Biodiversitäts-Forderungen Teil der offiziellen Regierungs-Argumentation

Wichtiges Thema beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau

Beim G7-Gipfel im bayerischen Schloss Elmau stehen neben der globalen Wirtschaft drängende Themen wie Einwanderungs-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf der Agenda. Wissenschaftliche Politikberatung gewinnt dabei an Bedeutung. Für eine breitere Einbindung gesellschaftlich wichtiger Themen werden seit zehn Jahren die Treffen von den Wissenschaftsakademien dieser Länder begleitet. Unter Federführung der Nationalen Akademie Leopoldina wurden Stellungnahmen zu Antibiotikaresistenzen, Tropenkrankheiten und Zukunft der Meere erarbeitet — alles Themen, bei denen die biologische Vielfalt eine entscheidende Rolle spielt (Solarify berichtete). Die als Autorin beteiligte Tiefseeökologin Prof. Antje Boetius berichtet im NeFo-Interview (netzwerk-forum zur biodiversitätsforschung deutschland) über ihr Erstaunen, welch weitgehende Forderungen in den Berichten nicht nur akzeptiert sondern auch in die offizielle Argumentation der Bundesregierung übernommen wurden.

Die diesjährigen G7-Themen sind ein weiterer Beleg dafür, dass Biodiversität immer stärker als relevantes Element gesellschaftlich drängender Fragen erkannt wird. So adressiert der Fortschrittsbericht der G7 für Elmau des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Biodiversitätsziele der G7. Auch die drei Schlüsselthemen, welche die nationalen Wissenschaftsakademien gemeinsam mit den Regierungen priorisiert haben, hängen direkt oder indirekt mit gesunden Ökosystemen und deren Leistungen für die Gesellschaft zusammen. So sind Arten, besonders häufig Korallen oder Schwämme, die Grundlage für Entdeckungen neuer medizinscher Substanzen. Ein aktueller gemeinsamer Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO und der UN-Biodiversitätskonvention CBD hebt den Zusammenhang erhöhter Risiken für Epidemien tropischer Infektionskrankheiten durch die Zerstörung tropischer Lebensräume hervor.

Verwunderung: Ozeane hoch auf der Agenda

„Gesundheit ist ja unmittelbar mit dem Menschen verbunden. Deshalb fand ich diese Themenwahl relativ naheliegend“, sagte Prof. Antje Boetius. Dass allerdings auch die Ozeane so hoch auf der Agenda stehen, wunderte die Tiefseeökologin am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und am Max-Planck- Institut für Marine Mikrobiologie dann doch. Boetius ist eine der Autorinnen des G7-Berichts der Nationalen Akademien zur Zukunft der Meere.

Der Grund für diese Priorität sei vermutlich in der aktuellen Entwicklung der Flüchtlingsströme über das Mittelmeer zu suchen, aber auch unsichere Schifffahrtsrouten durch Piraterie und zunehmende Umweltprobleme durch Rohstoffförderung in den Meeren. Biodiversität kommt hier vor allem als Lebensgrundlage an Land ins Spiel, denn die Verfügbarkeit von fruchtbaren Böden, Nahrungsressourcen wie Fisch und sauberem Trinkwasser hänge unmittelbar mit intakten Ökosystemen zusammen. Damit ist sie zentrales Element einer effektiven Entwicklungspolitik.

Forderungen der Wissenschaftsakademien bezüglich des Meeresschutzes

  1. Verringerung der nationalen [[CO2]]-Emissionen, um der Versauerung der Meere entgegenzuwirken
  2. Reduktion der Meeresverschmutzung,
  3. Ende der Überfischung und Schutz von Biodiversität und Ökosystemen der Meere durch forschungsbasierte verantwortliche Bewirtschaftung
  4. Verbesserung der internationalen Wissenschaftskooperation, um zukünftige Veränderungen der Ozeane und deren Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft und die Umwelt besser vorhersagen, handhaben und mildern zu können.

Besonders erstaunt zeigte sich Boetius, dass selbst hochambitionierte Forderungen, wie etwa nicht nur die Erhaltung von Fischbeständen und deren Lebensräume sondern auch die Wiederherstellung bereits überfischter Bestände, von der Bundesregierung übernommen wurde. „Hier hat ganz offensichtlich ein Wertewandel stattgefunden. Vor zehn Jahren hätte man das so nicht schreiben können“, meint Boetius. Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik in den vergangenen Jahren sei hier offenbar fruchtbar gewesen und erführe heute von beiden Seiten wesentlich mehr Akzeptanz.

Folgt: nefo-Interview mit Antje Boetius