EU legt TTIP-Konsultations-Ergebnisse zu ISDS vor

Malmström: „Äußerste Skepsis gegenüber dem Instrument der ISDS“ – Bereits 1.400 Abkommen abgeschlossen

Die EU-Kommission veröffentlichte am 07.01.2015 die Ergebnisse ihrer europaweiten Konsultation zum Investitionsschutz und zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat (investor-to-state dispute settlement, ISDS) im Rahmen der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP). Dazu waren rund 150.000 Beiträge ausgewertet worden. Das BMWi teilte mit, die endgültige Entscheidung über die Einbeziehung von Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP werde „erst nach Abschluss der Verhandlungen und Prüfung des Verhandlungsergebnisses getroffen“.

Anti-TTIP- und Ceta-Demo – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die Kommission hatte die Meinung der Öffentlichkeit zu einem möglichen Ansatz beim Investitionsschutz und bei der Beilegung von Streitigkeiten zwischen privaten Investoren und staatlichen Stellen im Zusammenhang mit Investitionen eingeholt. Eine zentrale Frage in der Anhörung war, ob durch den von der EU für die TTIP vorgeschlagenen Ansatz das richtige Gleichgewicht zwischen zwei Anliegen hergestellt wird, nämlich dem Schutz von Investoren einerseits und der Wahrung des Rechts sowie der Fähigkeit der EU, Regelungen im öffentlichen Interesse zu erlassen, andererseits.

Der Bericht der Kommission enthält eine detaillierte Auswertung aller Antworten. Die Kommission wird das weitere Vorgehen nun mit dem Europäischen Parlament, den EU-Mitgliedstaaten und allen anderen Interessenträgern einschließlich Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen absprechen.

„Aus der Konsultation geht klar hervor, dass gegenüber dem Instrument der ISDS äußerste Skepsis herrscht“, erklärte die für Handel zuständige Kommissarin Cecilia Malmström in einer Stellungnahme.

„Müssen offene, ehrliche Diskussion über Investitionsschutz und ISDS in der TTIP führen“

„Wir müssen mit den Regierungen der EU-Länder, dem Europäischen Parlament und der Zivilgesellschaft eine offene, ehrliche Diskussion über den Investitionsschutz und die ISDS in der TTIP führen, bevor wir dazu irgendwelche politischen Empfehlungen abgeben. Dies wird das Erste sein, was wir unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Berichts unternehmen. Ich möchte auch festhalten, dass die Konsultation konstruktive Vorschläge in Bereichen ergeben hat, in denen Reformen möglich sind. Wir werden diese im Laufe des Dialogs eingehend prüfen. Außerdem müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir mit der Tatsache umgehen, dass von EU-Ländern bereits 1400 derartige bilaterale Abkommen geschlossen wurden, von denen einige bis in die fünfziger Jahre zurückreichen“, führte Frau Malmström weiter aus.

„Die meisten dieser Abkommen enthalten nicht die Art Garantien, die sich die EU vorstellt. Auch das muss bei unseren Überlegungen über eine optimale Lösung der Frage des Investitionsschutzes im Rahmen von Abkommen der EU gebührend berücksichtigt werden. Sollte es uns nicht gelingen, sie durch modernere Bestimmungen zu ersetzen, bleiben diese Klauseln nämlich in Kraft, und all die berechtigten Bedenken, die in den letzten Monaten geäußert wurden, gelten dann auch für sie“, betonte die Kommissarin.

„TTIP wird gut für Bürgerinnen und Bürger sein“

„Lassen Sie mich außerdem Folgendes klarstellen: Die TTIP, die die Europäische Kommission aushandeln und zur Ratifizierung vorlegen wird, wird ein Abkommen sein, das gut für die Bürgerinnen und Bürger, d. h. gut für Wachstum und Beschäftigung hier in Europa ist. Wir werden ein Abkommen vorlegen, durch das Europas weltweiter Einfluss gestärkt wird und das uns dabei hilft, unsere strengen Standards zu schützen. Ein Abkommen, das unsere Standards senkt oder das Regelungsrecht unserer Regierungen beschränkt, würde die Europäische Kommission niemals auch nur in Erwägung ziehen. Dazu wären auch die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament nicht bereit“, fügte Cecilia Malmström hinzu.

