Gibt es die umweltschonende „Kreislauf-Flasche“ wirklich?

Plastik und Circular Economy

Der Plastikflaschen(PET)-Streit geht in die nächste Runde. Günther Jauch wirbt in einer TV-Kampagne für einen großen deutschen Discounter für die PET-Einwegflasche – mit unterschiedlichem Echo: Zu den Kritikern der Werbeoffensive gehört auch das Umweltbundesamt. Wie berechtigt sind die negativen Kommentare wirklich? fragt das Portal Umweltdialog.de, das seinerseits für die Position der Schweizer Enespa und ihres Geschäftsführers Cyrill Hugi wirbt – der sagt: „Tatsache ist, dass sich Plastik mittlerweile extrem gut recyceln lässt. Ein perfekter Kreislauf existiert zwar nicht, aber Kunststoff kann auf vielen anderen Wege verwertet werden – auch nachhaltig“. Mehrweg-Verbände und die DUH sehen das anders.

PET-Flaschen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Hugi  ist für seine Forschung auf diesem Gebiet bekannt. Außerdem entwickelte er ein innovatives Verfahren, mit dem Kunststoffabfälle in synthetisches Öl umgewandelt werden können. In einem Ratgeber beleuchtet er, wie nachhaltig Jauchs PET-Modell ist.

Auf der einen Seite steht der Discounter mit prominenter Unterstützung. „Es lohnt sich, manchmal etwas genauer hinzusehen“, sagt der in seiner Werbekampagne. Das Unternehmen nennt die Flasche selbst „Kreislaufflasche“ (die gibt es aber bis heute nicht) und behauptet, diese sei eine der ökologischsten Getränkeverpackungen, die es gebe.

Mehrwegflaschen aus Glas können dagegen bis zu 50 Mal wieder befüllt werden. Im Gegensatz dazu werden die 16,4 Milliarden Einwegplastikflaschen, die in Deutschland jährlich geleert werden, nur ein Mal benutzt und wandern direkt in den Müll. Getränkedosen sind auch keine Lösung: 4,5 Milliarden verbrauchen jährlich 76.000 Tonnen Metall.

Rund 50 Mal leichter als Glasflasche

Laut Jauch wir aus alt neu, die Flasche bestehe zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial, sei 50 Mal leichter als Glas. Und für ihren Transport seien weniger Lkw nötig. Denn erst an den lokalen Quellen werde die Plastikflasche, ähnlich einem Ballon, zur endgültigen Flaschengröße aufgepustet.

Auf der anderen Seite steht die Mehrweg-Allianz. Zu ihr gehören die Deutsche Umwelthilfe, die Stiftung Initiative Mehrweg sowie Verbände des Getränkegroß- und -einzelhandels und der Privatbrauereien. Die Allianz hat eine Gegenkampagne in Form eines Gewinnspiels gestartet: „Wir verlosen einen Jahresvorrat an Freigetränken im Wert von 800 Euro. Und das 20 Mal. Egal ob Wasser, Limo, Saft oder Bier – Hauptsache in regionalen Mehrweg-Pfandflaschen…“

Ein wichtiger Schritt in die grüne Zukunft

Plastik muss zwingend mehrfach verwertet werden, konstatiert der Umweltdialog. Nur so lassen sich die enormen Abfallmengen bewältigen. Zugleich können mithilfe einer zielgerichteten Aufbereitung kostbare Primärrohstoffe geschont werden. Dabei ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, dass die Mehrfachverwertung von Plastik die umweltschonende oder gar illegale Entsorgung schon heute deutlich reduziert.

Jauchs Engagement für das PET-Einwegsystem von Lidl darf somit als ein „wichtiger Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet werden. Dennoch ist die Kritik an der Kampagne berechtigt. Eine perfekte „Kreislauf-Flasche“ existiert bis dato nämlich nicht. Vielmehr müssen auch weiterhin nachhaltigere Lösungen für die Plastikmassen rund um den Globus gefunden werden.

Chemisches Recycling als Lösung mit Verbesserungspotenzial nutzen

Mechanisches Recycling entlastet die Umwelt – daran lässt sich nicht rütteln. Jedoch geht auch diese Rohstoffaufbereitung mit Nachteilen einher. Dazu gehört etwa, dass sämtliche Materialverunreinigungen komplett entfernt werden müssen. Die sogenannte Sortenreinheit ist unverzichtbar. Gleichzeitig wird sich Mikroplastik trotz aller Bemühungen nie vollends beim Auswaschen vermeiden lassen.

