Energiewende als „Generationenvertrag“

Ökonomie der Vermeidung oder der Entgrenzung?

Wie zukunftsoffen ist die Energiewende? Nehmen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft die politischen Beschlüsse der Bundesregierung (2010) ernst, muss die Antwort lauten: Im Hinblick auf die grundlegenden ökologischen und technischen Langfristziele der Energiewende existiert nur ein begrenzter Zielkorridor; insofern besteht auf der langfristigen Projektionsebene weitgehende Zukunftsgewissheit über die für angemessenen Klima- und Ressourcenschutz notwendigen Ziele, die in zahlreichen Szenarien seit Jahren immer besser begründet wurden (Hennicke / Welfens 2012). Große Zukunftsoffenheit besteht dagegen für die Mittel und die institutionellen Voraussetzungen des gesellschaftlichen Suchprozess („die große Transformation“), ob und wie diese Ziele erreichbar sind.

Auf dem Weg zu den Zielen gibt es zweifellos auf der Angebotsseite der Energiewende viele Klippen, die zu umschiffen sind:

  • Dämpfung des Strompreisanstiegs,
  • Systemintegration schnell anwachsender fluktuierender Stromeinspeisung aus Sonne und Wind,
  • ausreichende Anreize für Netzausbau und für Kapazitätsvorhaltung
  • sowie die Balance von Dezentralität (soweit wie wirtschaftlich möglich?) und Zentralität (soweit wie noch nötig?)

sind nur einige Themen. Der Ruf nach Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist inzwischen öffentliches Mantra. Repräsentanten aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sind hierbei engagierte „Stakeholder“ und mediale Aufmerksamkeit ist garantiert. Vieles ist dabei hochkontrovers, aber die Notwendigkeit staatlicher Steuerung des ökologischen Strukturwandels ist hinsichtlich der Energieangebotsseite unstrittig.

Ganz anders hinsichtlich der oft unsichtbaren, aber noch weniger gelösten Probleme bei der Reduktion der Nachfrageseite bei der Umsetzung der Energiewende. Energiesparen kann man nicht anfassen, sondern nur an Millionen von Geräten messen. Beim Energiesparen leuchtet keine Fotovoltaik von Dach und Hauswand, sondern es reduziert eine hocheffiziente „Faktor Fünf“-Heizungspumpe unsichtbar und scheinbar unspektakulär im Keller den Stromverbrauch und die Kosten.

Eine Vielzahl von technik- und akteursspezifischen Hemmnissen und zigtausend Anbieter von Effizienztechniken (Geschäftsfelder großer Konzerne bis hin zu einer Vielzahl innovativer Mittelständler) begrenzen die Marktübersicht. Wie Millionen von Nachfragern (Unternehmen, Haushalte, öffentliche Beschaffung) eine rationale Auswahl über energieeffiziente Prozesstechniken, Geräte, Gebäude, Fahrzeuge etc. treffen können, ist somit keine einfache mit traditioneller Markttheorie zu beantwortende Frage. Aufgrund der beschriebenen Komplexität ist Marktversagen auf Märkten für Energieeffizienztechniken nicht die Ausnahme sondern die Regel.

Sowohl beim Stromsektor und spätestens bei Einbeziehung des Verkehrs- und Wärmesektors stellt sich daher die Grundsatzfrage für die Energiewende: Kann und muss das Energiesparen mindestens so strategisch gesteuert werden wie der ökologische Strukturwandel beim Stromangebot? Die Antwort ist eindeutig „Ja“. Denn nur dann ist die Energiewende wirtschafts- und sozialverträglich umsetzbar.

Nach dem Zielsystem der Bundesregierung, sollen im Jahr 2050 beim Energiebedarf im Gebäudesektor 80 Prozent und im Verkehrssektor 40 Prozent gegenüber dem heutigen Stand eingespart werden und gleichzeitig das Energieangebot möglichst vollständig grün werden – zweifelllos eine Jahrhundertaufgabe, die nicht mit dem Denken des 20. Jahrhundert lösbar ist! Bisher herrschte noch eine „Ökonomie der Entgrenzung“, eine scheinbare Schrankenlosigkeit und Wachstumsfixierung. Zukünftig geht es um eine „Ökonomie des Vermeidens“, um gute und gerechtere Lebensverhältnisse innerhalb ökologischer Leitplanken („planetary boundaries“).