EuGH-Anwalt: Brennelemente-Steuer OK

Schlussantrag des Generalanwalts Maciej Szunar  vom 3. Februar 2015 (gekürzt)

Rechtssache

Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH

gegen

Hauptzollamt Osnabrück (Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Hamburg [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Regelung eines Mitgliedstaats, die eine Steuer auf Kernbrennstoffe vorsieht – Vereinbarkeit mit der nationalen Verfassung und dem Unionsrecht – Richtlinie 2003/96/EG – Art. 2 und 14 – Richtlinie 2008/118/EG – Art. 1 – Art. 107 AEUV – Art. 93 EA, 191 EA und 192 EA“

Einleitung

  1. Hindert das Unionsrecht einen Mitgliedstaat daran, eine Steuer auf die Verwendung spaltbarer Stoffe zulasten der Betreiber von Kernkraftwerken einzuführen? Das ist im Wesentlichen die Frage, die uns das Finanzgericht Hamburg (Deutschland) stellt.
  2. Diese Frage besteht aus mehreren Teilen. Sie betrifft nämlich die Bestimmungen des AEU-Vertrags, die des EAG-Vertrags und das Verhältnis zwischen diesen beiden Verträgen. Außerdem wird es erforderlich sein, das harmonisierte System der Verbrauchsteuern auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom zu analysieren.
  3. Schließlich, oder genauer gesagt, bevor ich näher auf die vorstehend skizzierten Aspekte eingehe, wird zu prüfen sein, wie sich das Vorabentscheidungsverfahren und die Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit in den Mitgliedstaaten zueinander verhalten.

Die Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH, eine Gesellschaft deutschen Rechts, ist Betreiberin eines Kernkraftwerks in Lingen (Deutschland). In einer Steuererklärung vom 13. Juli 2011 deklarierte sie einen Betrag von 154 117 745 Euro als Kernbrennstoffsteuer für den Brennstoff, den sie in ihren Reaktoren im Juni dieses Jahres verwendet hatte. Parallel dazu erhob sie außerdem beim vorlegenden Gericht Klage gegen die zuständige Steuerverwaltung, das Hauptzollamt Osnabrück, um die Rechtmäßigkeit dieser Steuer im Hinblick auf das Unionsrecht überprüfen zu lassen.

In einem Parallelverfahren, an dem ein anderer Betreiber eines Kernkraftwerks beteiligt war, legte das vorlegende Gericht dem Bundesverfassungsgericht (Deutschland) eine Frage zur Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG vor. Gemäß den zur Verfügung stehenden Informationen läuft dieses Verfahren noch.

Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stehen die zur Harmonisierung von Verbrauchsteuern und für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom in der Union erlassenen Richtlinien 2008/118 und 2003/96 der Einführung einer nationalen Steuer, die auf zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendete Kernbrennstoffe erhoben wird, entgegen? Kommt es darauf an, ob erwartet werden kann, dass die nationale Steuer über den Strompreis auf den Verbraucher abgewälzt werden kann, und was ist gegebenenfalls unter Abwälzung zu verstehen? Kann sich ein Unternehmen gegen eine Steuer, die ein Mitgliedstaat zur Erzielung von Einnahmen auf die Verwendung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom erhebt, mit dem Einwand wehren, die Erhebung der Steuer stelle eine unionsrechtswidrige Beihilfe gemäß Art. 107 AEUV dar?

Sofern die vorige Frage bejaht wird:  Stellt das KernbrStG, nach dem zur Erzielung von Einnahmen eine Steuer nur von solchen Unternehmen erhoben wird, die gewerblich Strom unter Verwendung von Kernbrennstoffen erzeugen, eine staatliche Beihilfemaßnahme im Sinne des Art. 107 AEUV dar? Welche Umstände sind bei der Prüfung beachtlich, ob sich andere Unternehmen, bei denen Steuern nicht in gleicher Weise erhoben werden, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden?  Steht die Erhebung der deutschen Kernbrennstoffsteuer im Widerspruch zu den Regelungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV)?

Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinien 2003/96 und 2008/118 der im Ausgangsverfahren streitigen Steuer entgegenstehen. Es möchte außerdem wissen, ob es die Antwort auf diese Frage berührt, ob diese Steuer auf den Verbraucher von elektrischem Strom abgewälzt werden kann oder nicht.

Folgt: Im Ergebnis bin ich der Auffassung, dass eine Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoff durch Kernkraftwerke nicht unter den Geltungsbereich der Richtlinie 2003/96 fällt, die daher der Anwendung einer solchen Steuer nicht entgegensteht