Ohne Lenkung durch Klimabilanz von Heizungen im Betrieb keine Klimaneutralität bis 2045

Studie: Geplante Heizungsvorgaben reichen nicht

Der Gebäudesektor ist in Deutschland einer der größten Verursacher klimaschädlicher Emissionen. Nur mit der Elektrifizierung des Wärmesektors sind die Pläne der Bundesregierung, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, überhaupt möglich. Die im Koalitionsausschuss beschlossenen Eckpunkte für das neue Gebäudeenergiegesetzes (GEG) reichen nicht aus, um den Gebäudebestand zu dekarbonisieren. Denn wie eine von LichtBlick in Auftrag gegebene Studie zeigt, spielt im GEG die Klimabilanz von Energieträgern als Steuerungselement gar keine Rolle – dies würde auch bei Umsetzung der vorgelegten Eckpunkte so bleiben. Diese sehen unter anderem vor, ab 2024 neue Heizungen möglichst mit mindestens 65 Prozent Erneuerbare zu betreiben.

Bis 2045 soll Klimaneutralität im Wärmesektor erreicht werden – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Kein klimaneutraler Gebäudebestand mit aktueller Gesetzeslage möglich

Das Architektenbüro ZRS hat im Rahmen der Untersuchung die im GEG angewandten Bilanzierungsregeln am Beispiel verschiedener neuer und sanierter Ein- und Mehrfamilienhäuser auf ihre Klimawirksamkeit analysiert. Das Ergebnis: Mit der derzeitig gültigen Gesetzeslage kann ein klimaneutraler Gebäudebestand bis 2045 nicht erreicht werden. Auch eine Festschreibung, neue Heizungen möglichst mit 65 Prozent Erneuerbare zu betreiben, wird das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2045 verfehlen.

„Das GEG trägt in aktueller Ausführung zwar dazu bei, den Primärenergiebedarf zu senken – also den energetischen Aufwand, der benötigt wird, um den Energiebedarf eines Hauses zu decken. Es führt aber nicht zum tatsächlichen Ziel der Klimaneutralität, stattdessen begünstigen die Kriterien bisher sogar fossile Energieträger“, sagt LichtBlick Klimaexpertin Dr. Corine Veithen. „Auch durch die jetzt vorgeschlagenen Änderungen zu den erlaubten Heizungen wird daran noch nichts Grundlegendes geändert.“

Berechnungen beruhen auf fehlerhaften Annahmen

Die Energiebilanz von Gebäuden werde im Gebäudeenergiegesetz auf der Basis sogenannter Primärenergiefaktoren (PEF) berechnet. Je niedriger diese Faktoren, desto ‘besser’ falle die Energiebilanz eines Gebäudes aus. Fossile Energieträger hätten fast alle einen Primärenergiefaktor von 1,1. Für Netzstrom hingegen gelte pauschal ein Faktor von 1,8 – ein Bezug von 100 Prozent Ökostrom sei schlicht nicht vorgesehen, so Veithen weiter.

Ergebnis: Fossile Energien schneiden besser ab

Die Folge dieser Fehlkalkulationen verdeutliche die LichtBlick Studie. Sie vergleiche die CO?-Emissionen und den Primärenergiebedarf verschiedener Gebäudetypen und Heizungssysteme. Die Ergebnisse zeigten unter anderem, dass laut derzeitigem GEG die Klimabilanz eines mit Gas-Brennwertkessel beheizten Bestandsgebäudes besser sei als die eines Hauses mit Wärmepumpe. „Wir bauen die falschen Heizungen ein, weil die Klimawirkung fossiler und erneuerbarer Energien nur indirekt und völlig unzureichend im GEG abgebildet wird. Klimaneutraler Strom wird erst gar nicht berücksichtigt“, so Veithen.

