Wie weiter mit der Energiewende?

Energiewende – wohin?

„Ein Jahr nach der Energiewende – zur Zukunft der Energieversorgung in Deutschland“ – Unter diesem Motto diskutierten der ehemalige Bundesumweltminister Prof. Klaus Töpfer, der CEO der Innogy GmbH, Prof. Fritz Vahrenholt, der 1. Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Prof. Hubert Weiger, und der ehemalige Vorstandsvorsitzende der EnBW, Prof. Utz Claassen, bei den 16. Benediktbeurer Gesprächen der Allianz Umweltstiftung über die Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende.

Euphorie verflogen

„Die anfängliche Euphorie ist verflogen, Worte und Taten liegen weit auseinander, die Energiewende droht im Tagesgeschäft unterzugehen.“ So beschrieb Prof. Dieter Stolte, Kuratoriumsvorsitzender der Allianz Umweltstiftung, bei seiner Begrüßung die Lage im Jahr Eins nach der Energiewende. Ob und wie „die größte industriepolitische Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“ dennoch gemeistert werden kann, sollte bei den Benediktbeurer Gesprächen der Allianz Umweltstiftung diskutiert werden. Über 400 Gäste waren dazu am 4. Mai in den Allianz Saal des Klosters Benedikbeuern nach Oberbayern gereist, wo die Stiftung zum 16. Mal zu ihrem jährlich stattfindenden Symposium in die alt-ehrwürdigen Klostermauern geladen hatte.

Jetzt handeln

Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz Umweltstiftung, attestierte der Energiewende bei seiner Einführung in das Symposium einen schleppenden Start. Die Energiepolitik drohe auf allen Feldern zu scheitern. Deshalb dürfe es kein „weiter so“ geben. Jeder Bürger und jede Institution sei aufgerufen, lieb gewonnene Gewohnheiten aufzugeben und stattdessen neu zu denken und vor allem zu handeln, „nicht irgendwann, sondern jetzt,“ so Spandau. Dann könne die Energiewende gelingen, einen Innovationsschub auslösen und die Exportkraft von Umwelttechnologie aus Deutschland weiter stärken.

Von Tschernobyl bis zur Energiewende

Als erster Referent erinnerte Prof. Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister und Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen sowie Co-Vorsitzender der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung, an die mehr als 20-jährige Vorgeschichte von Atomausstieg und Energiewende.

Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 sei ein Atomausstieg mangels Alternativen noch illusorisch gewesen. In der Folgezeit habe man dann in die Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien investiert und Deutschland so zum Technologieführer bei der Nutzung von Wind- und Sonnenenergie gemacht. Der 2001 zwischen der damaligen Bundesregierung und den großen Energieversorgern vereinbarte Atomausstieg sei deshalb „nicht vollständig visionär“ gewesen. Und das im Mai 2011 vom Bundestag beschlossene Gesetzespaket zur Energiewende sei nach Stand der Dinge ambitioniert, aber durchaus machbar.

Allerdings, so Prof. Töpfer mit Blick auf seine Zeit als Bundesumweltminister, sei die bestehende Ministerialbürokratie zur Umsetzung der Energiewende kaum geeignet. Deshalb forderte er, die Energiewende als industriell gemanagtes Projekt zu begreifen. „Die Energiewende muss ein Business Case werden“, so Töpfer.

Auf dünnem Eis

Ein eher düsteres Bild zeichnete Prof. Fritz Vahrenholt, CEO der RWE Innogy GmbH und ehemaliger Hamburger Umweltsenator: Mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz, Verzögerungen beim Ausbau der Pumpspeicherkapazität oder dem Neubau von Gaskraftwerken – in vielen Bereichen hinke die Umsetzung der Energiewende den Zielen hinterher.

Zudem fänden Deutschland und Europa mit ihren ambitionierten Zielen zur Reduktion der CO2-Emissionen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien weltweit keine Nachahmer. Die Förderung der Erneuerbaren Energien führe vielmehr zu einer Erhöhung der Energiekosten und damit zu Nachteilen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Da wandern wir auf dünnem Eis,“ meint Vahrenholt und warnt vor einer überhasteten, von Angst getriebenen Energiepolitik. Stattdessen plädierte er für einen vernünftigen Umbau unseres Energiesystems.<

Gewaltiger Schritt nach vorne

Eine gänzlich andere Bilanz der bisherigen Energiewende zog Prof. Hubert Weiger, 1. Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland. Die letzten 12 Monate seien ein gewaltiger Schritt nach vorne gewesen. Deutschland habe Solarstrom nach Frankreich exportiert, die Strompreise hätten sich nicht erhöht und Blackouts habe es nicht gegeben. „Wir können mehr, als wir glauben,“ so Weiger. Allerdings benötige die Energiewende verlässliche Rahmenbedingungen. Die Kürzung der Solarförderung habe hier viel Vertrauen verspielt.

