Erste Wasserstoff-Pipeline Deutschlands geht in Betrieb

Während über Wasserstoff-Strategien noch debattiert wird, fließt das Gas bereits: 400 Kilometer Pipeline von der Ostsee bis Sachsen-Anhalt sind seit Dezember in Betrieb.

Wasserstoff-Rohr 'H2 inside'-Graffiti

Ein Rohr auf der FLOW-Baustelle, ein Hinweis fürs Bild: Seit Dezember läuft die 400 Kilometer lange Leitung von der Ostsee bis Sachsen-Anhalt mit Wasserstoff. Foto: GASCADE

Deutschland hat im Dezember 2025 einen Meilenstein beim Aufbau seiner Wasserstoff-Infrastruktur erreicht: Der Fernleitungsnetzbetreiber GASCADE hat erstmals eine großvolumige Pipeline mit Wasserstoff befüllt. Die 400 Kilometer lange Leitung verbindet Lubmin an der Ostseeküste mit Sachsen-Anhalt und durchquert dabei Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Die Strecke ist Teil des FLOW-Projekts, das die Europäische Kommission als „Project of Common Interest“ eingestuft hat. Dieser Status erleichtert den Zugang zu EU-Fördermitteln. Langfristig soll eine Nord-Süd-Achse von 1.630 Kilometern entstehen, die Rostock über Berlin, Leipzig und Erfurt mit Stuttgart verbindet. Die Einspeisungskapazität liegt nach Angaben von GASCADE bei bis zu 20 Gigawatt.

Bemerkenswert ist die Bauweise: Rund zwei Drittel der Infrastruktur bestehen aus umgerüsteten Erdgasleitungen, lediglich ein Drittel wurde neu errichtet. Dieses Prinzip der Umwidmung prägt auch den weiteren Ausbau des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes. Die Bundesnetzagentur genehmigte am 22. Oktober 2024 den gemeinsamen Netzausbauplan der Fernleitungsnetzbetreiber und schuf damit den formalen Rahmen für das Gesamtvorhaben. Christoph von dem Bussche, Geschäftsführer von GASCADE, sieht in der bereitstehenden Infrastruktur ein Signal an den Markt: „Jetzt haben Produzenten und Abnehmer die notwendige Planungssicherheit für ihre Investitionen.“

Parallel zur FLOW-Pipeline entwickeln GASCADE und ONTRAS Gastransport das Projekt „doing hydrogen“ – ein regionales Startnetz von 475 Kilometern für Ostdeutschland. Es soll Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin verbinden und 2026 den Betrieb aufnehmen. Das Vorhaben ist als Kandidat für das europäische Förderprogramm IPCEI gelistet. Ralph Bahke, Geschäftsführer von ONTRAS, verwies auf den Austausch zwischen beiden Projekten, um Synergien zu nutzen. Das übergeordnete Wasserstoff-Kernnetz für Deutschland soll insgesamt rund 9.000 Kilometer umfassen. Es verbindet geplante Importkorridore aus dem Nord- und Ostseeraum mit industriellen Verbrauchszentren in West- und Süddeutschland. Die Strategie setzt darauf, dass Wasserstoff künftig sowohl aus heimischer Produktion als auch aus Importen – etwa aus Skandinavien oder Nordafrika – stammen wird.

Ob die Infrastruktur rechtzeitig gefüllt werden kann, bleibt offen. Die tatsächliche Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff hinkt dem Leitungsbau hinterher. Branchenbeobachter weisen darauf hin, dass Elektrolyseur-Kapazitäten in Deutschland bislang hinter den Ankündigungen zurückbleiben. Die Inbetriebnahme der ersten Strecke markiert dennoch den Übergang von der Planungs- zur Umsetzungsphase der deutschen Wasserstoffwirtschaft.

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