Euro-Plastik weit entfernt „entsorgt“

Müll-Kolonialismus

Ein großer Teil des europäischen Plastiks wird – entgegen weit verbreiteter Vorstellungen – einer am 18.01.2024 open access in Circular Economy and Sustainability veröffentlichten Untersuchung zufolge in weit entfernte Länder wie z.B. Vietnam verschickt und landet dort in der Natur. Etwa die Hälfte des europäischen Plastikmülls wird in verschiedene Länder Asiens exportiert, der kann aber nicht recycelt werden. Ein Forschungsteam der Universität Utrecht hat untersucht, wohin ein Großteil des Europäischen Plastiks gelangt. Trotz strenger EU-Vorschriften für das Recycling von Kunststoffen wird der transport von Kunststoffabfällen aus der EU, z. B. nach Vietnam, kaum überwacht. Das ist das Ergebnis einer Forschungsarbeit unter der Leitung von Kaustubh Thapa von der Universität Utrecht.

Plastikmüll – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Zusammenfassung

Die Ausfuhr von Abfällen zum Zwecke des Recyclings in Länder ohne solide Recyclingkapazitäten wirft Fragen der Fairness und Nachhaltigkeit auf. Da die Recycling-Infrastruktur in Europa nicht ausreicht, um das wachsende Aufkommen an Kunststoffabfällen zu bewältigen, hat der Handel mit Abfällen zum Zwecke des Recyclings in einer komplexen globalen Wertschöpfungskette zugenommen, mit dem erklärten Ziel, eine solide Ressourcenrückgewinnung zu erreichen. Dieser Handel stellt jedoch zunehmend Herausforderungen an die Governance und die Nachhaltigkeit. Die EU hat Strategien und Systeme für die Bewirtschaftung von Kunststoffabfällen eingeführt, einschließlich der getrennten Sammlung, um potenzielle Schäden zu vermeiden und die Wiederverwendung von Ressourcen zu fördern. Dennoch wird die Abfallentsorgung oft ohne Transparenz in Länder mit niedrigeren Betriebs- und Arbeitskosten ausgelagert, was für den Einzelnen, die Gesellschaft und die Umwelt schädlich sein kann. Fünfzig Prozent der in Europa gesammelten Kunststoffabfälle werden zum Recycling außerhalb der EU verbracht, ohne dass darüber Rechenschaft abgelegt wird. Diese vietnamesische Fallstudie über den Export von Kunststoffabfällen zur Wiederverwertung aus der EU zielt darauf ab, unser Verständnis der Abfallpolitik und ihrer Auswirkungen auf Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zu verbessern. Wir nehmen eine multidisziplinäre Perspektive ein, um die Herausforderungen der EU-Plastikabfallexportpraktiken für das breitere sozio-ökologische System zu verstehen. Wir schlagen ein multidisziplinäres Rahmenwerk als ökozentrischen ethischen Leitfaden für gerechte und zirkuläre zukünftige Abfallverbringungspraktiken unter starker Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Dimensionen vor. Wir hoffen, dass diese Forschung und ihre Ergebnisse Erkenntnisse für künftige politische Maßnahmen liefern können, z. B. für den Vertrag der Vereinten Nationen über die Verschmutzung durch Plastikmüll.

Gesindheitsgefahren für Einwohner

„Wir beobachteten Menschen, die in dem 20 km außerhalb der Hauptstadt Hanoi gelegenen Handwerkerdorf Minh Khai, einer der größten vietnamesischen Recycling-Drehscheiben für importierte Kunststoffe, kochten, aßen und lebten, umgeben von den giftigen Dämpfen geschmolzenen Plastiks. Kinder spielten in dieser erstickenden Umgebung“, sagt Thapa, der leitende Forscher. Seinen Forschungsergebnissen zufolge werden täglich 7 Millionen Liter giftiger Abwässer in die Wasserwege von Mhin Khai gekippt. „Diese Art von Abfallhandel ist zwar für einige profitabel, aber die Verlagerung der Verantwortung für die Abfallbewirtschaftung von den Erzeugern auf Dörfer wie diese schadet den Menschen, den Gemeinden und der Umwelt“, so Thapa.

Gegensätzliche Politiken und Realitäten

Während die UN-Verhandlungen über ein internationales Kunststoffabkommen im Gang sind, zeigt. Thapas neue Untersuchung den auffälligen Kontrast zwischen der vietnamesischen und europäischen Politik und der Realität der Recyclingzentren im globalen Süden. „Die europäischen Verbraucher bemühen sich um getrenntes Recycling, aber wir können deutlich sehen, dass ihre Bemühungen zu einem beträchtlichen Teil vergeblich sind“, sagt Thapa. „Sich auf die Steigerung der Recyclingquoten in der EU zu konzentrieren, ohne die damit verbundenen Schäden für Mensch und Umwelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette systematisch anzugehen, ist weder ethisch, noch zirkulär oder nachhaltig.“

Die Forschenden hoffen, dass die Auslagerung von Kunststoffabfällen zum Recycling auf nachhaltige Weise möglich ist. „Der europäische Green New Deal, sein Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und die laufenden Gespräche der Vereinten Nationen über einen rechtsverbindlichen globalen Kunststoffvertrag können unsere Schlussfolgerungen nicht ignorieren. Da wir immer mehr konsumieren und damit auch mehr Abfall erzeugen, muss der Handel mit Abfällen für das Recycling systematisch angegangen werden“, so Thapa abschließend.

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