Ein Bereich sei bisher noch zu kurz gekommen: das Stromsparen. Hier könnten ohne Verzicht und nur durch eine Änderung des Nutzerverhaltens Einsparungen von bis zu 10 Prozent erreicht werden. Für die dazu notwendige Information der Verbraucher präsentierte Weiger auch einen Vorschlag: Energiespartipps statt Börsennachrichten im Fernsehen! Denn Aktien besäßen nur die wenigsten, vom Energiesparen aber profitiere jeder.

Für die weitere Ausgestaltung forderte Weiger eine stärkere Information und Beteiligung der Bürger. „Die Energiewende kann nur mit und durch die Bürger gelingen,“ sagte er mit Blick auf die zahlreichen Bürgerwindparks, Bürgersolaranlagen und stromautarken Kommunen. Der Konflikt zwischen Naturschutz und Energiewende entstehe im übrigen vor allem durch so genannte „Investorenplanung“. Gute Planung, so Weiger, ermögliche hingegen den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Energiewendeankündigung

Prof. Utz Claassen, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der EnBW AG, sprach statt von „Energiewende“ lieber von „Energiewendeankündigung“. Denn die bisherigen politischen Beschlüsse seien „Ankündigungs- und keine Umsetzungspolitik.“ Zudem könne bisher noch nicht empirisch belegt werden, ob die formulierten Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien und Stromnetze tatsächlich erreichbar sind. Dies sei aber eine wichtige Voraussetzung für Investitionen seitens der Energiewirtschaft.

Bei der Ausgestaltung der Energiepolitik und Formulierung der Ziele empfahl Claassen den Blick über den nationalen Tellerrand auf die weltweit zu erwartende Energienachfrage, hier vor allem auf das aufstrebende China. Würden die chinesischen Bürger genauso viel Strom verbrauchen wie die deutschen, müssten in China 2000 Kraftwerke mit einer Leistung von jeweils 500 MW gebaut werden – mit entsprechenden Auswirkungen auf die weltweiten CO2-Emissionen. Obwohl also weltweit mit eher steigenden CO2-Emissionen zu rechnen sei, könne, solle und müsse Deutschland in Sachen solare und erneuerbare Energiewelt vorausgehen.

Zur Umsetzung der Energiewende hält Claassen ein nationales Energieministerium für notwendig und zu den Auswirkungen der Energiewende auf die Energiewirtschaft erwartet er einen verstärkten Wettbewerb um Kunden. Innovation sei hierbei der Schlüssel zum Erfolg.

Keine unbezahlbaren Strompreise zu befürchten<

In der abschließenden Diskussion standen vor allem die Kosten der Energiewende für Wirtschaft und Verbraucher im Vordergrund. Während Claassen einen gesellschaftlichen Konsens über deren Bandbreite forderte, stellte Vahrenholt klar, dass eine Erhöhung der Stromkosten um 20 Prozent für die deutsche Industrie nicht tragbar wäre. Das Mentekel „unbezahlbare Preise für den Endverbraucher“ ist aber nach Ansicht der Experten nicht zu befürchten.

Zwischen Skepsis und Bewunderung

„Die Energiewende wird von der ganzen Welt beobachtet und die Beobachter pendeln zwischen Skepsis und Bewunderung,“ resümierte Stiftungsvorstand Spandau am Ende der Diskussion. Das Pendel in Richtung Bewunderung ausschlagen zu lassen, sei nun Aufgabe von Politik, Wirtschaft und Bevölkerung.

Zusammenhänge zwischen Energieerzeugung und dem Rückgang von Tierarten

Offiziell begonnen hatten die Benediktbeurer Gespräche bereits am 03.05.2012. In einem Vortrag während der traditionellen abendlichen Festveranstaltung hatte Dr. Christof Schenck, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, die globalen Zusammenhänge zwischen Energieerzeugung und dem Rückgang von Tierarten aufgezeigt. Demnach gingen jedes Jahr zahlreiche Tierarten für immer verloren, weil Holz, Palmöl oder seltene Rohstoffe für die Weltindustrie ab- bzw. angebaut würden.

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