Gauck-Rede bei Fraunhofer-Jahrestagung

„Risiko“ nicht mehr nur negativ verstehen

Auch die Unternehmen sollten mitziehen und weiter in Innovationen investieren, im eigenen wie im  gesamtgesellschaftlichen Gesamtinteresse. Auch hier sehen wir positive Entwicklungen: Die deutsche  Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich  erhöht. Es gibt nun auch Zeichen der Zurückhaltung – etwa wenn es darum geht, Wagnisse einzugehen.  Es ist schon ein wenig paradox: Einerseits hat unser Land ganz enorm von all den neuen Ideen  profitiert und ist auch in der Zukunft auf sie angewiesen. Aber andererseits leisten sich viele von  uns den Luxus, das Wort „Risiko“ ausschließlich negativ zu verstehen. Da muss sich wohl auch noch  etwas ändern.

Damit aus Innovationen Geschäftsideen werden und aus Geschäftsideen Erfolge, braucht es eine  Gesellschaft, die Neuem offen und mit informiertem Blick gegenübersteht. Auch da ist noch eine  Menge zu tun. Wir wollen ja technikaffine und technikmündige Bürgerinnen und Bürger. Und gerade  deshalb müssen die, die davon am meisten verstehen – die Fachleute – auch eine wichtige Stimme in  der öffentlichen Debatte sein und aufklärerisch wirken.

Die meisten Menschen in Deutschland – so sagen uns Umfragen – stehen Innovationen eigentlich offen  gegenüber. Doch es gibt auch Anzeichen von Skepsis, umso mehr, wenn sich der Nutzen von  Innovationen nicht unmittelbar erschließt oder wenn sie mit Risiken verbunden sein könnten. Es  bleibt daher eine drängende Aufgabe, die Technikmündigkeit der Gesellschaft weiter zu fördern und  immer wieder einen offenen, sachorientierten Dialog über neue Technologien zu ermöglichen.

Wir wissen es ja – nicht alles, was neu ist, ist auch schon automatisch gut. Aber andererseits wird  es eine Zukunft, eine gute Zukunft, nicht ohne technische Innovationen geben. Umgekehrt gilt nun  auch, dass sich sogar die beste Innovation nicht durchsetzen kann, wenn ihr die Akzeptanz bei den  Menschen fehlt. Daher meine Einrede.

Vor wenigen Tagen habe ich den Festakt zum 50-jährigen Jubiläum der Ruhr-Universität in Bochum  besucht und eine Woche davor die 50. Bundessiegerehrung von „Jugend forscht“. Dass diese Jubiläen  in denselben Zeitraum fallen, ist wohl Zufall, aber ich sehe doch auch eine gewisse Symbolkraft  darin. Denn Spitzenforschung, wie sie an den Fraunhofer-Instituten stattfindet, ist auf Nachwuchs  angewiesen und damit auf ein leistungsfähiges Bildungs-, Ausbildungs- und Hochschulsystem. Wenn wir jungen Menschen die besten Chancen eröffnen wollen, ihren Weg selbstbestimmt und  verantwortungsbewusst zu gehen, dann müssen wir in die außeruniversitäre Forschung und in die  Hochschulen, in die berufliche Bildung und vor allem in die schulische Bildung investieren.

Wir können damit nicht früh genug beginnen, Menschen und ihre Begabungen zu entdecken. Das Beispiel  des jungen Joseph Fraunhofer zeigt es uns: Talente brauchen Förderung. Die kreativen Köpfe, die Erfinder und Entdecker von morgen, sie leben schon heute unter uns, ebenso  wie die Nutzer künftiger Technologien. Wir tun gut daran, sie bestmöglich zu fördern – zum  unmittelbaren Nutzen für die Menschen und zum Vorteil für die Gesellschaft.

->Quelle: bundesregierung.de