Untersuchung belegt 99 Prozent Methanreduktion

Bessere Luft durch Gülleansäuerung

Bei der Nutztierhaltung, besonders in der Schweinezucht, entstehen große Mengen Treibhausgase, vor allem das besonders klimaschädliche Methan (CH4). Es entweicht unter anderem bei der Lagerung der Tierexkremente, der Gülle. Eine Untersuchung der Universität Bonn zeigt nun, dass sich die Methan-Emission mit einfachen und kostengünstigen Mitteln um 99 Prozent reduzieren lässt. Die Methode könnte einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten. Aber, kaum zu glauben: In Deutschland gilt ein „Reinheitsgebot“ für Gülle. Die Ergebnisse der Untersuchung sind jetzt in Waste Management erschienen

Gülle nach bodennaher Ausbringung auf einer Weide – Foto © Rasbak – Eig. Werk, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org

Klimagase wirken in der Atmosphäre wie eine Schicht Fensterglas: Sie verhindern, dass Wärme von der Erdoberfläche ins Weltall abgestrahlt wird. Methan macht das 28mal so effektiv wie Kohlendioxid – eine Art unsichtbare Doppelverglasung. In den vergangen 200 Jahren hat sich die Methankonzentration in der Atmosphäre mehr als verdoppelt. Das liegt vor allem am menschlichen Fleischkonsum: Einerseits erzeugen Kühe und andere Wiederkäuer bei der Verdauung Methan. Eine weitere wichtige Quelle sind zudem die Exkremente der Tiere. „Ein Drittel des menschgemachten Methans weltweit stammt aus der Tierhaltung“, erklärt Felix Holtkamp, der im INRES-Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Universität Bonn promoviert. „Nach Schätzungen entstehen bis zu 50 Prozent davon durch Gärungsprozesse in der Gülle.“

Rund um den Globus suchen Forschende daher nach Möglichkeiten, diese Prozesse zu unterbinden. Holtkamp, sein wissenschaftlicher Betreuer Dr. Manfred Trimborn vom Institut für Landtechnik der Universität Bonn und Dr. Joachim Clemens vom Düngemittel-Hersteller SF-Soepenberg GmbH haben für das Problem nun eine vielversprechende Lösung vorgestellt. „Wir haben Gülle im Labor mit Kalkstickstoff versetzt, einer Chemikalie, die seit mehr als 100 Jahren als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt wird“, sagt Holtkamp. „Dadurch kam die Methanproduktion fast vollständig zum Erliegen.“

Neben CH4 setzt die Landwirtschaft weitere schädliche gasförmige Emissionen frei, von denen das umweltrelevante Ammoniak (NH3) besonders hervorsticht, da allein die Landwirtschaft für 94 % der gesamten NH3-Emissionen in Europa verantwortlich ist, wobei die Güllelagerung und -ausbringung die Hauptquellen sind (Europäische Umweltagentur et al., 2021). NH3 wird hauptsächlich durch die Urease-katalysierte Hydrolyse von Harnstoff gebildet, kann aber auch durch die Zersetzung anderer organischer Verbindungen entstehen. Diese Emissionen haben viele negative Eigenschaften, da sie die Gesundheit von Menschen und Tieren schädigen können, die Versauerung von Böden und die Eutrophierung aquatischer Ökosysteme verursachen und in der Atmosphäre Feinstaub (PM2,5) bilden können (sciencedirect.com).

Emissionen sanken um 99 Prozent

Insgesamt sanken die Emissionen um 99 Prozent. Dieser Effekt begann bereits eine knappe Stunde nach der Zugabe und hielt bis zum Ende des Experiments ein halbes Jahr später an. Die lange Wirksamkeit ist wichtig, da Gülle nicht einfach entsorgt wird. Stattdessen wird sie bis zum Beginn der folgenden Vegetations-Periode gelagert und dann als wertvoller Dünger auf die Felder ausgebracht. Monatelange Lagerzeiten sind daher durchaus üblich.

In dieser Zeit wird die Gülle von Bakterien und Pilzen umgebaut: Sie zerlegen unverdautes organisches Material in immer kleinere Moleküle. Am Ende dieser Prozesse entsteht Methan. „Kalkstickstoff unterbricht diese Kette chemischer Umwandlungen, und zwar gleichzeitig an verschiedenen Stellen, wie wir bei der chemischen Analyse der entsprechend behandelten Gülle sehen konnten“, erklärt Holtkamp. „Die Substanz unterdrückt den mikrobiellen Abbau von kurzkettigen Fettsäuren, einem Zwischenprodukt der Kette, und deren Umwandlung in Methan. Wie dies genau geschieht, ist noch unbekannt.“

Die Substanz hat aber noch weitere Vorteile: Sie reichert die Gülle mit Stickstoff an und verbessert so ihre Düngewirkung. Außerdem verhindert sie die Entstehung sogenannter Schwimmschichten – das sind Ablagerungen organischen Materials, die auf der Gülle eine harte Kruste bilden und den Gasaustausch behindern. Normalerweise muss diese Kruste regelmäßig zerkleinert und untergerührt werden.

Auch für die Tiere selbst hat das Verfahren Vorteile: Oft werden sie auf sogenannten Spaltenböden gehalten. Ihre Exkremente fallen dabei durch Öffnungen im Boden in einen großen Behälter. Durch die mikrobielle Umsetzung kann das Kot-Urin-Gemisch mit der Zeit aufschäumen und durch die Spalten wieder nach oben steigen. „Die Tiere stehen dann in ihren eigenen Ausscheidungen“, sagt Holtkamp. „Kalkstickstoff unterbindet diese Aufschäumung.“ Die Kosten sind zudem überschaubar – sie liegen für die Rinderhaltung bei etwa 0,3 bis 0,5 Cent pro Liter Milch.

Gülle-„Reinheitsgebot“ verhindert Einsatz

Unklar ist noch, wie sich die Methode auf die Ammoniak-Freisetzung aus der Gülle auswirkt. Ammoniak ist ein giftiges Gas, dass zwar selbst nicht klimaschädlich ist, aber zu gefährlichen Treibhausgasen umgesetzt werden kann. „Wir haben erste Hinweise darauf, dass sich die Ammoniak-Menge langfristig ebenfalls reduziert“, sagt Dr. Manfred Trimborn vom Institut für Landtechnik der Universität Bonn. „Ganz sicher können wir das momentan aber noch nicht sagen.“

In Deutschland verhindert momentan übrigens ein Umweltgesetz den Zusatz von Kalkstickstoff: Für konventionell gelagerte Gülle gilt aktuell ein strenges Reinheitsgebot.

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