Energiewende digital:
Strom künftig (fast) umsonst

Energie wird in hohem Maße selbst produziert

Rund 4.400 Megawatt neue Stromerzeugungskapazität sind deutschlandweit derzeit im Bau oder in Genehmigungsverfahren. Bis 2020 möchten die Stadtwerke in Deutschland davon einen Marktanteil von 20 Prozent auf sich vereinigen. Möglich machen ihre Aufholjagd viele kleinteilige Lösungen und eine vielversprechende Technologie, die die zahlreichen Mini-Kraftwerke verbindet.

Hierzulande sind mittlerweile 800 Stadtwerke im Energiemanagement tätig. Und derzeit werden rund ein Dutzend virtuelle Kraftwerke von verschiedenen Unternehmen betrieben. Mit ihrer regionalen Verankerung und ihrem Ansehen in der Bevölkerung sind sie prädestiniert, die Dezentralisierung der Energieerzeugung so zu koordinieren, dass alle Marktteilnehmer einen möglichst großen Vorteil aus den erneuerbaren Energiequellen oder der Kraft-Wärme-Kopplung ziehen.

Die gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft: die Industriegiganten beginnen sich auf den digitalen Nachhaltigkeitskapitalismus einzustellen. Siemens hat unbestritten eine große Tradition im Kraftwerksbau. Die Division „Smart Grid” konnte mit dem dezentralen Energiemanagementsystem DEMS mittlerweile eine Voraussetzung zur Errichtung virtueller Kraftwerke schaffen.

Zur Messe E-World 2014 stellte das Unternehmen mit seinem DEMS-Portal einen cloud-basierten Webservice für virtuelle Kraftwerke vor. Dieser digitale Logistikdienst versetzt Stadtwerke und kleinere Energieversorgungsunternehmen in die Lage, dezentrale Energieressourcen ihrer Kunden zusammenzuschalten und die gebündelte Leistung einem größeren virtuellen Kraftwerk zur Vermarktung anzubieten.

Siemens hat sich auf den Weg in die digitale Nachhaltigkeitsgesellschaft gemacht und ist schon heute mit 17.000 Digital-Ingenieuren eines der größten Softwarehäuser der Welt.

Zukunftsmärkte in der Null-Margen-Ökonomie

Aber wo werden wir stattdessen das Geld verdienen? Zum Beispiel mit der Entwicklung von immer energieeffizienteren Häusern und Fabriken. Die Berater von McKinsey haben ausgerechnet, dass amerikanische Daten-Zentren nur sechs bis zwölf Prozent der Energie tatsächlich für den Betrieb der Server aufwenden. Der überwiegende restliche Energieaufwand geht in das Gebäude-Management. Auch hier können wir zukünftig von enormen Einsparpotenzialen ausgehen. Freuen wir uns auf die Innovationen, die uns auf diesem Sektor bevorstehen.

Wer sich zukunftsfähig aufstellen möchte, der unterstützt Unternehmen, Staat und Gesellschaft jetzt dabei, energieautark zu werden. Ich habe in einer früheren Kolumne darauf aufmerksam gemacht, dass in den USA gerade ein beispielloser Boom bei den Erneuerbaren Energien stattfindet. In den vergangenen zwei Jahren hat sich dort der Preis für Strom aus Sonnenenergie halbiert. In den kommenden Jahren wird er sich ein weiteres Mal halbieren.

Große Unternehmen wie WalMart haben einen gigantischen Energiebedarf und setzen jetzt konsequent auf Solarenergie.  Erstens weil es schlicht und einfach günstiger ist und zweitens weil sich das Unternehmen allmählich unabhängig machen möchte von den Energieversorgern (Stichwort: Dezentralisierung).

Auch hier beginnt die Null-Margen-Ökonomie zu greifen: Stadtwerke zwischen New York City und San Francisco müssen sich mittelfristig darauf einstellen, dass sie mit dem Energiemonster WalMart kein Geld mehr verdienen können.

Tatsächlich ist der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, dabei, an seiner eigenen Produktivität zu scheitern. Oder besser gesagt: er steuert im kommenden Jahrzehnt in nahezu allen Sektoren auf eine radikale Transformation zu. Die Hyperproduktivität (Rifkin spricht von „Extreme Productivity“), die unsere Welt gerade durch Digitalisierung und Innovationssprünge bei CleanTech und beim „Internet der Dinge“ verändern, markiert auf vielen Schlüsselmärkten (Auto, Energie, Telekommunikation, werbefinanzierte Medien) das Ende der großen Gewinnspannen.

Rifkin geht davon aus, dass wir deutlich früher als 2040 weltweit 80 Prozent unserer Energie auf erneuerbarer Basis gewinnen. Und was ich an dieser Stelle vor einiger Zeit noch für ausgeschlossen gehalten habe, dass für die Solarenergie Moore’s Law ebenfalls zutrifft, rückt jetzt in den Bereich des Möglichen.

Nach Moore’s Law verdoppelt sich die Rechenleistung von Prozessoren etwa alle 18 Monate, während der Preis für die Rechnerleistung gleich bleibt. Richard Swanson, der Gründer des Solarunternehmens SunPower, geht davon aus, dass der Preis von Photovoltaik in den kommenden Jahren regelmäßig um 20 Prozent sinkt, während sich die Leistung der Solarenergie dabei verdoppelt.