Arbeitsplätze contra Klimaschutz?

Als Umweltminister stand Sigmar Gabriel auf der Seite des Klimaschutzes und der Umwelt – medienwirksam ließ er sich vor sieben Jahren in herzlichem Einvernehmen mit Amtsvorvorgängerin Merkel vor grönländischen Gletschern ablichten. Als Wirtschafts/Energieminister und Parteivorsitzender steht er nun auf der Seite der Arbeitsplätze. Parteien kennen nur zwei Währungen: Parteispenden und Wählerstimmen – beides ist wichtig zum Machterwerb oder -erhalt. Gerät eines oder gar beide in Gefahr, versuchen Politiker hektisch, diese Gefahr zu bannen – meistens durch Umdenken oder -steuern. So kommen Arbeitsplätze in Konkurrenz zum Klimaschutz.
Schon während der Koalitionsverhandlungen war ein Un-Papier aus der RWE-Chefetage an die Öffentlichkeit gedrungen: Darin wurde die Schließung des Braunkohletagebaus Garzweiler II für 2018 erwogen; dass damit 10.000 Arbeitsplätze wegfielen, stand auch drin. RWE ließ das Gerücht zwei Tage schmoren, dann sammelte der Stromriese es wieder ein. Doch im Koalitionsvertrag steht die Kohle an prominenter Stelle. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.
Deutschland wird sein CO2-Ziel (minus 40% gegenüber 1990 bis 2020) verfehlen, wenn nicht harte Maßnahmen getroffen werden. Denn die CO2-Emissionen sind in den vergangenen drei Jahren gestiegen statt gefallen. Der Grund: zunehmender Einsatz veralteter Braunkohlekraftwerke, weil Kohlestrom wegen der spottbilligen Zertifikate konkurrenzlos wenig kostet. Denn es sind zu viele Zertifikate auf dem Markt, doch die Verknappung (Backloading) wird in Brüssel auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Fünf deutsche Dreckschleudern rangieren deshalb unter den Top Ten der EU – Rekord im CO2-Medaillenspiegel.
Umwelt-Staatssekretär Flasbarth konstatierte kürzlich: „Die Industrielobby hat bei der Einführung des Emissionshandels Aufweichungen durchgesetzt. Jetzt werden die Folgen sichtbar – das System wirkt nicht. Und nun sagt die Industrie: Der Staat darf seine Fehler von damals nicht korrigieren, er muss doch verlässlich bleiben. Ich finde diese Argumentation etwas bizarr.“
Die Diskussion um die Stilllegung von Kohlekraftwerken, ob die Zertifikate dann abwandern oder nicht, ob woanders dafür CO2 emittiert wird oder nicht, ob dadurch bei uns Arbeitsplätze noch ein paar Jahre erhalten werden oder nicht, ist kurzsichtig (Kanzler Schröder sagte 2003 in Neuhardenberg, man müsse Hartz-IV machen, auch wenn der Erfolg jenseits der nächsten Wahl liege – das war staatsmännisch), und sie lenkt ab vom Thema: Wir müssen aufhören, Klimaschutz gegen Arbeitsplätze auszuspielen. Wir müssen jetzt (und nicht irgendwann) das CO2 so verteuern, dass Kohlestrom unrentabel wird (das sagt Gabriel zwar auch, aber hier vergisst er die Auswirkung auf die Arbeitsplätze – merkwürdig!). Wir müssen endlich CO2-Grenzwerte für Kohle- (und andere) Kraftwerke oder für die erzeugte Kilowattstunde (mit Ausnahme des Atomstroms aus anderen, bekannten Gründen) einführen. Ob das nun mit Brüssel schwierig wird, oder nicht – bei der Maut geht es ja auch. -Gerhard Hofmann-