Gauck-Rede bei Fraunhofer-Jahrestagung

Thema Demografischer Wandel

Ein anderes zunehmend sichtbares Zukunftsthema ist der demografische Wandel. Unser Land verändert  sich bereits heute. Umso mehr gilt: Für eine Gesellschaft, in der die Menschen länger leben, sind  Innovationen von entscheidender Bedeutung für ein gutes Leben.

So sind ganz einfach neue Beleuchtungstechnologien nicht nur ressourcenschonend, sondern eröffnen  auch neue Wege im Lichtdesign – etwa um Menschen im Alter das Leben in der eigenen Wohnung  einfacher und bequemer zu machen. Mein Besuch in der Stadt Arnsberg hat mir gezeigt, wie vielfältig  der Nutzen technologischer Innovationen gerade in diesem Bereich ist. Innovationen können einen  Beitrag zu einem längeren und selbständigeren Leben leisten – denken wir etwa an Hörgeräte,  E-Bikes, Fahrassistenten und Roboter, die Hilfestellung im Alltag geben.

Innovationen helfen uns auch, die Chancen eines längeren Lebens nun besser zu nutzen. Die  gewachsenen Möglichkeiten der medizinischen Früherkennung und Prävention gehören, ebenso wie neue  Behandlungsmethoden, zu den Voraussetzungen dafür, dass Menschen heute eine längere Lebenserwartung  haben und dass wir dieses verlängerte Leben auch für sinnvolle Tätigkeiten nutzen können.

Wenn wir über Demografie sprechen, dann tun wir gut daran, diese Diskussion nicht auf Deutschland  zu verengen. Denn Tatsache ist: Anders als bei uns wächst die Weltbevölkerung insgesamt. Deshalb  geht es darum, möglichst vielen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen – und das ist eben immer  nur mit Innovationen zu erreichen: bei erneuerbaren Energien, bei ressourcenschonenden  Produktionsprozessen, bei der Lebensmittelversorgung. Und auf all diesen Feldern ist die  Fraunhofer-Gesellschaft aktiv und leistet so einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Lebens-  und Wirtschaftsweise.

Auch dank der Fraunhofer-Gesellschaft gehört Deutschland – zusammen mit den skandinavischen Ländern  – zu den innovativsten Staaten der Europäischen Union. Und darüber freue ich mich besonders.  Möglich ist das durch ein gutes Zusammenwirken von Politik und Wirtschaft, von Wissenschaft und  Gesellschaft. Lassen Sie mich an dieser Stelle einfügen, dass ich manchmal, wenn ich im Ausland  unterwegs bin, von „nichtmateriellen Exportgütern“ spreche. Dazu würde auch dieser Ansatz, den die  Fraunhofer-Institute und die Fraunhofer-Gesellschaft anbieten, gehören. Es ist nicht nur diese Art  und Weise, wirtschaftliche Effizienz zu verbinden mit technologischen Innovationen und  Wissenschaft, Staat, Unternehmen zusammenzubringen. Wir haben auch andere Exportgüter – ich denke  an unsere duale Berufsausbildung oder etwas ganz anderes: die Art und Weise, wie in Deutschland  Unternehmen, Unternehmensverbände und Arbeitnehmer und Gewerkschaften miteinander arbeiten. Mit  kooperativen Herangehensweisen auch schwierige Situationen zu meistern. Das heißt, es ist diesem  Land gelungen, nach seinem tiefen Fall nicht nur durch einzelne wissenschaftliche und  technologische Spitzenleistungen ein lebenswertes Leben und Zukunftsfähigkeit zu generieren,  sondern es hat Haltungen hervorgebracht, die Einzelnen wie dem Gemeinwesen nützen.

Und Sie sollen einfach wissen, dass ich Sie einordne in diese Gruppe von positiven „Exportgütern“,  die unser Land anderen anbietet. Nicht um andere zu bevormunden, sondern um unsere Erfahrung mit  Ländern, die sie brauchen könnten, zu teilen. Ich spüre dann oftmals, dass wir für viele Länder  schon so etwas wie ein Rollenmodell darstellen. Als ich das zum ersten Mal merkte, habe ich mich  richtig erschrocken. Aber immer wenn ich genau hinsehe, was sind denn diese vorbildlichen  Leistungen, die andere so noch nicht entwickelt haben, ist mir aufgefallen: Nein, für das  Erschrecken gibt es keinen Grund. Vielmehr muss ich dankbar sein und voller Freude, was sich in  diesen Jahren entwickelt hat.

Natürlich wissen wir, dass die Politik einen verlässlichen rechtlichen Rahmen bieten muss. Sie muss  Infrastruktur und eine auskömmliche Grundfinanzierung von Bildung, Forschung und Entwicklung  bereitstellen. Hier ist, Gott sei Dank, in den vergangenen Jahren viel geschehen: Die Ausgaben für  Forschung und Entwicklung sind gestiegen, auch mit dem sogenannten „Paket der Pakte“ ist hier etwas  geschehen, das uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Die Fortführung dieser „Pakte“ ist  auch für die kommenden Jahre bereits ganz konkret oder, wo nicht konkret, dann wenigstens im  Grundsatz beschlossen. Mit der Hightech-Strategie wurden verschiedene Maßnahmen für Forschung und  Innovation in Deutschland gebündelt. Eine Änderung des Grundgesetzes ermöglicht die Kooperation von  Bund und Ländern auch im Hochschulbereich. Nun kommt es darauf an, dass wir diese zum Teil neuen  Möglichkeiten intelligent und entschlossen nutzen.

Folgt: „Risiko“ nicht mehr nur negativ verstehen