Einzelheiten des Berichts

In dem Konsultationsfragebogen wurde der Ansatz der EU bei den 12 Fragen zum Investitionsschutz und zur ISDS in der TTIP ausführlich erläutert. Der Ansatz baut auf den Verbesserungen auf, die die EU im bestehenden System vorzunehmen sucht. Die 12 Themen, zu denen Fragen gestellt wurden, umfassen Schutzklauseln, welche das Recht der Regierungen garantieren, Regelungen im öffentlichen Interesse zu erlassen, die volle Transparenz der ISDS-Verfahren, ethische Anforderungen an Schiedsrichter sowie eine mögliche Berufungsinstanz.

Die allermeisten Antworten, etwa 145 000 (d. h. 97 %), wurden über verschiedene Onlineplattformen von Interessengruppen übermittelt, auf denen negative Antworten vorformuliert waren. Außerdem erhielt die Kommission individuelle Antworten von über 3000 Personen und etwa 450 Organisationen, die ein breites Spektrum der Zivilgesellschaft der EU repräsentieren, darunter Nichtregierungsorganisationen, Unternehmensverbände, Gewerkschaften, Verbraucherverbände, Anwaltskanzleien und wissenschaftliche Einrichtungen. Diese Antworten gehen in der Regel ausführlicher auf den vorgeschlagenen Ansatz ein (siehe MEMO/15/3202).

Die Antworten können grob in drei Kategorien eingeteilt werden:

  1. Antworten, in denen allgemeine Ablehnung der TTIP oder allgemeine Bedenken dagegen geäußert werden;
  2. Antworten, in denen der Investitionsschutz/die ISDS im Rahmen der TTIP abgelehnt oder allgemeine Besorgnis darüber geäußert wird;
  3. Antworten mit ausführlichen Stellungnahmen zum vorgeschlagenen Ansatz der EU bei der TTIP, die ein breites, vielfältiges Meinungsspektrum widerspiegeln.

Die zahlreichen Antworten der ersten beiden Kategorien zeigen deutlich, dass die TTIP viele Bürgerinnen und Bürger in Europa mit allgemeiner Besorgnis erfüllt. Zudem sind grundsätzliche Bedenken gegen den Investitionsschutz und die ISDS weit verbreitet.

Die Antworten der dritten Kategorie enthalten spezifische Stellungnahmen zu den verschiedenen Aspekten des Ansatzes der EU und in einigen Fällen konkrete Vorschläge für zukünftige Veränderungen. Die Meinungen sind in Bezug auf praktisch alle 12 behandelten Fragen geteilt. Die eingegangenen Stellungnahmen deuten darauf hin, dass einige Bereiche für die Teilnehmer besondere Bedeutung haben, dazu gehören unter anderen:

  • der Schutz des Regelungsrechts,
  • die Einrichtung und die Funktion von Schiedsgerichten,
  • das Verhältnis zwischen der innerstaatlichen Justiz und der ISDS,
  • die Überprüfung der rechtlichen Korrektheit von Entscheidungen im Rahmen der ISDS durch einen Berufungsmechanismus.

Diese vier Arbeitsbereiche sollten näher untersucht werden.

Die weiteren Schritte

Im ersten Quartal 2015 wird die Kommission eine Reihe von Konsultationssitzungen mit den Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und verschiedenen Interessenträgern, darunter Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, Gewerkschaften sowie Verbraucher- und Umweltorganisationen abhalten, um den Investitionsschutz und die ISDS im Rahmen der TTIP auf Grundlage dieses Berichts zu erörtern. In einem ersten Schritt werden die Konsultationsergebnisse am 22. Januar dem Ausschuss für internationalen Handel (INTA-Ausschuss) des Europäischen Parlaments vorgelegt. Im Anschluss an diese Konsultationen im ersten Quartal wird die Kommission konkrete Vorschläge für die TTIP-Verhandlungen entwickeln.

Hintergrund

Die EU-Mitgliedstaaten forderten die Kommission auf, den Investitionsschutz und die ISDS in die TTIP-Verhandlungen einzubeziehen.

Diese Richtlinien für die Verhandlungen zum TTIP (bekannt als das „Mandat“, welches veröffentlicht wurde) sehen die Einbeziehung des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) vor, sofern eine Reihe von Bedingungen erfüllt ist. Damit ist klargestellt, dass die Entscheidung über die Aufnahme der ISDS in der Endphase der Verhandlungen getroffen wird.

