeigen, dass Planung, Genehmigungsverfahren und Bau neuer Anlagen zeitintensiv sind. Damit die Anlagen, wie im Bericht gefordert bis Ende des Jahrzehnts einsatzbereit sind, müsste die Investitionsentscheidung sprichwörtlich morgen fallen. Es gilt zügig mit der geplanten Kraftwerksstrategie und der Plattform Klimaneutrales Stromsystem die richtigen Weichen zu stellen.“

->Quellen: