Bayern will PFAS-Verbot im Bundesrat verwässern

Ewigkeits-Chemikalien „ausgewogen“ regulieren

Die bayerische Staatsregierung hat einen Entschließungsantrag mit dem Titel „PFAS-Regulierung mit Augenmaß“ in den Bundesrat eingebracht. Dieser wird voraussichtlich im September in den zuständigen Ausschüssen beraten. Der Antrag befürwortet eine („ausgewogene“) Regulierung von PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) bzw. Minimierung des Eintrags persistenter Stoffe mit negativen Wirkungen für Mensch und Umwelt im Sinne der Vorsorge, betont aber auch die Relevanz der Stoffgruppe für den Transformationsprozess und spricht sich insofern für einen differenzierten Regulierungsansatz aus. Umweltverbände protestieren.

PFAS-Schwerpunkt „PFAS. gekommen, um zu bleiben“ – Titel © Umweltbundesamt

Im Wortlaut: Entschließung des Bundesrates – PFAS-Regulierung mit Augenmaß

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

  1. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, den Eintrag persistenter Stoffe mit negativen Wirkungen für Mensch und Umwelt im Sinne der Vorsorge effektiv zu minimieren.
  2. Der Bundesrat begrüßt den Einstieg in eine Regulierung der Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), die dem Gefährdungspotenzial gerecht wird, den Zielen des Green Deals verpflichtet ist und Planungssicherheit für europäische Unternehmen schafft.
  3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass derzeit etwa 95 Prozent aller industriellen Produkte auf Chemikalien aus dieser Stoffgruppe angewiesen sind. Er gibt daher zu bedenken, dass es für den notwendigen Transformationsprozess zur Klimaneutralität, für Medizinprodukte, Filter für den Umweltschutz, Schutzausrüstungen und Bauteile für Extrembelastungen Alternativen für reglementierte PFAS bedarf.
  4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die inländische Transformation durch verschiedene Instrumente aktiv und engagiert zu unterstützen, insbesondere durch finanzielle Förderung von Forschung und Entwicklung (z. B. zu Ersatzstoffen, Sanierungstechnologien, Analytik, geschlossenen Stoffkreisläufen, Auswirkungen auf die Gesundheit).
  5. Der Bundesrat unterstützt aufgrund des breiten Einsatzgebietes von PFAS, den unterschiedlichen Substitutionsmöglichkeiten sowie dem notwendigen Zeitbedarf für die Entwicklung von Alternativen eine zeitlich gestufte Beschränkung von PFAS. Bei Produkten mit bereits verfügbaren Ersatzstoffen oder -technologien (z. B. Produkten für Endverbraucher wie Outdoorkleidung und Lebensmittel- Verpackungen) sieht er eine zeitnahe Umsetzung als geboten an.
  6. Der Bundesrat befürwortet eine Differenzierung der PFAS-Gruppe nach Gefährlichkeit und bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass es bei einem risikobasierten Ansatz bleibt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass die im Fortgang des Beschränkungsverfahrens eingebrachten Daten und Informationen, darunter auch Vorschläge zu Übergangsfristen und Ausnahmen von der Beschränkung, angemessen bewertet und berücksichtigt werden.
  7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung auf fairen Wettbewerb hinzuwirken und im Beschränkungsverfahren auch den Import von Produkten zu berücksichtigen, die PFAS für ihre Herstellung erfordern, aber nicht im Endprodukt enthalten (z. B. bei Halbleitern).
  8. Der Bundesrat spricht sich für eine rechtzeitige Evaluierung der Übergangsfristen aus, um Verwendungen zu identifizieren, für die zum Ablauf der Übergangsfristen keine stoffliche oder technische Substitution möglich ist.
  9. Diese Stellungnahme wird auch der EU-Kommission direkt übermittelt.

Wirtschaftsministerkonferenz lehnt pauschales Verbot aller PFAS-Verbindungen ab

Die Wirtschaftsministerkonferenz forderte das BMWK in diesem Zusammenhang bereits am 22.06.2023 im Rahmen ihrer Konferenz auf SchlossHohenkammer (Bayern) dazu auf, bereits jetzt zu handeln und dafür Sorge zu tragen, dass