Die Verhandlungen zum Investitionsschutz wurden ausgesetzt und werden erst wieder fortgesetzt, wenn die Kommission zu der Einschätzung gelangt ist, dass ihre neuen Vorschläge unter anderem gewährleisten, dass die Rechtsprechung der Gerichte der EU-Mitgliedstaaten durch Sonderregelungen für Streitigkeiten zwischen Investor und Staat nicht beschränkt wird.

Angesichts des großen öffentlichen Interesses am Investitionsschutz und der ISDS im Rahmen der TTIP veranstaltete die Kommission zwischen dem 27. März und dem 13. Juli 2014 eine öffentliche Konsultation. Auf diese Weise sollte Feedback zu dem vorgeschlagenen Ansatz der EU eingeholt werden; es ging dabei um die Frage, ob dieser das richtige Gleichgewicht zwischen zwei Anliegen herstellt, nämlich dem Schutz von Investoren einerseits und der Wahrung des Rechts sowie der Fähigkeit der EU und der Mitgliedstaaten, Regelungen im öffentlichen Interesse zu erlassen, andererseits. Die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat durch internationale Schiedsgerichte ist nichts Neues. Sie ist Bestandteil von über 1400 Investitionsabkommen von EU-Mitgliedstaaten. Weltweit wurden etwa 3000 Abkommen mit solchen Bestimmungen geschlossen.

Im Jahr 2009 wurde mit dem Vertrag von Lissabon die Zuständigkeit für den Investitionsschutz auf die EU übertragen. Seitdem hat die Kommission beträchtliche Anstrengungen zur Reform des bestehenden Systems zum Investitionsschutz und zur ISDS unternommen. Der vorgeschlagene Ansatz der EU unterscheidet sich erheblich von dem der ca. 3000 bestehenden Abkommen; diese enthalten traditionelle Investitionsschutz- und ISDS-Bestimmungen, von denen viele aus den sechziger, siebziger oder achtziger Jahren stammen. Die EU hat in ihre Handelsabkommen mit Kanada (CETA) und Singapur modernisierte Bestimmungen zum Investitionsschutz und zur ISDS aufgenommen. Diese sind in Bezug auf Transparenz, Fairness und Rechenschaftspflicht an den höchsten Standards ausgerichtet. Der Ansatz stützt sich auch auf die erfolgreichen Bemühungen der EU in den Vereinten Nationen, das erste System weltweiter Transparenzregeln für die ISDS im Rahmen der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) zu schaffen.

Gabriel: „Bundesregierung hat stets Transparenz und Beteiligung der Öffentlichkeit gefordert“

Bundeswirtschaftsminister Gabriel: „Die Bundesregierung hat seit Beginn der TTIP-Verhandlungen mehr Transparenz und eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit gefordert. Ich begrüße, dass die Kommission dem nachgekommen ist und die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, NGOs und alle weiteren Interessierten in einen offenen Dialog und Meinungsbildungsprozess zum Thema Investitionsschutz in TTIP einbezogen hat. Die hohe Beteiligung zeigt, dass die Konsultation von einer Vielzahl Betroffener und Interessierter als gute Möglichkeit gesehen wurde, ihre Meinung und Bedenken direkt einzubringen. Die Bundesregierung wird die Ergebnisse der Konsultation nun eingehend prüfen und dann ihre Position in die weiteren Beratungen in Brüssel einbringen.“

Das Malmström letzte Woche weitere Schritte zur besseren Transparenz der Verhandlungen angekündigt habe, bestätigt Gabriel: „Ich kann sie nur ermutigen, diesen Weg konsequent weiter zu gehen. Das Abkommen mit den USA wird positive Wirkung für Wachstum und Arbeitsplätze in beiden Regionen haben. Unsere Schutzstandards in Bereichen wie etwa Gesundheit und Ernährung, Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutz dürfen dabei nicht aufgeweicht werden. Da gibt es in den Verhandlungen nichts zu verstecken. Im Gegenteil, die Öffentlichkeit muss in einem Prozess der Vertrauensbildung von den Chancen von TTIP überzeugt werden.“

Die Kommission hatte im Frühjahr 2014 eine Konsultation zur Ausgestaltung der Bestimmungen zu Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet. Die Bundesregierung erwartet auf der Basis der Konsultationsergebnisse nun einen entsprechenden Vorschlag der EU Kommission zum Investitionsschutz, der dann Grundlage für die Beratungen der EU-Kommission mit den EU-Mitgliedstaaten über die Verhandlungsposition der EU gegenüber den USA sein wird.

->Quellen: