EnBW beginnt Bau von Deutschlands größtem Meereswindpark

Offshore-Pionierpark He Dreiht bekommt 64 15-MW-Generatoren

Nach Vorführung von Filmaufnahmen der ersten Fundamentbauarbeiten vom 15.05.2024 erklärte EnBW-Vorstandsvorsitzender Georg Stamatelopoulos die Seebaustelle He Dreiht („Er dreht“) für eröffnet, schreibt Tilman Weber am 16.05.2024 auf Erneuerbare Energien. Der baden-württembergische teilstaatliche Energiekonzern lässt bis Ende 2025 in dem 85 Kilometer vor Borkum gelegenen Offshore-Windkraftfeld von eigenen Teams und beauftragten Unternehmen 64 Windturbinen errichten und in Betrieb nehmen. Technologisch ist der Windpark eine Weltpremiere: Erstmals wird hier gemäß den Planungen ein Windpark aus Turbinen mit 15 Megawatt (MW) Nennleistung kommerziell Strom erzeugen (siehe: solarify.eu/15-mw-turbinen-fuer-neues-offshore-projekt). Mit insgesamt 960 MW Erzeugungskapazität wird He Dreiht auch der vorerst größte deutsche Offshore-Windpark werden.

Offshore-Windpark vor Zingst – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Auch wirtschaftlich läutet EnBW mit dem Projekt ein Novum für die deutsche Meereswindkraft ein. He Dreiht wird ebenso wie der im selben Jahr zur Inbetriebnahme vorgesehene Nordseewindpark Borkum Riffgrund drei Jahre ohne staatliche Förderung des Stromverkaufspreises auskommen. Bei der Ausschreibung der Bau- und Vergütungsrechte 2017 hatte die EnBW als erste Bieterin in einer deutschen Windpark-Auktion ein Null-Cent-Gebot abgegeben und dafür den Zuschlag erhalten. Der Konzern will den He-Dreiht-Strom künftig zu großen Teilen über langfristige Stromlieferverträge zu vertraglich bestimmten Preisen direkt an große Wirtschaftsunternehmen liefern. Mehr als die Hälfte der Erzeugungskapazität hat EnBW schon durch solche sogenannten PPA abgesichert. Zu Teilen werde EnBW die Einspeisung aber auch zur Versorgung der eigenen Stromkunden verbuchen oder auf Märkten für kurzfristigen Elektrizitätshandel vertreiben.

Die Turbinen für den Windpark liefert Vestas aus Dänemark. EnBW hatte im vergangenen Jahr nach Erhalt der Genehmigung und nach einer anschließenden offiziellen Investitionsentscheidung die 15-Megawatt-Windturbinen vom Typ V236-15 MW bestellt. Damit entsteht in dem Nordsee-Windfeld der Südwestdeutschen der weltweit erste kommerzielle Windpark mit Anlagen dieser Nennleistung. Der Offshore-Windpark Nordseecluster von RWE und Northland Power soll ab 2027 mit V236-Vestasanlagen 1,6 Gigawatt Nennleistung ans Netz bringen. RWE entwickelt aktuell auch das britische Offshore-Windkraftfeld Norfolk Boreas, das ebenso mit den 15-MW-Vestasanlagen 2027 in Betrieb gehen soll.

Der Baufahrplan des Unternehmens muss nun mehrere logistische Herausforderungen bewältigen: Zu Spitzenzeiten werden demnach bis zu 500 Mitarbeitende und insgesamt werden mehr als 60 Schiffe im Einsatz sein. Bis in den Sommer hinein sollen die beauftragten Teams alle Fundamente in Gestalt von 9,2 Meter breiten und 70 Meter langen Stahlzylinderpfählen in den Seeboden treiben. Auf diese Monopiles setzen die Bauschiffe dann sogenannte Transition Pieces, Übergangsadapter, um die Windturbinentürme aufzusetzen. Auch noch in diesem Jahr werden dann wohl die Kabelverlegungen folgen. Ab dem Frühjahr 2025 sind die Turbinenerrichtungen mitsamt Inbetriebnahmen vorgesehen.

Eine wirtschaftlich lukrative Vermarktung des Windparks sieht das EnBW-Management als gesichert an. Wie im Offshore-Windenergie-Geschäft international üblich hat EnBW die Investitionskosten von 2,4 Milliarden Euro mit anderen Investoren geteilt. 49,9 Prozent der Anteile an He Dreiht besitzt ein Partnerkonsortium aus den Finanz- und Investmentunternehmen Allianz Capital Partners, AIP und Norges Bank Investment Management. Die 2017 bei der Ausschreibung zugrunde gelegten eigenen Annahmen über die Entwicklung der Preise hätten sich erfüllt. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Investitionsentscheidung mit Preisen oder Kosten von 2023 habe die Wirtschaftlichkeit bestätigt. EnBW werde mit weiterhin vorhandenen Interessenten an der He-Dreiht-Erzeugung über mögliche PPA verhandeln, wolle aber auf jeden Fall auch Strom für die eigenen Kunden sowie für den kurzfristigen Stromhandel zur Verfügung behalten. Denkbar sei sogar, sämtliche restlichen nicht für die eigene Kundenversorgung genutzten Megawatt über den Stromhandel zu vertreiben, „es sei denn wir schmieden weitere PPA, was nicht auszuschließen ist“, so Stamatelopoulos.

Sorge über die im Stromhandel aktuell wieder stark fallenden Preise mache sich die EnBW-Führung im Hinblick auf die PPA hingegen nicht: Es gebe immer mehr Unternehmen, die „die Dekarbonisierung wirklich ernst nehmen, zu einem bestimmten Zeitpunkt klimaneutral sein wollen, und für die PPA ein sehr gutes Instrument dafür ist“, sagte Stamatelopoulos. Die Nachfrage habe inzwischen eine hohe Dynamik entwickelt.

Die Wertschöpfung der Windparkerrichtung wird gemäß den Angaben aus Stuttgart fast komplett in Europa verbleiben. Alle jetzt schon beauftragten Zulieferer kommen aus Belgien, Dänemark, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien. In Deutschland speziell findet die Produktion der Monopiles statt.

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