  • a) es bei einem risikobasierten Ansatz bleibt und eine Einstufung als „substances of low concern“ (z. B. Fluorpolymere) und eine Verwendung in geschlossenen Stoffkreisläufen berücksichtigt werden. Die Wirtschaftsministerkonferenz versteht unter einem „risikobasierten Ansatz“, dass eine angemessene Gruppierung und Regulierung von PFAS auf der Grundlage von gemeinsamen Risikobewertungen und Merkmalen vorgenommen wird, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und spezifischen Risikoprofilen einzelner PFAS basiert. Eine solche differenzierte Bewertung ermöglicht eine angemessene und zielgerichtete Regulierung derjenigen PFAS-Verbindungen, die ein erhöhtes Risiko für Mensch und Umwelt darstellen. Dies würde den Verwaltungsaufwand reduzieren und eine zeitnahe Umsetzung ermöglichen. Es darf nicht zu einer Einzelregulierung aller über 10.000 PFAS-Verbindungen kommen. Aber eine pauschale Einstufung aller PFAS-Verbindungen als „substances of low concern“ wird ebenso abgelehnt wie ein pauschales Verbot aller PFAS-Verbindungen. Der Begriff „Verwendung in geschlossenen Kreisläufen“ benötigt ein einheitliches Verständnis und klare Kriterien. Es ist wichtig zu definieren, unter welchen Bedingungen und in welchen industriellen Prozessen eine solche Verwendung angemessen ist;
  • b) europäische Hersteller nicht benachteiligt werden, wenn PFAS nur bei der Herstellung verwendet werden, im Endprodukt aber nicht enthalten sind (z. B. bei Halbleitern), also importiert werden dürften. Die Ziele des EU-Chips Act dürfen nicht gefährdet werden;
  • c) die Entwicklung noch fehlender Analyseverfahren, Forschung und Entwicklung zu Alternativen für PFAS sowie Wissenstransfer und Neuinvestitionen in alternative Lösungen ausreichend gefördert werden, u. a. da PFAS auch in anderen Ländern wie den USA vor einer Regulierung stehen.

BUND: Ohne jedes Augenmaß – Bundesrat muss bayerischen Antrag auf PFAS-Freibrief stoppen

Anlässlich des von der Bayrischen Landesregierung in den Bundesrat eingebrachten Entschließungsantrags „PFAS-Regulierung mit Augenmaßfür die Aufweichung der EU-Regulierung der Ewigkeitschemikalien PFAS in Deutschland kritisiert Antje von Broock, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Dieser Antrag muss gestoppt werden. CSU und Freie Wähler versuchen damit, einen Freibrief für die Weiterverwendung der gefährlichen PFAS-Chemikalien zu bekommen. Die anderen Bundesländer sind jetzt in der Verantwortung, diesen Irrsinn zu beenden! PFAS vergiften bereits heute überall in Deutschland und weltweit Wasser, Böden und Produkte. Wir alle zahlen mit Steuergeldern für die Sanierung verseuchter Gebiete. Aus gutem Grund haben hatten sich sowohl die Umweltministerkonferenz als auch die Verbraucherschutzministerkonferenz für die Beschränkung der PFAS-Stoffgruppe ausgesprochen. Verbote einzelner PFAS bewirken nur, dass sie schnell durch neue Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften ersetzt werden.“

Martin GeilhufeLandesbeauftragter BUND Naturschutz in Bayern ergänzt: „Auch aus bayerischer Sicht ist völlig klar: Der eingebrachte Entschließungsantrag muss abgelehnt werden. Schließlich sind PFAS auch für Mensch und Natur in Bayern ein Problem. Rund um das bayerische 3M-Werk in Gendorf haben wir erhebliche Belastungen, deren Ausmaß auch 17 Jahre nach den ersten öffentlichen Diskussionen noch nicht in Gänze feststeht. Obwohl der 3M-Konzern erklärt hat, bis Ende 2025 weltweit aus der PFAS-Produktion auszusteigen, halten Minister Hubert Aiwanger und die bayerische Staatsregierung an dem Werk in Gendorf fest. WissenschaftlerInnen des Helmholtz-Zentrums Hereon haben im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, wonach 59 verschiedene PFAS in der Alz nach der Einleitung der Kläranlage gefunden wurden.  Wir brauchen deshalb die Beschränkung der gesamten PFAS-Stoffgruppe, wie von mehreren Mitgliedstaaten – darunter auch Deutschland – vorgeschlagen!“

Hintergrund: Der Deutsche Bundesrat befasst sich demnächst auf Antrag der Bayerischen Landesregierung mit der Regulierung von PFAS. In ihrem Antrag „PFAS?Regulierung mit Augenmaß“ spricht sich der Freistaat gegen den europäischen Beschränkungsvorschlag dieser Chemikalien aus. Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, sind extrem langlebig. Gelangen die Industriechemikalien in die Umwelt, können sie Böden, Gewässer, Pflanzen und Tiere für Jahrhunderte belasten. Deshalb werden PFAS auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt. PFAS-Chemikalien stecken in sehr vielen Alltagsprodukten wie zum Beispiel Regenjacken, Pizzakartons oder Shampoo. Einige PFAS stehen im Verdacht, krebserregend zu sein, Niere und Leber zu schädigen und das Immunsystem zu schwächen. Je mehr PFAS in die Umwelt gelangen, umso stärker können sie sich im menschlichen Körper anreichern.

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