Pflanzen als Klimafaktor

Landökosysteme speichern 2800 Milliarden Tonnen Kohlenstoff

Um die Prognosen zu verbessern, bestimmte das Team um Reichstein und seinen Kollegen Nuno Carvalhais die so genannte Umsatz- oder Verweildauer („Turnover Time“) von Kohlenstoff-Atomen in unterschiedlichen Ökosystemen und Klimazonen – also den Zeitraum, der von der Aufnahme eines Atoms durch die Photosynthese bis zur erneuten Freisetzung vergeht. Dafür kalkulierten die Forscher zunächst die Kohlenstoff-Menge, die global in Landpflanzen und Böden gespeichert ist. Sie führten drei umfangreiche Datensätze zusammen, um den Kohlenstoffgehalt pro Quadratmeter weltweit mit einer Auflösung von 0,5 Grad geografischer Breite und Länge zu bestimmen. Erstmals erfassten die Forscher dabei den gesamten Kohlenstoffgehalt der Böden – und nicht nur die Menge im obersten Meter des Untergrundes, wie bisherige Studien. „Wir haben den Datensatz verbessert und erhalten so ein vollständigeres Bild“, betont Reichstein.

Der Studie zufolge speichern die Landökosysteme etwa 2800 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – etwa 400 Milliarden Tonnen mehr als bisherige Untersuchungen ergeben hatten. Der Zuwachs ist vor allem auf ein Plus an organischer Materie in den Böden zurückzuführen. „Auch andere Studien haben kürzlich gezeigt, dass die Böden mehr Kohlenstoff enthalten, während oberirdisch eher weniger gespeichert ist als gedacht“, so Reichstein. Die größten Kohlenstoff-Speicher sind die Tropenwälder, gefolgt von den Wäldern im hohen Norden.

Oberhalb 75 Grad Breite bleibt C 255 Jahre im Boden

Die Forscher fanden zudem heraus, dass es im weltweiten Durchschnitt 23 Jahre lang dauert, bis ein Kohlenstoff-Atom, das durch die Photosynthese in einer Pflanze fixiert wurde, wieder zu Kohlendioxid wird. Die Analyse der Jenaer Forscher und ihrer Kollegen zeigt erstmals, wie die Verweildauer in verschiedenen Gegenden der Erde variiert. Am schnellsten gelangt der Kohlenstoff in Tropenwäldern und Savannen wieder in die Atmosphäre – im Schnitt nach 14 beziehungsweise 16 Jahren. In der arktischen Tundra dauert es dagegen etwa 65 Jahre, und in borealen Wäldern immerhin noch 53 Jahre, bis das Ökosystem ein einmal aufgenommenes Kohlenstoff-Atom wieder freigibt. Oberhalb von 75 Grad nördlicher Breite liegt die durchschnittliche Verweildauer gar bei 255 Jahren.

In warmen und feuchten Ökosystem verrottet Biomasse schneller

Wie erwartet, ist der Wert stark von der Temperatur abhängig: Je wärmer es ist, desto schneller zersetzt sich tote Biomasse. Doch als ebenso wichtig dafür, wie rasch der Kohlenstoff in einem Ökosystem umgesetzt wird, erwies sich der Niederschlag. Die Analysen der Forscher zeigen, dass die Verweildauer des Kohlenstoffs bei höherem Niederschlag sinkt. „Das ist durchaus plausibel, weil die Mikroorganismen, die beim Verrotten von Pflanzen eine Rolle spielen, Wasser für ihre Arbeit brauchen. In einer Wüste dauert es viel länger als im Regenwald, bis sich eine tote Pflanze zersetzt“, sagt Reichstein. Doch berücksichtigt wurde dieser Zusammenhang in globalen Klimamodellen bislang nicht gut genug. „Darauf muss in Zukunft ein stärkeres Augenmerk gelegt werden“, fordert der Jenaer Forscher.

Einen unerwarteten Zusammenhang zeigte die Studie bei den Savannen auf: Auch in den tropischen Grasländern nimmt die Verweildauer des Kohlenstoffs ab, je mehr Niederschlag fällt. Das ist allerdings unerwartet, da dort bei größerer Feuchtigkeit mehr Bäume wachsen. „Da Holz langlebig ist, würde man eigentlich erwarten, dass der Kohlenstoff dann länger im System bleibt“, sagt Reichstein. Eine mögliche Erklärung für das scheinbare Paradox besteht darin, dass es bei dichterem Baumbestand häufiger Feuer gibt, die den Kohlenstoff schneller wieder freisetzen.

Die Ergebnisse der Studie sollen dabei helfen, globale Klimamodelle zu verbessern. In welche Richtung sich Klimaprognosen durch die präzisere Kohlenstoff-Bilanzierung verändern werden, lässt sich derzeit aber noch nicht abschätzen. „Die eigentliche Neuigkeit unserer Arbeit sind die Karten der Kohlenstoff-Verteilung und der Verweilzeiten“, betont Markus Reichstein. „So ähnlich wie Astrophysiker, die eine fremde Welt entdecken, haben auch wir ein neues Bild unseres Planeten erhalten – nur eben unter der Oberfläche.“ (UK)

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