Steinmeier warnt vor falschen Hoffnungen auf Fracking

Schiefergas kein Problemlöser

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat angesichts wachsender Sorgen um infolge der Sanktionen gegen Russland unsicher werdende Gaslieferungen vor allzu großen Hoffnungen auf das sogenannte Shale Gas gewarnt: „Niemand macht sich vor, dass wir das Problem schnell lösen können, etwa mit ein paar Millionen Litern Shale Gas aus Ohio“, sagte Steinmeier am 28.05.2014 beim Energy Security Summit 2014 in Berlin. Denn das Problem der Versorgungssicherheit sei „nicht in 14 Tagen oder auch zwei Jahren zu lösen“. Auch seien aus Katar kaum schnelle zusätzliche Gaslieferungen zu erwarten, die seien ziemlich ausgebucht. Schiefergas werde „nicht viel zur Lösung der aktuellen Krise beitragen“.  Also müsse Europa stärker in Energieeffizienz investieren.

Steinmeier rief Europa zur Geschlossenheit auf, wichtig sei die Schaffung des europäischen Energiebinnenmarkts, der Energie-Union – die bedeute nicht Einkaufskartelle oder gar Staatswirtschaft. Polens Ministerpräsident Tusk hatte zuvor gefordert, nach dem Vorbild der Bankenunion auch eine Energieunion zu schaffen. „Wir haben keinen echten Gasmarkt, daran sollten wir arbeiten“, schloss sich der polnische Umweltminister Maciej Grabowski dem beim „Energy Security Summit an. Dabei sei das Thema Sicherheit weitaus wichtiger als bisher.

Nobert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Bundestags-Ausschusses und früherer Bundesumweltminister, bezeichnete das als „richtig“. Ein europäischer Gasmarkt sei schon im Entstehen. „Aber der Markt allein wird nicht für Sicherheit sorgen“, sagte Röttgen. Europa müsse sich auch um die Energiesicherheit und die Versorgungsstruktur der Ukraine kümmern. Denn Russland wolle durch „Destabilisierung und Chaotisierung der Ukraine den russischen Machteinfluss realisieren“.

Steinmeier diagnostizierte: „Je größer die Abhängigkeit vom Gas aus Russland, desto größer ist im Augenblick die politische Nervosität“,  und nannte als Beispiele die baltischen Staaten, die zu 100 Prozent von russischem Gas abhängig seien. „Wer allerdings Energiepolitik als Kampf gegen den Klimawandel sieht, zur Senkung von Treibhausgasen, wird die Schiefergas-Revolution ambivalent betrachten“ – nicht ambivalent sei dagegen die Unvermeidbarkeit der Technologiewende in der Energieversorgungssicherheit.

Wolfgang Ischinger, gemeinsam mit Günther Nonnenmacher (FAZ) Organisator der Konferenz, im Interview des Berliner info-radios (mit Oliver Rehlinger): „Aus einer seit vielen Monaten geplanten Konferenz über Energiesicherheit (ist) jetzt eine Konferenz insbesondere über Energiesicherheit Europas und… die Krise um die Ukraine geworden. Ich glaube, man muss das als Gesamtpaket sehen. Hier geht es um den Preis und den Umfang der Gasrechnung. Es geht aber auch um die Frage: Wie gehen Ukraine und Russland mit den Separatisten oder Rebellen um? Und es geht schlussendlich um die Frage: Was ist die internationale Gemeinschaft im Stande, für die marode und hilfebedürftige ukrainische Wirtschaft zu tun?…“
Frage: Was würde passieren, wenn Russland den Gashahn zudrehen würde?
Antwort: „Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, halten wir alle für gering. Selbst in Zeiten des Kalten Kriegs ist das in dieser Form so nie passiert. Ich glaube, das russische Interesse ist es nicht, den Ast abzuschneiden, auf dem man selbst sitzt. Aber können wir den russischen politischen Hebel, der da zumindest theoretisch existiert, etwas verringern? Die Antwort lautet: kurzfristig eher nein, mittelfristig natürlich ja. Diversifizierung der Versorgung, das muss das Ziel sein für die ganze EU. Das ist ja nicht ein deutsches Problem, sondern es ist ein Problem der EU. Und das ist natürlich in der Tat eine große Verwundbarkeit.“
Frage: Ein großes Thema der Konferenz… ist die sogenannte Schiefer-Revolution in den USA…, Fracking… Wäre das auch für Europa ein Weg zu mehr Unabhängigkeit bei der Energieversorgung?
Antwort: „Nach Expertenaussagen ja… Klar ist eins: Die Energieabhängigkeit der USA wird sich dramatisch verringern. Damit verringert sich die Verwundbarkeit der USA. Damit ergeben sich auch Folgen auf die Notwendigkeit der USA, sich strategisch abzusichern durch teure Kriegsschiffe in allen möglichen Ozeanen dieser Welt, die jedenfalls für die Versorgung der USA nicht mehr nötig sind.Welche Auswirkungen hat das beispielsweise auf die chinesische Marine? Wird die weiter ausschwärmen, um den Zugang für maritime Energietransporte nach China zu sichern? Welche Auswirkungen hat das auf die ganze Sicherheitsarchitektur im Nahen und Mittleren Osten? Hier geht es also nicht nur um ein rein energiewirtschaftliches Thema. Sondern es geht auch um geostrategische Auswirkungen…(nach BPA-Verschriftlichung)

An der Veranstaltung nahmen rund 150 Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus dem In- und Ausland teil. Unter den Gästen waren EU-Kommissar Günther Oettinger, Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie der US-Sonderbeauftragte für Energiefragen, Carlos Pascual.
->Quelle(n): faz-forum.com/security; faz.net;