Das unterstützt Dr. Anna Braune, Leitung Forschung und Entwicklung bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, die das Vorwort der Studie verfasst hat: „Die Berechnungen von LichtBlick und ZRS Architekten zeigen, dass das derzeitige Gebäudeenergiegesetz den Anforderungen und Zielen eines klimaneutralen Gebäudebestandes in keiner Weise gerecht wird.“

Realistische Kalkulation zeigt enormes Klimapotential von Ökostrom

Der Vergleich mit Berechnungsfaktoren auf Basis von Werten des Umweltbundesamtes bzw. unter Berücksichtigung von Ökostrom (PEF = 0,1 und 50g CO?/kWh) zeigten schon bei Neubaugebäuden das enorme Potential von Ökostrom als Energieträger. 90 Prozent der CO?-Emissionen und 95 Prozent der Primärenergie könnten mit klimaneutralem Strom aus erneuerbaren Energien eingespart werden. Noch deutlicher zeige sich das Klimapotenzial von Ökostrom bei Bestandsgebäuden. Hier seien 97 Prozent CO?-Einsparung möglich, heißt es in der Pressemitteilung von Lichtblick.

Die Berechnungen nach den derzeitigen GEG-Kriterien verschleierten dieses Potential allerdings – und das hat weitreichende Folgen. „Aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen kommt es sowohl bei Neubau, vor allem aber bei Sanierung zu Fehlinterpretationen und damit klimapolitischen Fehlinvestitionen in nicht klimaneutrale Technologie“, so Veithen. „Ein Betrieb von neuen Heizungen mit mindestens 65 Prozent Erneuerbaren ist ein erster Schritt, jedoch noch kein hinreichender.“ Dass dringend Handlungsbedarf bestehe zeige auch ein Blick auf 2022: Von den 980.000 neu eingebauten Heizsystemen seien 598.000 Gasheizungen gewesen.

Studie liefert Reformvorschläge für ein klimawirksames GEG

Eine zeitnahe weitere Änderung des Gebäudeenergiegesetzes sei folglich dringend notwendig. „Das GEG muss zügig so novelliert werden, dass es die Klimaziele der Regierung unterstützt und die richtigen Anreize gibt, diese auch wirklich zu erreich“, so Dr. Braune.

LichtBlick hält aus diesem Grund folgende 5 politische Forderungen für wichtig:

  1. Die Gesetzgebung muss eine Lenkungswirkung hin zu klimaneutralen Gebäuden entfalten. Das Ziel einer treibhausgasneutralen Stromversorgung bis 2035 muss schnellstmöglich in den Vorgaben berücksichtigt werden.
  2. Schon im Genehmigungsverfahren mu?ssen Anreize fu?r den Einsatz von O?kostrom im Wa?rmemarkt geschaffen werden – etwa durch Abschla?ge fu?r die O?kostrom-Verwendung, analog zu den bisher u?blichen Verfahren bei Biogas oder Kraft-Wa?rme-Kopplung.
  3. Eine Berechnung mit Primärenergiefaktoren, die weder nachvollziehbar noch stringent auf unterschiedliche Systeme anzuwenden sind, ist nicht zielfu?hrend. Prima?renergiefaktoren sind vor diesem Hintergrund u?berholt, mit Blick auf die Klimaneutralita?t fragwu?rdig, und sollten abgelo?st werden. Zudem sollten die Effizienzanforderungen sta?rker auf die Begrenzung der Endenergie ausgerichtet werden.
  4. Als neue Hauptindikatoren fu?r die Bewertung von Geba?uden bieten sich die CO?-Bilanz und der zu erwartenden Endenergiebedarf an. Auf diese beiden Faktoren sollte die Gesetzgebung ausgerichtet werden. Dabei ist auch die „graue Energie“ mit einzubeziehen.
  5. In einem ersten Schritt sollte dazu in der anstehenden GEG-Novelle die Ermittlung von CO?-Emissionen und Endenergiebedarf parallel zur Berechnung des Prima?renergiebedarfs vorgegeben werden.

->Quelle:  Lichtblick.de/waermestudie