Enterhaken und Stacheldraht aus Treibhausgas

Ungewöhnliches mikrobielles Leben in der Tiefe: In Schwefelquellen entdeckter Einzeller könnte für [[CO2]]-Kreislauf wichtig sein

Das mikrobielle Leben in der Tiefe liefert einen wichtigen Beitrag zu biogeochemischen Vorgängen verschiedenster Ökosysteme. Ein Fenster in den Untergrund stellen tiefe Süßwasserquellen dar, die Mikroorganismen nach oben transportieren. Neben Bakterien finden sich darin auch sogenannte Archaeen. Diese Mikroorganismen bilden eine eigene Domäne des Lebens. Ein internationales Team Forschender hat nun die Biologie eines bislang unkultivierten Archaeons untersucht und fand heraus, dass es Kohlendioxid verbraucht und damit zur [[CO2]]-Bilanz der Erde beiträgt. Wissenschaftler der Universität Wien analysierten dessen Genom und seinen Stoffwechsel.

Mikrobielle Gemeinschaften in der Tiefe sind im Allgemeinen schwer zugänglich, so dass diese „dunkle Materie“ weitestgehend unentdeckt bleibt. Die dort gefundenen Archaeen unterscheiden sich in ihren Eigenschaften, z.B. im molekularen Aufbau und der Zellstruktur, deutlich von bakteriellen Mikroben.

Ein Team der Universität Regensburg (Christine Moissl-Eichinger, Foto, derzeit MedUni Graz) und der UC Berkeley, USA, in enger Kooperation mit Forschenden in Wien, Paris, Bremen, Freiburg und München haben die Biologie eines bislang unkultivierten Archaeons aus Tiefenwasser genauer studiert und in Nature Communications veröffentlicht.

100 einzigartige Zelloberflächenanhängsel

Dieser Mikroorganismus (Namensvorschlag: „Candidatus Altiarchaeum hamiconexum“) wird in Form von Biofilmen an die Oberfläche von kalten Schwefelquellen in der Gegend um Regensburg und in den USA angespült. Mit modernsten molekularen Analysemethoden (Metagenomik, Transkriptomik, isotopen-basierte Lipidomik) verbunden mit ultrastrukturellen Untersuchungen boten sich den Wissenschaftlern faszinierende Einblicke in das neuartige Archaeon. Der Mikroorganismus besitzt einen besonderen Stoffwechsel, eine für Archaeen ungewöhnliche Doppelmembran, und etwa 100 einzigartige Zelloberflächenanhängsel, die er zur Anheftung an Oberflächen und anderen Zellen verwendet. Diese fädigen Gebilde zeigen eine ungewöhnliche Struktur: das stacheldrahtartige Filament trägt einen winzigen Enterhaken am Ende (Durchmesser ca. 60 nm).

Genom erfasst

Als weiteres Highlight neben der Ultrastruktur wurde auch das Genom dieses ungewöhnlichen Mikroorganismus erfasst und analysiert. Die dafür notwendigen aufwändigen Computeranalysen wurden in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe um Thomas Rattei vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien durchgeführt. „Genomforschung von Mikroorganismen direkt aus Umweltproben ist wie ein gigantisches Puzzle“, so Thomas Rattei über die Rolle der Bioinformatik in diesem Projekt. „Zunächst mussten wir herausfinden, welche Bestandteile des Erbguts im Biofilm zu diesem Archaeons gehören. Erst dann konnten wir seine Bedeutung analysieren und seinen Stoffwechsel vorhersagen.“

Zellkohlenstoff ausschließlich aus Kohlendioxid

Besonders interessante Stoffwechseleigenschaften untersuchte die Arbeitsgruppe um Michael Wagner, ebenfalls vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien, mit Hilfe des Nano-Sekundärionen-Massenspektrometers (NANOsims). „Wir konnten nachweisen,  dass das Archaeon seinen Zellkohlenstoff ausschließlich aus Kohlendioxid bezieht. Somit ist das Archaeon vermutlich ein wichtiger Verbraucher dieses Treibhausgases in der Tiefe und trägt so zur [[CO2]]-Bilanz des Ökosystems Erde bei“, erklärt Michael Wagner.

Durch eine Kombination aus verschiedenen ungewöhnlichen Eigenschaften verschafft sich „Candidatus Altiarchaeum hamiconexum“ also einen außerordentlichen Standortvorteil und kann somit seine Biotope auf eine bislang unbeschriebene Art und Weise dominieren.

Publikation in Nature Communications:
Thomas Rattei, Michael Wagner et al: Biology of a widespread uncultivated archaeon that contributes to carbon fixation in the subsurface. Nature Communications. November 26, 2014.
DOI: 10.1038/ncomm6497

->weitere Quellen: