Ölbaron oder Klimakämpfer?

Sultan Al Jabers COP28-Vorsitz umstritten

Der designierte Präsident der vom 30.11. bis 12.12.2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) stattfindenden Weltklimakonferenz COP28, Sultan Al Jaber, ist CEO von ADNOC („Maximum Energy – minimum emissions“), dem größten Ölproduzenten der VAE, aber auch Vorsitzender von Masdar, dem Pionierunternehmen der VAE für die Energiewende. Seine Führung bedeutet in den Augen der meisten Beobachter wenig Gutes für die COP28. Die letzte große UN-Klimakonferenz COP27 im ägyptischen Urlaubsort Sharm El Sheikh endete mit großer Enttäuschung. „Das Ergebnis wurde von den müden Unterhändlern zu Recht mit schwachem Beifall bedacht“, schrieb Katie Kouchakji im Londoner Internet-Portal Energy Monitor.

Logo COP28 in den VAE – © Junktuner – Own work, CC BY-SA 4.0, commons.wikimedia.org

Klimaschützer und Bürgerrechtsgruppen reagierten mit Bestürzung auf die Bestätigung Al Jabers, beklagten einen Interessenkonflikt und forderten, Al Jaber müsse seinen Job als Chef des Ölkonzerns niederlegen.  Al Jabers Berufung sei etwa so, wie wenn man der Tabakindustrie die Verantwortung für ein Anti-Raucher-Abkommen übertrage. Greta Thunberg nannte sie „völlig lächerlich“. zudem hat das unabhängige Forschungsnetzwerk Centre for Climate Reporting laut dem Londoner Guardian berichtet, man habe heraus gefunden, dass mindestens ein Dutzend Adnoc-Mitarbeiter jetzt für das Team arbeiten, das den diesjährigen Klimagipfel ausrichten wird –  etwa 12 von 70 Personen seien direkt von ADNOC zum COP28-Vorsitz gewechselt. Darunter zwei Ingenieure, die als Verhandlungsführer an der Konferenz teilnehmen werden, obwohl sie keinen Hintergrund in internationaler Klimadiplomatie haben. Ein Sprecher der Vereinigten Arabischen Emirate versicherte: „Das COP28-Team wurde so zusammengestellt, dass es die besten diplomatischen, technischen und sektorspezifischen Erfahrungen mitbringt, um sicherzustellen, dass der COP-Vorsitz in der Lage ist, seine erklärten Ziele zu erreichen. Die eingestellten Personen kommen aus vielen Hintergründen, Ländern und Sektoren“.

Politico berichtete schon im Januar, dass die Vereinten Nationen die Präsidentschaft des diesjährigen COP28-Weltklimagipfels in Frage stellen. Denn das Hauptteam der COP28 nutzt zwei Stockwerke eines elfstöckigen Bürogebäudes in unmittelbarer Nähe des ADNOC-Hauptquartiers in Abu Dhabi, das auch vom Ministerium für Industrie und fortgeschrittene Technologie genutzt wird. Das veranlasste den Weltklimarat UNFCCC zu einer Reihe von Fragen an die COP28-Präsidentschaft, ob die Präsidentschaft von der Ölgesellschaft unabhängig sein wird. Gefragt wurde, ob es eine Firewall zwischen den beiden Institutionen gibt, ob Adnoc Zugang zu den COP28-Sitzungen und strategischen Dokumenten hat, ob die Mitarbeiter, die an der Klimakonferenz arbeiten, auf die IT-Systeme des Ölgiganten angewiesen sind, ob ein Teil der Arbeit dem Schutz der Interessen von ADNOC gewidmet ist und ob das Klima-Team von der Ölgesellschaft bezahlt wird. Das COP28-Büro erklärte gegenüber POLITICO: „Das COP28-Team befindet sich noch im Aufbau und die Mitarbeiter sind an verschiedenen Orten untergebracht. Die entsprechenden Büroräume sollen noch vor Ende des Monats zur Verfügung stehen. In der Zwischenzeit gibt es klare Governance-Richtlinien, die sicherstellen, dass das Team völlig unabhängig von allen anderen Einrichtungen arbeiten kann. Die Finanzierung des Teams und seiner Aktivitäten wurde vollständig von der Regierung der VAE übernommen (politico.eu/cop28-climate-team-uae-shares-offices-un-abu-dhabi-national-oil-company-ahmed-al-jaber).

