Die Energiewende-Lobbyisten

Hinterzimmer-Deals? – Fehlanzeige!

Viele Verbände, Bündnisse und Unternehmen setzen sich gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit für eine bürgernahe Energiewende ein. Wie sie dabei vorgehen? Drei Lobbyisten gaben Manuel Gisard für energiezukunft Einblick in ihr Schaffen.

Plakat am BMWi von 2014 (heute: BMWK) – „Hier wird an der Energiewende gearbeitet“– Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Mieterstrom, jahrelang fristete das Konzept ein Nischendasein. Man tue doch schon genug für das vor allem in urbanen Strukturen gedachte Energiemodell. So bekamen es Energiewendeverfechter aus dem CDU geführten Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier jahrelang zu hören. Doch Mieterstrom ist bislang zu kompliziert und meist nur mit einem Dienstleister durchführbar, so berichtet es Viola Theesfeld, Referentin für Energiepolitik beim Bündnis Bürgerenergie – ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der lokalen Bürgerenergie und Vernetzung der beteiligten Akteure. Mit anderen Worten, das Bündnis betreibt Lobbyismus für die bürgernahe Energiewende.

Lobbyismus, ein oft verschmähter Begriff, bei dem viele an dunkle Geschäfte und Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft denken, wo kapitale und fossile Interessen auf Kosten sozialer Belange sowie von Klima- und Umweltschutz durchgesetzt werden. Doch wo es genau diese Art von Lobbyismus gibt, arbeitet auch eine Gegenseite, eben für eine dezentrale, von Bürgern und mittelständischer Wirtschaft getragene Energiewende. So wie das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) oder auch der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne).

Gemeinsam mit vielen weiteren Verbänden und Unternehmen habe man sich zusammengetan, um gemeinsam für eine Stärkung des Mieterstrom-Modells zu kämpfen, so Theesfeld. „Wir mussten das dringend vereinfachen, vor allem für kleinere Wohngemeinschaften, die ganz unkompliziert ihren selbst produzierten Strom teilen wollen.“ Der Wind für diese Energiewende-Verfechter drehte sich mit Beginn der neuen Legislaturperiode unter der Ampel-Regierung und einem von Bündnis 90/Die Grünen geführten Wirtschaftsministerium.

In einem neuen Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wurde das Modell eines virtuellen Summenzählers ermöglicht. So kann künftig allein mit intelligenten Stromzählern berechnet werden, wer genau wie viel Strom verbraucht. Zuvor mussten teure Messeinrichtungen installiert werden, die zudem oftmals keinen Platz in den Zählerschränken fanden.

Eine vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Solarstrategie sieht weitere Vereinfachungen für Mieterstrom vor, etwa weniger Meldepflichten sowie die Installation der Solarmodule auch auf Neben- und Nichtwohngebäuden. Auch ein Stakeholder-Dialog zum sogenannten Energy Sharing wurde im September gestartet – eine bereits bestehenden EU-Richtlinie, die in Deutschland aber noch nicht umgesetzt wurde. Durch die Umsetzung des Modells könnten Anreize für einen dezentralen zeitgleichen Verbrauch Erneuerbarer Energien innerhalb einer Energiegemeinschaft gesetzt werden.

Ein Modell, für welches das Bündnis Bürgerenergie und weitere seit langem kämpfen. Auch Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim bne, und Sven Kirrmann, politischer Referent bei naturstrom, bewerten die neuen Bestrebungen zu Mieterstrom und dem Energy Sharing bei einem gemeinsamen Gespräch positiv. „Dies sind gute Beispiele, wo sich die politische Arbeit bezahlt macht“, sagt Kirrmann.

Politische Arbeit, die sich auf vielfältige Weise ausdrückt. Da ist die sichtbare Arbeit der Verbände und Unternehmen, unter anderem über Pressemeldungen, Social-Media-Arbeit und der Veröffentlichung von Gutachten und Studien. Und da ist der nicht sichtbare Teil der Arbeit, über persönliche Gespräche mit Mitarbeitern und Politikern im Bundestag und den Ministerien auf verschiedenen Arbeitsebenen.

„Wir sind im ständigen Austausch mit Beamten und Referenten und fragen, woran sie arbeiten und wo sie Unterstützung brauchen“, sagt Pfeiffer. Im Ministerium seien es am Ende die Personen auf Arbeitsebene, die die ganzen Gesetze schreiben. Man habe dabei im Großen und Ganzen mit den gleichen Menschen zu tun wie in der letzten Legislaturperiode. „Viele von denen freuen sich aber, dass sie jetzt mehr Möglichkeiten haben, etwas voranzubringen“, so Pfeiffer weiter.

