Die EU nimmt ein ambitioniertes Zwischenziel ins Klimagesetz auf. Doch sie lässt Hintertürchen offen: internationale Gutschriften und ein um ein Jahr verschobener CO2-Preis für Verkehr und Gebäude.

Die Gletscher schmelzen weiter. Die EU setzt angesichts der Klimakrise auf Rechtsverbindlichkeit. Foto: Joshua Woroniecki
Am 10. Dezember 2025 einigten sich der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament auf eine Verschärfung des europäischen Klimagesetzes. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 sinken. Damit schreibt die EU einen rechtlich verbindlichen Pfad zur Klimaneutralität bis 2050 fest.
Das Zwischenziel für 2040 liegt zwischen dem bereits geltenden Ziel einer Reduktion um 55 Prozent bis 2030 und der vollständigen Klimaneutralität bis 2050. Die 90 Prozent beziehen sich auf die Netto-Emissionen, also Emissionen abzüglich natürlicher und technischer CO2-Quellen. Faktisch bedeutet das ein inländisches Reduktionsziel von 85 Prozent, ergänzt durch bis zu fünf Prozentpunkte aus hochwertigen internationalen Emissionsgutschriften. Diese können ab 2036 angerechnet werden und müssen mit dem Pariser Abkommen kompatibel sein.
Die Europäische Kommission wird den Fortschritt künftig alle zwei Jahre überprüfen. Dabei werden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, technologische Entwicklungen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU berücksichtigt. Zudem sieht die Einigung eine Verschiebung des geplanten Emissionshandelssystems ETS2 vor: Der Start wird von 2027 auf 2028 verschoben. ETS2 soll künftig CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Gebäuden und im Straßenverkehr bepreisen. Wirtschaftssektoren, die bislang nicht oder nur teilweise vom bestehenden Emissionshandel erfasst werden.
Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Polen stimmten gegen den Beschluss, Belgien und Bulgarien enthielten sich. Der wissenschaftliche Beirat der EU hatte ursprünglich sogar eine Reduktion von 95 Prozent empfohlen. Also deutlich ambitionierter als die nun beschlossenen 85 Prozent. Umweltorganisationen wie Carbon Market Watch kritisierten die Anrechenbarkeit internationaler Gutschriften als Schlupfloch, das die tatsächliche Transformation in Europa verlangsamen könnte.
Dazu gibt es Rückendeckung aus der Wirtschaft: Mehr als 150 Unternehmen und Investoren wie die Allianz, Unilever, Iberdrola und Schneider Electric setzen sich in einem offenen Brief für das 90-Prozent-Ziel ein. Deutschland, dessen neue Koalitionsregierung klimapolitisch umstritten ist, unterstützte das Ziel offiziell. Allerdings bleibt es fraglich, wie viel politisches Kapital die Bundesregierung tatsächlich in die Realisierung der EU-Klimapolitik investiert. Denn innenpolitisch setzt die Bundesregierung stärker auf kurzfristig wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit.
Die formale Annahme durch Parlament und Rat steht noch aus. Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU tritt das geänderte Klimagesetz 20 Tage später in Kraft. Damit wird das 2040-Ziel dann offiziell und vollständig rechtsverbindlich und zum Maßstab für alle künftigen Energie-, Verkehrs- und Industriepolitiken der EU.
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