EuGH-Anwalt: Brennelemente-Steuer OK

Antwort auf die zweite Frage

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist meiner Meinung nach die zweite Frage dahin zu beantworten, dass die Richtlinien 2003/96 und 2008/118 einer auf Kernbrennstoff erhobenen Steuer, die auf die Verwendung dieses Brennstoffs zur Erzeugung von elektrischem Strom zu entrichten ist, nicht entgegenstehen.

Zur dritten Vorlagefrage – staatliche Beihilfe?

Mit seiner dritten Vorlagefrage fragt das vorlegende Gericht, ob ein der im Ausgangsverfahren streitigen Steuer unterliegender Steuerpflichtiger ihre Anwendung mit der Begründung rügen könnte, dass es sich um eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handele. Sodann möchte es wissen, ob diese Steuer tatsächlich als staatliche Beihilfe qualifiziert werden kann.

Somit ist zu antworten, dass die Tatsache, dass die im Ausgangsverfahren streitige Steuer nur von Unternehmen erhoben wird, die gewerblich elektrischen Strom unter Verwendung von Kernbrennstoff erzeugen, keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob ein Unternehmen eine solche Beihilfe rügen könnte, um die Befreiung von dieser Steuer zu verlangen.

Zur vierten Vorlagefrage

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen des EAG-Vertrags der im Ausgangsverfahren streitigen Steuer entgegenstehen.  Der Betreiber eines Kraftwerks [hat] die Wahl, entweder das besteuerte Produkt zu verwenden oder seine Tätigkeit einzustellen. Aus dieser Sicht ähnelt die streitige Steuer von ihrer Wirkung her mehr einer Steuer auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Betreibers von Kernkraftwerken als einer echten Steuer auf ein Produkt. Unter diesem Blickwinkel wirft die streitige Steuer weniger Zweifel auf, was ihre Vereinbarkeit mit den genannten Bestimmungen des EAG-Vertrags anbelangt.

Wie die deutsche Regierung in ihren Erklärungen ausgeführt hat, fällt eine Steuer, die offensichtlich eine allgemeine inländische Abgabe auf Waren darstellt und nicht an den Übertritt der Grenze des Mitgliedstaats anknüpft, der sie eingeführt hat, unter ein allgemeines inländisches Abgabensystem im Sinne von Art. 110 AEUV und stellt keine Abgabe zollgleicher Wirkung dar. Der Umstand, dass eine solche Abgabe mangels einer nationalen Produktion tatsächlich nur importierte Waren trifft, rechtfertigt es nicht, sie anstatt als innerstaatliche Abgabe als Abgabe gleicher Wirkung zu qualifizieren, sofern sie zu einem allgemeinen innerstaatlichen Abgabensystem gehört, das Waren systematisch nach objektiven Kriterien erfasst, die unabhängig von der Herkunft dieser Waren angewendet werden. Art. 110 AEUV kann jedoch nicht gegen inländische Abgaben auf eingeführte Erzeugnisse ins Feld geführt werden, wenn es an einer gleichartigen oder konkurrierenden inländischen Produktion fehlt. Insbesondere bietet er keine Stütze für eine Beanstandung des möglicherweise überhöhten Niveaus der Steuern, mit denen die Mitgliedstaaten bestimmte Erzeugnisse belegen, wenn diese Steuern keinerlei diskriminierende oder schützende Wirkung zeitigen.

Die im Ausgangsverfahren streitige Steuer, die nicht an den Grenzübertritt anknüpft, gilt unterschiedslos für alle betroffenen Güter, die im Übrigen nach Aussage der Klägerin des Ausgangsverfahrens mangels nationaler Produktion allesamt eingeführt werden. Somit müsste diese Steuer als interne Abgabe und nicht als eine Abgabe zollgleicher Wirkung beurteilt werden. Angesichts ihres nichtdiskriminierenden Charakters kann sie nicht als gegen Art. 110 AEUV verstoßend angesehen werden, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob diese Bestimmung im Bereich des EAG-Vertrags Anwendung findet. Ich bin daher der Meinung, dass die streitige Steuer nicht unter Art. 93 EA fällt.

Meiner Meinung nach ist diese Frage zwangsläufig zu verneinen. Noch einmal, die streitige Steuer trifft die Tätigkeit der Betreiber von Kernkraftwerken, nachdem diese das Recht auf Nutzung von Kernbrennstoff erworben haben. Es sind diese Betreiber, die die Steuer schulden und die Steuerlast tragen; die Gemeinschaft ist in keiner Weise betroffen.

Folgt: EAG-Vertrag steht einer Steuer auf Kernbrennstoffe nicht entgegen

[note Somit steht Art. 191 EA meiner Meinung nach der streitigen Steuer nicht entgegen. Ich bin daher der Auffassung, dass die Bestimmungen des EAG-Vertrags einer Steuer auf Kernbrennstoffe, die auf die Verwendung dieses Brennstoffs zur Erzeugung von elektrischem Strom zu entrichten ist, nicht entgegensteht.]

Nach alldem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Finanzgerichts Hamburg wie folgt zu beantworten:

  1. Ein nationales Gericht ist auch dann berechtigt, ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV einzureichen, wenn ein nationales Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des nationalen Rechts, die die Grundlage des vor diesem Gericht in Rede stehenden individuellen Rechtsakts bilden, im Gang ist.
  2. Die Richtlinien 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom und 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG stehen einer auf Kernbrennstoff erhobenen Steuer, die auf die Verwendung dieses Brennstoffs zur Erzeugung von elektrischem Strom zu entrichten ist, nicht entgegen.
  3. Die Tatsache, dass eine solche Steuer nur von Unternehmen erhoben wird, die gewerblich elektrischen Strom unter Verwendung von Kernbrennstoff erzeugen, stellt keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob ein Unternehmen eine solche Beihilfe rügen könnte, um die Befreiung von dieser Steuer zu verlangen.
  4. Die Bestimmungen des EAG-Vertrags stehen einer solchen Steuer auch nicht entgegen.

(Aktenzeichen: C-5/14)

->Quellen: