Grüner Zement: Wie KI eine der größten CO2-Quellen der Welt verändern könnte

Zement gilt als Klimaproblem. Doch eine Studie aus der Schweiz zeigt, wie sich seine Herstellung mithilfe von KI gezielt verbessern lässt: Statt Emissionen in Kauf zu nehmen, lassen sich neue Rezepturen mit weniger CO2 entwickeln, ohne an Stabilität zu verlieren. Wie Digitalisierung das Bauen weltweit verändern könnte.

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Ohne Beton geht es nicht. Doch Zement verursacht mehr CO2-Emissionen als der weltweite Flugverkehr. Foto von Scott Blake

Die Herstellung von Zement zählt zu den klimaschädlichsten Industrieprozessen überhaupt. Acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen laut Internationaler Energieagentur auf das Konto der Zementindustrie. Schweizer Forschende am Paul Scherrer Institut (PSI) haben ein Verfahren entwickelt, das Hoffnung macht: Mit Hilfe künstlicher Intelligenz konnten sie Zementrezepturen identifizieren, die deutlich weniger CO2 ausstoßen, dabei aber genauso stabil und verlässlich sein sollen wie herkömmlicher Beton.
Zement wird aus Kalkstein hergestellt, der in rotglühenden Öfen zu Klinker gebrannt wird. Und zwar bei Temperaturen von über 1.400 Grad. Allein dieser energieintensive Prozess verursacht große Mengen CO2. Doch selbst wenn die Öfen mit klimafreundlicher Energie betrieben würden, bliebe ein zentrales Problem: Der Kalkstein selbst enthält Kohlendioxid, das beim Erhitzen chemisch freigesetzt wird. Der größte Teil der Emissionen ist also stofflich bedingt und lässt sich nicht einfach vermeiden.
Eine mögliche Lösung: den Klinkeranteil in der Mischung senken. Schon heute werden dafür Sekundärstoffe wie Hüttensand aus der Stahlproduktion oder Flugasche aus der Kohleverbrennung eingesetzt. Also Materialien mit zementähnlichen Eigenschaften, die die Festigkeit des Betons sichern können. Doch genau die Stoffe mit den benötigten Eigenschaften stehen nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung – denn die Industrien, aus denen sie stammen, wie Kohlekraftwerke und Hochofenstahl, werden zunehmend zurückgebaut. Damit fehlen auch die Nebenprodukte wie Flugasche und Hüttensand, die bislang als Ersatzstoffe dienten.

Die Forscher:innen am PSI gingen jedoch einen neuen Weg. Statt Tausende Rezepturen im Labor zu testen, nutzten sie ein neuronales Netzwerk. Trainiert mit thermodynamischen Daten, konnte es in Millisekunden vorhersagen, wie sich bestimmte Mischungen beim Aushärten verhalten und wie viel CO2 sie verursachen. Das Modell lernte, die mechanischen Eigenschaften des Zements aus der Zusammensetzung zu berechnen. Anschließend stellten die Forschenden die Frage um: Nicht mehr „Wie ist die Wirkung dieser Mischung?“, sondern: „Welche Mischung erfüllt ein bestimmtes Ziel?“ Gesucht wurde also eine Rezeptur, die möglichst stabil ist und zugleich möglichst wenig CO2 freisetzt.
Die Ergebnisse sind vielversprechend. Einige der vorgeschlagenen Mischungen könnten den CO2-Ausstoß erheblich senken und dabei industriell umsetzbar bleiben. Noch müssen diese „grünen Rezepte“ im Labor geprüft werden. Doch die Arbeit gilt schon jetzt als ein wichtiger Machbarkeitsnachweis: Die Klimabilanz eines der meistgenutzten Baustoffe der Welt lässt sich verbessern, ohne die Bauqualität zu gefährden.

Die Hoffnung der Forschenden: Dass sich das Verfahren weiter skalieren und auch auf andere Materialien übertragen lässt. Zement ist kein exotischer Sonderfall, sondern die Grundlage moderner Infrastruktur. Wenn seine Rezeptur durch digitale Modellierung und mathematische Optimierung klimafreundlicher wird, betrifft das nicht ein einzelnes Produkt, sondern das Bauen weltweit.

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