DIW-Berlin: „3 % des BIP investieren!“

Energiewende kostet nach DIW-Schätzung von 2014 bis 2020 31 bis 38 Mrd. – Investitionsmangel kostet Deutschland 0,6 Prozentpunkte mögliches Wachstum – DIW Berlin schlägt Investitionsagenda vor – Investitionslücke von rund 75 Milliarden Euro im Jahr – Potentialwachstum könnte auf 1,6 Prozent steigen – Finanzieller Spielraum ist da

Deutschland entgehen durch fehlende Investitionen jedes Jahr Wachstumschancen in Höhe von mindestens 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das haben Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) errechnet. Die Berliner Wirtschaftsforscher plädieren deshalb für eine Investitionsagenda von zusätzlichen staatlichen und privaten Investitionen in Höhe von drei Prozent des BIP oder rund 75 Milliarden Euro im Jahr. Die Notwendigkeit für zusätzliche Investitionen sehen die Forscher beispielsweise in den Bereichen Energie, Verkehrsinfrastruktur und Bildung.

„Die deutsche Wirtschaft steht längst nicht so gut da, wie viele derzeit denken. Seit 1999 hat Deutschland einen Investitionsrückstand von rund einer Billion Euro aufgebaut und dadurch erhebliche Wachstumschancen verpasst. Wir gefährden damit die Zukunft Deutschlands als Wirtschaftsstandort und die Nachhaltigkeit unserer Wettbewerbsfähigkeit“, erklärt DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Die Investitionslücke muss geschlossen werden. Der gegenwärtige Zeitpunkt ist richtig dafür, der finanzielle Spielraum ist da.“

Deutsche Investitionsquote eine der niedrigsten weltweit

Die deutsche Investitionsquote zählt zu den niedrigsten weltweit. Allein um den Durchschnitt des Euroraums zu erreichen, wären jedes Jahr zusätzliche Investitionen in Höhe von rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts notwendig. Das DIW Berlin schätzt den Investitionsbedarf nach eigenen Berechnungen auf rund 75 Milliarden Euro jährlich. Trotzdem zeigt sich Deutschland kurz vor der Bundestagswahl 2013 hoch zufrieden mit seiner wirtschaftlichen Situation, ist zu Recht stolz auf die gute Lage am Arbeitsmarkt, sein anziehendes Wirtschaftswachstum und darauf, so gut wie kein anderes Land in Europa durch die Krise gekommen zu sein.

Seit 1999: Deutsche Investoren verloren 400 Mrd. durch Fehlanlagen im Ausland

Betrachtet man allerdings die Entwicklung seit 1999, gibt es viel weniger Anlass zur Freude: Die Wirtschaft ist weniger kräftig gewachsen als im europäischen Durchschnitt, die Reallöhne sind heute kaum höher als 1999, das Staatsvermögen ist geschrumpft. In vielen Bereichen ist Deutschland hinter andere europäische Volkswirtschaften zurückgefallen. Deutlich überdurchschnittlich ist die Sparquote mit aktuell fast 24 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Aber deutsche Ersparnisse wurden zu großen Teilen nicht im Inland investiert, sondern im Ausland – häufig mit Verlust: Seit 1999 haben deutsche Investoren rund 400 Milliarden Euro durch Fehlanlagen im Ausland verloren. Das Geld, das im Ausland verschwindet, fehlt im Inland für Investitionen.

Wachstumspotential könnte auf 1,6 Prozent des BIP steigen – Spielraum vorhanden

„Wenn wir die Substanz und die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft auch für künftige Generationen sichern, ein gesundes Wachstum und damit auch künftige Einkommenssteigerungen ermöglichen wollen, brauchen wir deutlich höhere Investitionen“, so Fratzscher. Sollte es gelingen, die Investitionslücke von drei Prozent des BIP in den kommenden Jahren zu schließen, würde das mittelfristig zu einem höheren Wachstumspotential führen: Es könnte im Jahr 2017 bei 1,6 Prozent liegen; 0,6 Prozentpunkte höher als bei anhaltend niedrigen Investitionen. Das würde auch helfen, die Staatsschulden zu reduzieren.

Schon heute hat der Staat Spielraum, seine Investitionen zu erhöhen. Trotz schwachen Wirtschaftswachstums wurde im vergangenen Jahr erstmals ein kleiner Überschuss erzielt, bis zum Jahr 2017 soll er auf rund 28 Milliarden Euro jährlich steigen. „Gleichzeitig sind die Finanzierungskosten für den Staat derzeit niedrig wie nie. Das verschafft Handlungsmöglichkeiten, ohne die Einnahmen- oder Ausgabenseite zwingend ändern zu müssen“, so die Einschätzung der Berliner Wirtschaftsforscher. Auch die Schuldenbremse ändere daran nichts.