Biodiversitäts-Forderungen Teil der offiziellen Regierungs-Argumentation

nefo: Welche Relevanz haben die Themen, die in den wissenschaftlichen Empfehlungen der Akademien behandelt wurden, beim G7-Treffen?

Boetius: Die erste Relevanz ist, dass überhaupt darüber geredet wird, zwischen verschiedenen Disziplinen der Wissenschaft – zwischen verschiedenen Akademien – aber auch mit der Gesellschaft. Diesmal ist zudem erstaunlich, dass alle drei wissenschaftlichen Schwerpunktthemen mit Biodiversität zu tun haben: Ozeane, seltene tropische Krankheiten sowie die Suche nach neuen Stoffen und Verfahren, die die klassischen Antibiotika und die gefährlichen Entwicklungen von Resistenzen ersetzen. Das zeigt doch, dass inzwischen Zusammenhänge großer Probleme und die wichtige Rolle von Vielfalt besser verstanden werden. Und hier geht die Politik erfreulicherweise auch zunehmend den Dialog mit der Wissenschaft ein, um keine Trends zu verpassen.

nefo: Und wieso dann die Ozeane?

Boetius: Wir waren selber erstaunt, dass Ozeane dabei waren, sie werden so oft vergessen. Die anderen beiden Themenbereiche sind ja als medizinische Themen näher am Menschen dran, mit Ebola, Antibiotika usw. Dass Ozeane so hoch auf der Agenda stehen, ist sicherlich einerseits dem langjährigen, oft mühsamen Dialog zwischen Politik und Wissenschaft zu verdanken, aber sicher auch, dass es eben wichtige wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Themen gibt, die das Meer angehen.

nefo: Wenn aber die Sicherheit das entscheidende Thema bei den Ozeanen ist, weshalb wurden denn dann Biologen befragt? Die haben jedenfalls auf den ersten Blick nicht die passende Expertise.

Boetius: Die Politik hat sich vorgenommen, im Dialog mit der Zivilgesellschaft auch wissenschaftliches und anderes Wissen in den Blick zu nehmen bei ihren Brennpunktthemen. Übrigens: bei allen Fragen um Klima, Sicherheit, Gesundheit und Armut, mit denen zum Beispiel auch das Flüchtlingsproblem verknüpft ist, oder die Ebola-Krise, gibt es natürlich Zusammenhänge mit Umweltaspekten, auch biologischen.

nefo: Haben Sie eine Top-Prioritäten-Liste von Maßnahmen, die Sie umgesetzt sehen wollen?

Boetius: Bei aller Liebe zu meinem Tiefseethema und den armen Tiefseetieren würde ich persönlich die Lösung des Flüchtlingsproblems auf die höchste Stufe setzen. Es ist ja unerträglich, zuzusehen, mit welchem Risiko für ihr Leben sich Menschen über das Meer retten müssen.

Wenn wir bei meinem Forschungsthema bleiben: Ich wäre für den kompletten Schutz offenen See außerhalb der wirtschaftlichen Zonen, unseres gemeinsamen menschlichen Erbes und hoffe, dass sich einmal alle Nationen darauf einigen können. Es geht dabei zwar um rund die Hälfte der gesamten Ozeanfläche, allerdings ist der Anteil der gesamten Wirtschaftsleistung durch Fischerei bzw. Öl- Gasförderung hier recht gering und der Meeresbodenbergbau hat noch nicht begonnen.

Als drittes würde ich mir wünschen, dass für alle industriellen Eingriffe, egal wo, ganz klar die Verantwortung für die Kosten und Umsetzung der Monitoring- und Schutzkonzepte bei den Nutznießern liegt. Eine solche Richtlinie wird auch schon länger vorgeschlagen. Die Schifffahrtsüberwachung hatte ich schon angesprochen. Was uns Landlebewesen angeht: Der Ozean sollte bei allen wirtschaftlichen Prozessen, bei Fragen von Gesundheit, Umweltschutz und dem Verbraucherverhalten mit in den Blick genommen werden.

(Interview: Sebastian Tilch)

Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland ist ein Projekt zur inter- und transdisziplinären Vernetzung und Sichtbarmachung der Biodiversitätsforschung in Deutschland über Institutionsgrenzen hinweg. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF und maßgeblich durchgeführt durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig – UFZ sowie das Museum für Naturkunde Berlin (Leibniz-Gemeinschaft).

->Quellen und mehr: