„Gottgegeben und totgeschwiegen“

Inzwischen ist das Thema aus dem Interesse der Medien verschwunden, oder?

Ab Beschluss der EEG-Novelle im August 2014 spielte das Thema Strompreis und Energiearmut in den Medien dann plötzlich überhaupt keine Rolle mehr – abgesehen von den vernachlässigbaren 0,07 Cent/kWh Preissenkung, die Gabriel allen Ernstes einer Novelle, die gerade mal vor einigen Wochen in Kraft getreten war, zuschrieb, statt einem EEG-Konto, das zuvor zu dick gefüllt worden war. Für die Verbraucher hat sich auf ihrer Stromrechnung nicht wirklich etwas geändert. Das Thema scheint aber offensichtlich nicht mehr relevant zu sein. Jetzt, wo das Ruder bei den erneuerbaren Energien durch die EEG-Novelle 2014 und das Ausschreibungsmodell an große Energiekonzerne übergegangen ist.

Während hingegen – abgesehen von einer kurzen Zeitdauer von einigen Monaten 2011 nach der Reaktorkatastrophe – fast die gesamten vier Jahre hindurch, als die Energiewende noch maßgeblich durch Bürgerhand vorangetrieben wurde, der Anschein erweckt wurde, das ganze Land stehe aufgrund der Strompreise vor der unmittelbaren Verelendung und es gebe keine wichtigeren Themen für Deutschland als die Strompreise, die unbezahlbare Energiewende und eine explodierende EEG-Umlage.

Diese Beobachtungen werfen Fragen auf – zum Teil sind sie schon beantwortet. Die aggressive Plakat- und Anzeigenaktion ab September 2012 „EEG stoppen“, sowie die Zuspitzung der Debatte um die Veröffentlichung der EEG-Umlage 2013 als Wahlkampfthema zur Bundestagswahl und Vorbereitung zur EEG-Novelle 2014 und dem Ausschreibungsmodell wurde von der Agentur „serviceplan public opinion“ durchgeführt. Auftragsziel: Abschaffung EEG, Ablösung durch ein Quoten-/Ausschreibungsmodell.

Was lernt die Regenerativszene aus diesen Ereignissen?

Es reicht nicht, sich bestens mit den regelungstechnischen Finessen des MPP-Trackings, der Eigenverbrauchsoptimierung durch Lastmanagement oder Strömungsbeiwerten von Windrotorflügeln auszukennen. Wer in der Erneuerbare-Energien-Branche tätig ist, muss sich auch damit beschäftigen, was das für eine Branche ist, in der er tätig ist. Hier muss viel umfassender gedacht werden und sich klar gemacht werden, welche politische Dimension das Ganze hat.

Folgende Fragen müssen gestellt werden: Welche Bedeutung hat Energie in unserer Welt? Was umfasst die Energiebranche? Wer sind die Marktakteure, Wem schwinden Marktanteile? Durch wen oder was? Bewirke ich durch meine Tätigkeit einen Strukturwandel? Gibt es Interessenskonflikte? Gibt es Besitzstandsbemühungen? Gibt es Gewinner der Energiewende durch das EEG, gibt es Verlierer? Gab es bereits Versuche, den Strukturwandel zu verhindern? Über welche Wege? Mit wessen Unterstützung? Mit welchen Mitteln? Welche Kommunikation findet statt? Welche Widersprüche gibt es?

Es wäre bestimmt hilfreich gewesen, neben VDE-Normen auch zum Beispiel den „Energethischen Imperativ“ von Herrmann Scheer gut zu kennen, über den rein technischen und ökonomischen Tellerrand hinauszublicken und die Hintergründe und Angriffe auf diesen dezentralen Strukturwandel zu begreifen.

Ist die Branche zu unpolitisch?

Die Photovoltaikbranche erlebte ich lange Zeit als überwiegend unpolitisch oder auch unzureichend informiert über Hintergründe zum EEG. Das mag auch daran liegen, dass diese Branche durch das schnelle Wachstum in kurzer Zeit zum beträchtlichen Teil aus Neu- und Quereinsteigern bestand und die Pioniere, die aus energiepolitischen Gründen und als Überzeugungstäter mit diesem Berufsfeld begonnen hatten, eine eher seltene Rarität waren. Wer von Beginn an in dieser Branche war, noch vor EEG-Zeiten, wusste, wie sehr die Erneuerbaren und vor allem das EEG von Beginn an bekämpft wurden. Wer während des PV-Zenits in die PV-Branche kam, wusste das hingegen nicht. Für dessen Wahrnehmung war das EEG schon immer da, eine Selbstverständlichkeit, die niemals beendet werden würde. Man ließ sich beschäftigen mit etlichen Kürzungsrunden und drehte sich ausschließlich um die eigene Vergütungshöhenachse, während unbemerkt bereits Vorbereitungen zum Beenden des EEGs und der Energiewende in Bürgerhand getroffen wurden.

Man ist also ohne Vorwarnung ins offene Messer gelaufen?

Warnungen ab 2009 von Hans-Josef Fell, dem eigentlichen Initiator und Hauptautor des EEG 2000, dass Vorbereitungen im Gange sind, das EEG komplett zu kippen, wurden von der breiten Masse in der Branche nicht ernst genommen. Ich erinnere mich selbst auch an zahlreiche Situationen, in denen ich ab Ende 2010 davor warnte, dass die EEG-Umlage aufgebläht, die Akzeptanz des EEGs torpediert und ein schnelles Ende der Bürgerenergiebewegung forciert wird. Meine Warnungen verhallten leider. Sie wurden als übertrieben eingestuft oder als paranoid abgetan. Leider hatte ich mit meinem selbsterstellten Zeichentrickfilm, den ich 2010 begann und kurz vor Fukushima ins Netz stellte, ziemlich Recht behalten. Die Voraussagen sind größtenteils eingetroffen. Es wäre mir lieber gewesen, dass diejenigen, die meinen Appell als übertrieben und unbegründet betrachteten, Recht behalten hätten. Von daher: Die Zerschlagung der „Energiewende von unten“ fiel nicht vom Himmel. Sie erfolgte auf Ansage. Eine Ansage, die leider nicht wahrgenommen und überhört wurde.

Folgt: Wieso hängen Sie sich so rein in das Thema? Was ist Ihre Motivation?