Kraftwerk Erde

200 TERAWATT LEISTUNG BRINGT FOTOSYNTHESE WELTWEIT

Nach Kleidons Erkenntnis kann die Menschheit also die Gesamtleistung des Erdsystems nachhaltig steigern, wenn sie Sonnenenergie intelligent nutzt. Sie könnte so die Erde regelrecht bewirtschaften und eine Revolution wie durch die Erfindung des Ackerbaus einläuten. Das Leben selbst tut dies bereits seit vielen Millionen Jahren – und zwar massiv. Das verraten die Zahlen in Kleidons Leistungsschau. Die Fotosynthese bringt es im globalen Erdsystem auf eine gigantische Leistung von mehr als 200 Terawatt. Das ist grob viermal so viel wie der Beitrag der Erdwärme und mehr als zwölfmal so viel wie unser globaler Konsum an Primärenergie.

Vom Weltraum aus gesehen verrät sich diese Produktivität des Lebens nicht nur in der Grünfärbung von Landstrichen. Auch die relativ kleinräumigen Wolkenformationen seien letztlich ein deutlicher Fingerabdruck pflanzlicher Aktivität auf der Erde, gibt Kleidon zu bedenken. Urwälder wie der Amazonas etwa beeinflussen massiv das lokale Wetter und damit die Wolkenstrukturen in einem recht eng umgrenzten Gebiet, wie es selbst der Amazonas im globalen Maßstab darstellt.

MIT TIEFEN WURZELN KÜHLEN PFLANZEN DAS KLIMA STÄRKER

Die Vegetation des Amazonas brachte Kleidon sogar zu seinem Forschungsgebiet. „Auf der Südhalbkugel gibt es in den Tropen eine ausgeprägte Trockenzeit“, erklärt er. Und doch wird es im Amazonasbecken nie so heiß, wie es die Klimamodelle zu Kleidons Zeit als Doktorand fälschlicherweise errechneten. Ein Artikel im Fachblatt NATURE über die tiefen Wurzeln der Urwaldbäume im Amazonas brachte Kleidon auf eine Idee, wo der Fehler liegen könnte. Er entwarf ein „geerdetes“ Klimamodell, das die Wurzelsysteme der Bäume berücksichtigte.

Tief reichende Wurzeln erlauben es den Pflanzen, in der Trockenzeit mehr von dem Wasserüberschuss anzuzapfen, der aus der Regenzeit im Boden gespeichert ist. So können die Bäume auch in der Trockenzeit viel Wasser verdampfen. Tatsächlich simulierte das neue Modell nun ein viel kühleres Klima, das der Realität im Amazonas nahe kam. „Der Effekt war gewaltig“, freut sich Kleidon noch heute.

Als Ergebnis dieser pflanzlichen Aktivität entstehen über solchen Urwäldern regelrechte Wolkenpilze, etwa Gewitterzellen. Auf Venus und Mars fehlen solche scharf abgegrenzten Wolkenstrukturen. Außerirdische Astronomen könnten das pralle Leben auf dem Raumschiff Erde also an vielen Indizien dingfest machen.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

  • Auf der Erde werden verschiedene Formen der Energie ständig ineinander umgewandelt.
  • Dabei gibt unser Planet genauso viel Energie in Form von Strahlung ab, wie er aufnimmt.
  • Die Entropie der abgegebenen Strahlung ist wesentlich größer als die der aufgenommenen.
  • Denn die Erde strahlt in alle Richtungen Wärme ab und sendet viel mehr Lichtquanten aus, als sie empfängt; die Energie der einzelnen Lichtquanten ist dafür niedriger.
  • Vom Wind über Land lassen sich nur etwa fünf Terawatt ohne gravierende Nebeneffektenutzen – das entspricht einem Zehntel der verfügbaren Windenergie und einem knappen Drittel des derzeitigen Bedarfs der Menschheit an Primärenergie.
  • Sonnenenergie kann den Energiebedarf der Menschheit decken, Solarkraftwerke werden jedoch sinnvollerweise in Wüsten errichtet, wo keine Pflanzen die Lichtenergie bereits nutzen.