Wissenschaftliche Analysen sind hier eine Möglichkeit für bne, Bündnis Bürgerenergie und verbundene Unternehmen wie naturstrom, der Politik Arbeit abzunehmen und das eigene Bestreben für eine soziale Energiewende voranzubringen. „Mit Fördermitteln finanzieren wir wissenschaftliche Studien, wie etwa eine Potenzialanalyse zum Energy Sharing. Positions- und Konzeptpapiere dazu spielen wir auch schonmal vor Veröffentlichung Beamten im Wirtschaftsministerium zu, damit sie eine weitere Grundlage für ihre Arbeit haben“, sagt Theesfeld. Im eng getakteten Berliner Politbetrieb sei es stets wichtig, sich früh Gehör zu verschaffen und dann weiter am Ball zu bleiben.

Gesetzentwürfe aus dem Wirtschaftsministerium gehen nach Kabinettsbeschluss in den Bundestag, wo die Abgeordneten in ihren Fraktionen weiter über die Vorhaben beraten – die sogenannten Lesungen. Auch hier gilt es für die Energiewende-Verbände, weiter im Austausch mit den Abgeordneten und ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern zu sein, um womöglich in bestimmten Punkten noch Verbesserungen zu erreichen. Gesetzesinitiativen können aber auch direkt von Fraktionen im Bundestag erarbeitet und beschlossen werden, wie etwa beim ursprünglichen EEG geschehen. Solche reinen Parlamentsgesetze sind aber selten.

„Ob durch den Austausch mit Abgeordneten und ihren Mitarbeitern im Bundestag oder Referenten in den Ministerien, wir als bne verstehen uns als Transmissionsriemen zwischen der Politik und Unternehmen wie naturstrom“, sagt Pfeiffer. Es gehe darum die wirtschaftliche Realität der Unternehmen den Politikern und Referenten erklären zu können und damit Verbesserungen für die Energiewende-Macher zu erreichen.

Kirrmann ergänzt: „Oft werden Gespräche zwischen der Politik und Wirtschaft sowie Verbänden als zwielichtig abgekanzelt, aber genau diese Übersetzung zwischen Gesetzgebung und Praxis muss ja stattfinden, um wechselseitig zu verstehen, wie der unternehmerische Alltag und das politische System laufen.“

Als etwa über die Erlösabschöpfung bei der Strompreisbremse diskutiert wurde, sei vielen im Ministerium gar nicht bewusst gewesen, dass Projekte, die einen Zuschlag erhalten, oftmals gar nicht in der EEG-Förderung bleiben und den Strom vielmehr direkt vermarkten. Die ursprünglich vorgesehenen Regeln hätten für viele Unternehmen bedeutet, dass sie durch die Erlösabschöpfung heftige Verluste machen, erinnert sich Pfeiffer. „Wir haben es geschafft, die Ministerialbeamten darauf aufmerksam zu machen, dass diese Fälle sehr häufig vorkommen. Aufgrund dieser neuen Erkenntnis wurden dann Regelungen angepasst. Mit dieser Informationsvermittlung ist es uns einigermaßen gelungen, viele der Härtefälle abzuwenden.“

Für Transparenz sorgen naturstrom und die Verbände in ihrer Arbeit jederzeit, sowohl formell durch den Eintrag im Lobbyregister des Bundestages wie auch inhaltlich. „Wir halten mit unseren Forderungen nicht hinter dem Berg“, so Kirrmann. In Gesetzgebungsprozessen gebe es ohnehin offizielle Stellungnahmen der Unternehmen und Verbände, die von den Ministerien dokumentiert werden und öffentlich einsehbar sind. „Dort wird genau die Positionierung deutlich, die wir zuvor in direkten Gesprächen mit Referenten und Politikern vertreten“, ergänzt Pfeiffer.

Und Viola Theesfeld sagt: „Positionspapiere, die wir Beamten im Ministerium vorlegen, machen wir in der Folge auch immer öffentlich.“ All das ist Teil der sichtbaren Arbeit der Verbände. Flankiert werden gemeinsame Analysen und Forderungen oftmals mit Kampagnen – Pressemitteilungen, Social-Media-Arbeit und Veranstaltungen, die die Öffentlichkeit informieren und darüber wiederum Druck auf politische Prozesse ausüben. (Manuel Grisard)

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