Energiewende als „Generationenvertrag“

Das deutsche Verwirrspiel um die EU-Energieeffizienzrichtlinie

Wer schon das EEG als „Planwirtschaft“ (Minister Rösler) bezeichnet, wird umso mehr gegen verbindliche Energieeffizienzziele ankämpfen. Leider wurde die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED 2012), auch durch die Intervention der Bundesregierung, nahezu bis zur Unwirksamkeit verwässert: Im Gegensatz zum Umweltministerium wollte das Wirtschaftsministerium vor allem die verbindlichen Vorgaben für Energieunternehmen verhindern, jährlich 1,5 Prozent Endenergie einzusparen. Nicht zuletzt wegen des deutschen Verwirrspiels zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium wurde die Effizienzrichtlinie überkomplex und ist zu einem unnötigen Bürokratiemonster mit 66 Erwägungspunkten, 45 Definitionen und 40 Seiten (Artikel, Paragraphen inkl. zahlreicher Ausweichregelungen, Anlagen) verkommen, das Heerscharen von Juristen beschäftigen wird. Dennoch gibt es einen Fortschritt: Verbindliche Verpflichtungen auch für EVU sind nach EED 2012 nun eine europaweit mögliche Einsparoption.

Denn im Hintergrund schwelt ein grundlegender Konflikt: Zwischen den Verkaufsinteressen von Energieanbietern und nationalen wie individuellen Energiesparinteressen besteht ein natürlicher Widerspruch. Wenn er nicht durch neue Anreizsysteme auch für EVU und mutige Regulierung abgebaut wird, werden die EVUs zwar erneuerbare Energien voranbringen, aber ohne generelle Verpflichtungsregelung strategische Energiesparprogramme – aus Gründen der Sicherung ihrer Absatzchancen – unterlaufen wo immer möglich. Das gilt auch für Stadtwerke, obwohl sie sich bei diesem Konflikt moderater verhalten als die Stromkonzerne.

Eine ambitionierte Umsetzungsstrategie für Energieeffizienz verlangt Verbindlichkeit und feste Rahmensetzungen für einen Markt für Energiedienstleistungen, der auch Energieanbieter dazu verpflichtet und Anreize dafür schafft, kosteneffektive Einsparpotentiale beim Energiekunden selbst oder durch Dritte zu erschließen. Die Programmkosten der verpflichteten EVU können dabei wettbewerbsneutral z.B. in den Durchleitungsgebühren weitergegeben werden („cost recovery“). Die Überwälzungsrate liegt durchschnittlich mit etwa 0,2 cts/kWh im marginalen Bereich (vgl. Thomas/ Irrek 2006).

Als Beispiele für EVU verpflichtende Energiesparprogramme kann auf europäische Länder (z.B. England, Dänemark, Italien, Frankreich) und auf 24 wohl schwerlich „planwirtschaftliche“ amerikanische Bundesstaaten verwiesen werden. Auch der regionale Enercity Fonds proKlima in Hannover arbeitet erfolgreich auf Grundlage einer Umlage.

Energiesparen ist für Verbraucher meist günstiger als Energie zu kaufen

Die positiven wirtschaftlichen Konsequenzen solcher Verpflichtungsregelungen sind für Deutschland vielfach nachgewiesen: Eine Umlage zur (Vor-)Finanzierung von Energiesparprogrammen ist im Vergleich zur Umlagefinanzierung des EEG moderat: Mit der genannten Umlage von weniger als 0,2 ct/kWh auf Strom- und Gaserlöse kann z.B. ein gesamtwirtschaftlicher Fonds von gut 1,5 Mrd. € pro Jahr zur Finanzierung von Energiesparprogrammen und zum Hemmnisabbau finanziert werden. Durch die Energiesparprogramme sinkt für die Verbraucher die Energiekostenrechnung. Das Wuppertal Institut hat nachgewiesen, dass in Deutschland 144 TWh Strom (fast die gesamte ehemalige Atomstromproduktion) wirtschaftlich eingespart werden können (vgl. Thomas / Irrek 2006; WI / IZES / BEA 2011).

Um die gewaltigen volkswirtschaftlichen Vorteile einer konsequenten Energiesparpolitik zu realisieren, sind radikales Umdenken und eine institutionelle Innovationen notwendig. Die personellen Kapazitäten für Energiesparpolitik in allen Ministerien sind beklagenswert gering. Das derzeitige Mandat der Deutschen Energie-Agentur (Dena) und von regionalen Energieagenturen sind zur Wahrnehmung der notwendigen Prozessverantwortlichkeit unzureichend.

Was daraus folgt: Eine von Energieanbieterinteressen unabhängige bundesweite Effizienzagentur muss als „ehrlicher Makler und Koordinator“ für den zu etablierenden Markt für Energiedienstleistungen aufgebaut werden – mit ausreichender Personalkapazität und einem jährlichen Milliardenbudget für Anreizprogramme. Diese Agentur entwickelt, schreibt aus, koordiniert und evaluiert Einsparprogramme für eine Vielzahl von Marktakteuren, z.B. für EVUs und für Contracting-Firmen bis hin zu Consultants, Ingenieurbüros und regionalen Energiesparagenturen.