Berlin möchte Transformation zur Kreislaufwirtschaft unterstützen

Potenzialstudie Circular Economy

Das Land Berlin möchte zukünftig die Transformation der ansässigen Wirtschaft zur Circular Economy zielgerichtet unterstützen. Als Grundlage hierfür wurde von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (SenWiEnBe) die vorliegende Studie in Auftrag gegeben. Sie identifiziert die konkreten Potenziale und Anforderungen, die mit dem Übergang zur Circular Economy für den industriellen Sektor Berlins einhergehen und bietet Empfehlungen für die künftige Unterstützung der Circular-Economy-Transformation der Berliner Industrie. Die im Folgenden präsentierten Kernergebnisse fassen die wichtigsten Befunde der Analyse sowie die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen zusammen.

Brandenburger Tor Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Die Interaktion zwischen Wirtschaft und Umwelt nimmt vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel, Ressourcenknappheit und Biodiversitätsverlust eine zunehmend zentrale Rolle ein. Die Entkopplung des Ressourcenverbrauchs von der Wirtschaftsentwicklung und der Übergang zu einer zirkulären Wirtschaftsweise (Circular Economy) wird verstärkt als zentraler Schritt angesehen, um Ressourcenverbräuche (und Treibhausgasemissionen) in notwendigem Umfang zu senken. Der europäische Green Deal und die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie unterstreichen die Notwendigkeit einer solchen Entkopplung und setzen ambitionierte Zielstellungen für die ökologische Transformation der Wirtschaft in Deutschland und Europa.

Zentrale Ergebnisse der Analyse

In einer umfassenden Analyse wurde der komplexe politische und rechtliche Rahmen erfasst, innerhalb dessen die Transformation der Berliner Industrie zu einer zirkulären Wirtschaftsweise stattfindet (siehe Kapitel 4.1.1). Im Zentrum stehen dabei Vorgaben aus dem europäischen Grünen Deal, dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und der neuen Industriestrategie für Europa. Hinzu kommen nationale und regionale Gesetze und Strategien, wie die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, der Masterplan Industriestadt Berlin und das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Berlin Die daraus resultierenden rechtlichen Anforderungen an Berliner Industrieunternehmen variieren je nach Branche und Geschäftsmodell und können sich teilweise maßgeblich auf Produktionsverfahren, Materialauswahl und/oder Abfallmanagement auswirken. Die rechtlichen Vorgaben betreffen beispielsweise die Einhaltung von Recyclingquoten, das Verbot bestimmter gefährlicher Substanzen bei der Herstellung, Energieeffizienzstandards und den Einsatz von Sekundärrohstoffen. Auf Unternehmen kommen zudem künftig weitere neue Anforderungen und Entwicklungen zu, wie der verpflichtende Einsatz von Rezyklaten bei der Herstellung oder der digitale Produktpass.

Die Untersuchung des Status Quo des zirkulären Wirtschaftens in Berlin zeigt, dass in verschiedenen Industriebranchen bzw. -bereichen des Standorts unterschiedlich hohes Potenzial mit Blick auf die Circular-Economy-Transformation liegt. Betrachtet man die Industriebereiche nach ihrer (wirtschaftlichen) Relevanz für den Standort Berlin und nach ihren Circular-Economy-Potenzialen, so sind insbesondere die chemische/pharmazeutische Industrie, das Baugewerbe und die Elektrotechnik-/Elektronikindustrie von besonders hoher Relevanz für die Circular-Economy-Transformation des Industriestandorts. Die chemische/pharmazeutische Industrie und die Elektrotechnik-/Elektronikindustrie werden im Rahmen dieser Studie als Fokusbranchen vertieft untersucht (siehe Kapitel 4.2.

Für die Transformation der Berliner Industrie spielen ergänzend Anbieter im Bereich Recycling, Anbieter wissenschaftlich-technischer Dienstleistungen und Hochschulen sowie Anbieter von (Weiter-) Bildungsangeboten eine wichtige Rolle. Diese treiben als Enablerund Querschnittsbranchen das Thema Circular Economy in Berlin voran und bieten Industrieunternehmen relevanten Unterstützung bei der diesbezüglichen Transformation (vgl Kapitel 4.1.3.

Im Rahmen einer SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats) wurden branchenübergreifend Stärken, Schwächen, Chancen und Herausforderungen identifiziert, die die Berliner Industrie mit Blick auf die Circular-Economy-Transformation aufweist (siehe Kapitel 4.3):

  • Stärken des Industriestandorts Berlin im Bereich Circular Economy sind das starke Innovationsumfeld, vorhandene Kompetenzen im Bereich Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit, ein gut ausgebautes Wissenschafts- und Forschungsökosystem sowie umfangreiche Unterstützungs- und Förderstrukturen. Berlin profitiert zudem von einigen laufenden Initiativen, die dem Thema in der Hauptstadtregion Sichtbarkeit verleihen
  • Schwächen bestehen in der noch geringen Präsenz des Themas Circular Economy bei etablierten KMU, einer aufgrund von Krisenjahren gehemmten Investitionsbereitschaft in neue Themen und einer bislang limitierten politisch-strategischen Priorisierung des Themas Circular Economy
  • Chancen für die Berliner Industrie liegen in wirtschaftlichen Potenzialen für Unternehmen (u. a. durch neue Geschäftsmodelle und Kosteneinsparungen), übergreifenden politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, digitalen Entwicklungen als Enabler, der öffentlichen Beschaffung als Nachfragetreiber, einzelnen Leuchtturmprojekten und Vorreiterunternehmen sowie Potenzialen im Bereich Urban Mining
  • Risiken für die Berliner Industrie ergeben sich aus der teilweise noch fehlenden Wirtschaftlichkeit von kreislauffähigen Materialien, Pfadabhängigkeiten von Bestandsunternehmen, bürokratischen Hürden, rechtlichen Unsicherheiten und dem Fachkräftemangel