Darüber hinaus kann gemischter Plastikabfall auf Grundlage von chemischem Recycling schon heute deutlich effizienter wiederverwertet werden. In der mechanischen Variante ist ein vergleichbarer Wirkungsgrad nur mit einem hohen Kostenaufwand erreichbar. Unternehmen müssen folglich dazu bereit sein, innovative Lösungen im Rahmen der Rohstoffaufbereitung nutzbar zu machen. Chemisches Recycling soll als Beispiel hierfür genannt sein.

Umweltbundesamt: Biobasierte und biologisch abbaubare Einwegverpackungen? Keine Lösung für Verpackungsmüll!
Der ?Trend? hin zu Speisen und Getränken zum Mitnehmen scheint unaufhaltsam zu sein. Mit der Wahl der Verpackung haben Gastronomiebetriebe einen großen Einfluss auf das Abfallaufkommen in Kommunen. Um Sie als Ausgabebetriebe von Speisen und Getränken „to-go“ oder als kommunale Initiativen, die sich für Abfallvermeidung einsetzen, dabei zu unterstützen, vermehrt ökologisch sinnvolle Mehrwegverpackungen anzubieten, wurde diese Sammlung von Ratgebern, einem Plakat und einem Flyer erarbeitet. Es wird erläutert, wie das Umweltzeichen Blauer Engel als Orientierung dienen kann. Die Materialien stehen als Paket oder Einzeldownload zur Verfügung. Dieser Ratgeber „Biobasierte und biologisch abbaubare Einwegverpackungen? Keine Lösung für Verpackungsmüll!“ klärt über den Einsatz von Biokunststoffen auf und enthält Argumentationshilfen für Mehrwegverpackungen statt biobasierter Einwegverpackungen bei Speisen und Getränken to-go. (umweltbundesamt.de/biobasierte-biologisch-abbaubare-einwegverpackungen)

„Vorteile von Plastik ausschöpfen“

Gemischte Kunststoffe werden beim chemischen Recycling in reinen Kohlenstoff, neues Kunststoffgranulat, Öl oder Gas umgewandelt. Diese Erzeugnisse decken einen vielfältigen Bedarf, etwa im Rahmen von Veredelungs- oder Destillationsprozessen in der Chemieindustrie. Daher sollte sich die Gesellschaft vom Vorurteil verabschieden, dass Plastik automatisch schlecht sei. Wird es korrekt aufbereitet, handelt es sich dabei nämlich um ein kostbares Material mit geringer Dichte und langer Haltbarkeit. Günther Jauchs PET-Kampagne gehe also „einen Schritt in die richtige Richtung“, so der Umweltdialog. Zur „echten Kreislauf-Flasche“ ist es trotzdem noch ein weiter Weg. Verständlich also, warum das beworbene Mehrwegsystem harsch kritisiert wird.

DUH verklagt Lidl – Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht gerichtlich gegen den Vorwurf Lidls „erneuter Falschbehauptungen“ im Zusammenhang mit dessen Einweg-Kampagne vor. Lidl wirbt seit Wochen mit einem Millionenetat für seine neuen Einweg-Plastikflaschen mit der Behauptung, dass diese mindestens ökologisch gleichwertig mit vergleichbaren Mehrwegflaschen seien. Die DUH kritisiert die Einweg-Plastikkampagne unter anderem wegen der Nutzung von zum Teil bis zu zehn Jahre alten Durchschnittsdaten aus dem Mehrwegbereich, Materialverlusten bei Recyclingprozessen und der fehlenden Übertragbarkeit des Lidl-Recyclingsystems auf die gesamte Getränkebranche. Darauf warfe Lidl der DUH Falschbehauptungen vor. Die DUH bekräftigte daraufhin alle bisherigen Kritikpunkte als sachlich richtig und forderte Lidl deshalb durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, den Vorwurf falscher Behauptungen zurückzuziehen. Der Discounter kam dieser Aufforderung nicht nach. DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz: „Uns geht es um eine faktenbasierte Diskussion über die Umweltauswirkungen von Getränkeverpackungen, weshalb es wichtig ist, auf offenkundige Nachteile der als besonders ökologisch beworbenen sogenannten Einweg-Plastikflasche von Lidl aufmerksam zu machen. Dass Lidl von uns kommunizierte Kritikpunkte in der Öffentlichkeit als Falschbehauptungen abtut, ist nicht akzeptabel und diskreditiert unser Bemühen, Transparenz zu schaffen.“ (duh.de/klage-gegen-lidl-eingereicht-deutsche-umwelthilfe-erneuert-kritik-an-einweg-plastikflaschen)

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