Al Jaber wies die Kritik zurück und will weiterhin als Adnoc-Chef tätig sein. Auf der Website des Sonderbeauftragten für den Klimawandel schrieb die Regierung, sie habe „sich verpflichtet, eine inklusive COP auszurichten, die alle Perspektiven an den Tisch bringt – dieser integrative Ansatz spiegelt sich auch im COP28-Team wider, das zu 60 % aus Frauen, zu mehr als 60 % aus G77-Ländern [der größte Zusammenschluss von Entwicklungsländern?  innerhalb der Vereinten Nationen. mit heute134 Ländern] mit 40 verschiedenen Nationalitäten und einem Durchschnittsalter von 34 Jahren besteht“. Al Jaber selbst: „Wie wäre es, wenn wir uns einmal die Fähigkeiten und Stärken aller zunutze machen und den Klimawandel bekämpfen, anstatt einander zu bekämpfen“. Der Ölbaron hat aber nicht nur mit fossilen Brennstoffen zu tun. Er war der Gründungsgeschäftsführer von Masdar, der Erneuerbare-Energien-Stadtgründung in der Wüste und Pionierunternehmen der VAE für die Energiewende. „Der COP-Präsident kommt aus dem Gastgeberland, und es gibt keinen qualifizierteren Emirati als Al Jaber“, sagt Steven Geiger, Mitbegründer von Masdar und Innova Partners, einem Beratungsunternehmen für die Energiewende mit Sitz in Washington, DC, im Gespräch mit Energy Monitor. „Man kann sich kaum einen qualifizierteren Präsidenten vorstellen als einen Experten für saubere Energie, konventionelle Energie und Energiediplomatie.“ Denneoch: die Erfolgsbilanz der fossilen Brennstoffe sorgt für düstere Klimaaussichten.

Fossile verbreiten nach wie vor Unwahrheiten

Kürzlich haben Forscher herausgefunden, dass die fossile Brennstoff-Industrie für fossile Brennstoffe 27-mal mehr Geld für Werbung und Lobbyarbeit ausgibt, als Gruppen für saubere Energien. Eine Harvard-Untersuchung von Naomi Oreskes („Merchants of Doubt“) und Geoffrey Supran untersuchte jüngst „Rhetorik und Frame-Analyse der Kommunikation von ExxonMobil zum Klimawandel“ (Artikel open access in One Earth): „Ein vorherrschendes öffentliches Narrativ über den Klimawandel ist, dass ‚wir alle schuld sind‘. Eine andere besagt, dass die Gesellschaft in absehbarer Zukunft unweigerlich auf fossile Brennstoffe angewiesen sein wird. Wie wurden diese Argumente zur gängigen Weisheit? Wir zeigen, dass eine Quelle dieser Argumente die Propaganda der fossilen Brennstoffindustrie ist. Die Werbung von ExxonMobil versuchte, die Verantwortung für die globale Erwärmung von der fossilen Brennstoffindustrie auf die Verbraucher abzuwälzen. Sie besagten auch, dass der Klimawandel eher ein ‚Risiko‘ als eine Realität sei, dass erneuerbare Energien unzuverlässig seien und dass die Industrie für fossile Brennstoffe eine bedeutende Führungsrolle beim Klimawandel einnehme. Wir zeigen, dass ein Großteil dieser Rhetorik derjenigen der Tabakindustrie ähnelt. Unsere Untersuchung deutet auf Warnsignale hin, dass die Industrie für fossile Brennstoffe die subtile Mikropolitik der Sprache nutzt, um ihre Rolle in der Klimakrise herunterzuspielen und um weiterhin Klimaprozesse, Regulierung und Aktivismus zu untergraben.

In diesem Beitrag wird untersucht, wie ExxonMobil Rhetorik und Framing einsetzt, um den öffentlichen Diskurs über den Klimawandel zu gestalten. Wir stellen einen algorithmischen Korpusvergleich und ein Themenmodell für maschinelles Lernen von 180 ExxonMobil-Kommunikationen zum Klimawandel vor, darunter von Fachleuten begutachtete Publikationen, interne Unternehmensdokumente und Werbeanzeigen in der New York Times. Außerdem untersuchen wir die Advertorials mithilfe einer induktiven Frame-Analyse. Wir stellen fest, dass das Unternehmen einige Begriffe und Themen öffentlich überbetont, während es andere vermieden hat. Vor allem hat das Unternehmen die Rhetorik des ‚Klimarisikos‘ und der ‚Energienachfrage‘ der Verbraucher genutzt, um einen ‚Fossil Fuel Savior‘ (FFS) Frame zu konstruieren, der die Realität und den Ernst des Klimawandels herunterspielt, die Bindung an fossile Brennstoffe normalisiert und die Verantwortung individualisiert. Diese Muster ähneln der dokumentierten Strategie der Tabakindustrie, die Verantwortung von den Unternehmen (die wissentlich ein tödliches Produkt verkauften und gleichzeitig dessen Schäden leugneten) auf die Verbraucher abzuwälzen. Diese historische Parallele lässt erahnen, dass die Industrie für fossile Brennstoffe Argumente wie ‚Nachfrage als Schuldzuweisung‘ einsetzt, um sich gegen Rechtsstreitigkeiten, Regulierung und Aktivismus zu wehren.“

->Quellen: