Altmaier muss handeln

Ziemlich genau fielen im August 2012 zwei Daten zusammen: Das Ende der üblichen 100-Tage-Frist¹ für den neuen Umweltminister Altmaier („Überraschend guter Start! Jetzt Bremser der Energiewende stoppen“, twitterte der BUND) und der Tag der Ökologischen Überschuldung am 22. August 2012. Das heißt: Mit Ablauf dieses Tages sind die Ressourcen, die dem Menschen eigentlich für das gesamte Jahr 2012 zur Verfügung standen, verbraucht worden – in weniger als neun Monaten. Das Global Footprint Network in Oakland berechnet jedes Jahr den Earth Overshoot Day auf Basis des ökologischen Fußabdruckes. Und dieser Tag kommt jedes Jahr früher: Fiel er 1992 noch auf den 21. Oktober, rückte das Datum 2002 schon auf den 3. Oktober vor. Laut Jürgen Knirsch von Greenpeace sind wir seit Anfang der 70er Jahre überschuldet – bereits “seit damals hat die Biokapazität nicht mehr ausgereicht, um unseren Fußabdruck zu decken.” Wenn alle soviel verbrauchten wie wir Deutsche, müssten  wir zweieinhalb Erdkugeln haben. Mögen notorisch Gestrige oder kirchliche Rechte über den Klimawandel streiten: dieses Datum ist wissenschaftlich abgesichert und nicht zu erschüttern – und es hat eben auch etwas mit steigendem Energieverbrauch und wachsendem CO2-Ausstoß zu tun. Vier „F“ nennt Knirsch als notwendig zur Abhilfe: Weniger “Fliegen”, weniger Auto-”Fahren”, weniger “Fleisch”, das vierte F kommt von “Wohnen wie im Fass” – also energetisch optimiertes Wohnen. Ein weiteres F wie “Forderungen” richtet sich an die Politiker. Sie müssen  als Vorbilder für nachhaltigen Konsum vorangehen, in der öffentlichen Beschaffung wie in den gesetzlichen Vorgaben für nachhaltigen Wettbewerb. Altmaier muss handeln.

¹Ursprung des Begriffs sind die 100 Tage zwischen dem 1. März und dem 18. Juni 1815 zwischen Napoleons Rückkehr aus dem Exil und seiner endgültigen Niederlage bei Waterloo, wobei der Kaiser von seinen Gegnern bekanntlich nicht geschont wurde. Erst mit US-Präsident Franklin D. Roosevelt verwandelte sich der historische Bewährungszeitraum von 100 Tagen in eine „Schonfrist“ von drei Monaten, die es seiner Ansicht nach dauern würde, bis der Erfolg seiner radikalen Wirtschaftsreformen („New Deal“) die damit verbundenen Zumutungen überstrahle. Seitdem  eine Art Faustregel aus dem Redaktionsleben der Presseorgane, ist die 100-Tage-Frist zum Allgemeingut geworden und im politischen Tagesgeschehen verankert. Vom informellen Waffenstillstand zwischen Medien und Mächtigen ist heute nicht viel mehr übrig.->Quelle: nach taz