Handlungsempfehlungen

Die Transformation zur Circular Economy bietet große wirtschaftliche Chancen für die Berliner Industrie. Um die Potenziale der Circular Economy in Berlin voll auszuschöpfen, müssen jedoch verschiedene Hindernisse und Risiken überwunden und bestehende Stärken weiter ausgebaut werden. Um dies zu adressieren, empfehlen sich zusätzliche Maßnahmen des Landes Berlin in den folgenden vier Handlungsfeldern.

Handlungsfeld I, Sichtbarkeit und Agenda-Setting, adressiert den Befund, dass das Thema Circular Economy bei Berliner Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft noch nicht ausreichend präsent ist. Obwohl die Relevanz des Themas in der Industrie aufgrund des sich weiterentwickelnden gesetzlichen Rahmens zunehmend wahrgenommen wird, werden bislang selten konkrete Strategien und Umsetzungskonzepte implementiert. Um das Thema in den Fokus der Industrie zu rücken, sollten sich das Land Berlin und seine öffentlichen Akteure zu strategischen Zielen im Bereich Circular Economy bekennen und kommunikative Maßnahmen ergreifen, um mehr Sichtbarkeit des Themas bei den Berliner Industrieunternehmen zu erzielen.

Die Transformation der Berliner Industrie zur Circular Economy erfordert darüber hinaus Kompetenzaufbau und Information (Handlungsfeld II) der Unternehmen zu rechtlichen Anforderungen (z. B. der Ökodesign-Richtlinie) und zur Umsetzung von Circular-Economy- Ansätzen im Unternehmen. Insbesondere kleine und mittlere Industrieunternehmen haben Schwierigkeiten, sich über die aktuellen Entwicklungen zu informieren und haben bislang oft noch Bedenken, beispielsweise beim Einsatz von Sekundärrohstoffen. Um dies zu adressieren, sollten für KMU in Berlin niedrigschwellige Informations- und Beratungsangebote sowie Austauschformate mit Fachexpert:innen etabliert werden, die den wirtschaftlichen Mehrwert der Circular Economy kommunizieren und Handlungsansätze aufzeigen. Weitere Maßnahmen könnten Gelegenheiten zur sicheren und schnellen Erprobung von neuen Verfahren und Geschäftsmodellen im Bereich Circular Economy schaffen.

Um auch unternehmensübergreifende Potenziale der Circular Economy zu heben, sollten die Kooperation und Vernetzung von Berliner Industrieunternehmen gestärkt werden (Handlungsfeld III). Insbesondere in der Kooperation entlang von Wertschöpfungsketten bestehen noch maßgebliche ungehobene Potenziale. Unter anderem haben einige Unternehmen Schwierigkeiten, relevante Ressourcen- und Materialströme (in ihrer Wertschöpfungskette) zu identifizieren und passende Kooperationspartner für die Rückführung von Stoffen zu finden. Um Berliner Industrieunternehmen zu unterstützen, sollten im Land Berlin daher gezielt Gelegenheitsräume zur Vernetzung und Kooperationsanbahnung geschaffen werden. Diese sollten u. a. die Rückführung von bestimmten Stoffen in den Kreislauf, die Identifizierung von Ressourcenströme entlang der Wertschöpfungskette und die Zusammenarbeit mit Zulieferern aus verschiedenen Branchen und Regionen adressieren.

Zuletzt wird eine konkrete Anreizsetzung für Unternehmen (Handlungsfeld IV) empfohlen. Das Thema Circular Economy wird von vielen Unternehmen noch nicht als (wirtschaftlich) lohnenswert angesehen, z. B. aufgrund von hohen Preisen für Sekundärrohstoffen und notwendigen Investitionen für die Umstellung von Prozessen. Ein weiteres Hemmnis ist, dass vielen Unternehmen ein greifbares Verständnis von Circular Economy und konkrete Ideen für die Umsetzung fehlen. Von Landesseite sollten daher zusätzliche Anreize geboten werden, die Unternehmen einen niedrigschwelligen Einstieg in das Thema ermöglichen. Hierbei sollte zuerst geprüft werden, inwiefern bestehende Förderprogramme (noch) gezielter auch für das Thema Circular Economy genutzt und beworben werden können. Auch eine auf das Thema ausgerichtete Fördermittelberatung erscheint hierfür sinnvoll. Falls erforderlich, könnte die Einrichtung eines neuen Beratungs-Förderprogramms für (Industrie-)Unternehmen in Erwägung gezogen werden, mit dem Unternehmen finanziell bei der Identifizierung und Umsetzung von für sie passenden Maßnahmen im Bereich Circular Economy unterstützt werden.

->Quellen: