„Deutschland schwächelt an der Spitze“

Hell: Ehrenhaft Scheitern muss möglich sein

Im Gespräch mit dem Wissenschafts-Journalisten Ragnar Yogeshwar berichtete Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen aus seiner Jugend im Banat; in Elternhaus und Schulzeit habe er früh gelernt, wie wichtig Bildung sei, und Skepsis gegenüber öffentlichen Äußerungen und Verkündungen – wie berechtigt Hinterfragen sei. Schon in Temesvar (von wo er mit 16 Jahren nach Heidelberg übersiedelte) hatte er einen Physikwettbewerb gewonnen – „die Ausbildung dort war offensichtlich gut – es kam ja eine zweite Nobelpreisträgerin von der gleichen Schule: Herta Müller“.

In Heidelberg beeindruckte ihn die Offenheit, die Weltgewandtheit, Spitzenforscher seien „ganz selbstverständlich zu Besuch gekommen, man selbst war mittendrin“. Dort sei ein Weltbild entstanden, aus dem dann die Beschäftigung mit der Auflösungsgrenze entstanden sei: „Da ist etwas vergessen worden, ist etwas nicht komplett“. Hells Ideen passten „nirgendwo rein“ (Yogeshwar), es ging „alles daneben: Science lehnte ab, nature lehnte ab…“ Doch Hell blieb stur von seiner Idee überzeugt: „Eines wusste ich: Ich geh nicht zurück in die Industrie und mache dort langweilige Sachen.“ So war er nach seiner Promotion zunächst arbeitslos.

[note Eine Patentanmeldung aus seiner Promotion in Heidelberg brachte Hell kurz darauf 100.000 Dollar ein. Danach war er kurzzeitig als freier Erfinder tätig. Von 1991 bis 1993 arbeitete Hell im Heidelberger Hauptlabor des European Molecular Biology Laboratory, anschließend ab 1993 als Gruppenleiter in der Abteilung für Medizinische Physik der Universität Turku in Finnland, wo er das Prinzip der STED-Mikroskopie entwickelte. Parallel dazu verbrachte er 1993 bis 1994 insgesamt sechs Monate an der Universität Oxford als Gastwissenschaftler im Bereich Ingenieurwissenschaften. 1996 habilitierte er sich in Heidelberg.]

Scheitern als Erkenntnisfortschritt

Hell betonte, dass es damals andere Mechanismen der Förderung gegeben habe als heute – heute sei es einfacher. In Göttingen schließlich habe er das Glück gehabt, eine „neue Situation vorzufinden: Interdisziplinarität, eine interessierte Kollegenschaft, die Chance, auf Leute zu treffen, die einem Freiraum geben.“ Auch ein Scheitern sei ihm damals zugestanden worden – das nannte Hell extrem wichtig, man müsse auch die Risikobereitschaft junger Forscher anerkennen. Denn auch die Erkenntnis „so geht es nicht“ sei ein Fortschritt. „Wir müssen für ehrenhaft Gescheiterte Wege und Strukturen finden, sonst  geht ja keiner mehr das Risiko ein!“ Was mit starkem Beifall beantwortet wurde. Der Nobelpreis (Siehe solarify.eu) ist übrigens Hells 25. Preis.

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