EnWG kommunalfreundlicher ausgestalten

Erläuterungen zu den Novellierungsvorschlägen des Wuppertal Instituts

  • Objektive Ermittlung des Kaufpreises des Netzes:
    Im Rahmen von Netzübernahmen und Rekommunalisierungen ist eine der entscheidenden Fragen die Höhe des Netzkaufpreises. Der Netzkaufpreis wird in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG beschrieben. Leider sieht das Gesetz hier keine klare Regelung vor. In der Vergangenheit gab es daher zahlreiche Auseinandersetzungen zu der Frage, welcher Preis für ein zu übernehmendes Netz zu zahlen ist. Es sollte daher zweifelsfrei festgelegt werden, dass der Kaufpreis nach dem objektivierten Ertragswertverfahren zu ermitteln ist. Denn nur so kann ein Neukonzessionär in die Lage versetzt werden, im Rahmen der Anreizregulierung (mit behördlicher Zuweisung von Erlösobergrenzen) eine Refinanzierung seiner Netzinvestitionen zu erreichen.
  • Auswahlkriterien:
    Die im alten EnWG vorgesehene Regelung, dass die Kommunen bei der Ausgestaltung der Auswahlkriterien für die Konzessionsvergabe nur streng netzbezogene Kriterien anwenden dürfen, hat sich in der Vergangenheit sehr nachteilig für die kommunalen Belange ausgewirkt. Hier werden einseitig wettbewerbliche Aspekte vor die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes gestellt. Die Folge ist, dass in der Vergabepraxis die Gestaltungsspielräume der Kommunen zurückgedrängt und einseitig die Interessen der Altkonzessionäre bevorzugt werden. In einem novellierten EnWG müsste die Regelung so erfolgen, dass die Kommunen deutlich stärker die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft geltend machen können und daneben auch in angemessener Weise die Ziele des § 1 EnWG berücksichtigen müssen. Nur dann ist gewährleistet, dass die berechtigten Interessen der Gemeinden wie regionale Wertschöpfung und Verbesserung der Gemeindefinanzen sowie Einflussnahmemöglichkeiten auf den Netzbetreiber gewährleistet werden.
  • Inhouse-Vergaben:
    Um Kommunen die Konzessionsvergabe zu erleichtern, sollten Inhouse-Vergaben künftig zugelassen werden. Das heißt, Kommunen, die den Strom- und / oder Gasverteilnetzbetrieb vollständig selbst übernehmen wollen, sollten eine Inhouse-Vergabe vornehmen können. Denn was den Kommunen heute schon bei der Vergabe von Wasserkonzessionen und Fernwärmenetzgestaltungen erlaubt ist, sollte ihnen bei Strom- und Gaskonzessionen nicht verwehrt werden. Die Inhouse-Vergabe würde durch Streichung des § 46 Abs. 4 EnWG ermöglicht.
  • Rügepflichten:
    Häufig klagen unterlegene Altkonzessionäre gegen Gemeinden mit der Begründung, beim Konzessionsvergabeverfahren habe die Gemeinde ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht oder formale Fehler gemacht. Bislang sind solche Klagen auch noch Jahre nach der Vergabe möglich. Hier muss nach Auffassung des Wuppertal Instituts in der Art Rechtssicherheit geschaffen werden, dass nach einer angemessenen Wartefrist keine Einwendungen gegen das Verfahren mehr zulässig sind. Auch sollte zukünftig ausgeschlossen sein, dass unterlegene Bieter erst dann vermeintliche Fehler bei den Auswahlkriterien im Vergabeverfahren anmelden, wenn der Zuschlag an ein anderes Unternehmen gegangen ist. Unterlegene Bieter sollten somit zukünftig nur dann eine Rechtsverletzung im Vergabeverfahren geltend machen können, wenn sie den Fehler zuvor gegenüber der ausschreibenden Gemeinde angezeigt bzw. gerügt haben.
  • Datenherausgabe:
    Für mehr Wettbewerb auf der Verteilnetzebene ist es dringend erforderlich, dass hier eine präzise und umfangreiche Datenlage für Mitbewerber geschaffen wird, weil nur so der Wert eines Netzes und mögliche Investitionserfordernisse ermittelt werden können. Für die Altkonzessionäre ist es lohnend „auf Zeit zu spielen“ und die Herausgabe zur Bewertung eines Netzes dringend erforderlicher Daten damit zu begründen, dass diese „Unternehmensgeheimnis“ seien. Auskünfte nicht oder nur schleppend zu erteilen, steigert damit ihre Aussichten, auch zukünftig die Konzession inne zu haben und damit anderen Interessenten eine Bewerbung zu erschweren. Für die Neuregelung ist es nach Auffassung des Wuppertal Institutes daher dringend erforderlich, dass im Gesetz ein zur Bewertung des Netzes angemessener Umfang an Daten definiert wird und die Gemeinden einen klaren Anspruch auf zeitgerechte Herausgabe dieser Daten haben. Das heißt, der Auskunftsanspruch der Kommunen müsste gesetzgeberisch deutlich verbessert werden, um langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen, die de facto zu Fristproblemen und unnötigen zeitlichen Verzögerungen führen, zu verhindern.
    Zurzeit muss der bisherige Netzbetreiber bzw. Altkonzessionär der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung des Vertragsendes – also drei Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages – die netzrelevanten Daten zur Verfügung stellen. Nach Einschätzung des Wuppertal Instituts sollte diese Informationspflicht erweitert werden. Die Kommunen müssten zu jeder Zeit das Recht haben, die zur Beurteilung eines Netzes erforderlichen Daten zu bekommen.
  • Weiterzahlung der Konzessionsabgaben:
    Bei schwierigen Verkaufsverhandlungen oder bei der Weigerung von Altkonzessionären, das Netz zu übereignen, führt die gegenwärtige Regelung dazu, dass Konzessionszahlungsausfälle für die Kommunen entstehen können oder der Altkonzessionär zumindest mit diesen drohen kann. Denn die Verpflichtung zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe ist derzeit auf ein Jahr nach Vertragsende begrenzt. Deshalb schlägt das Wuppertal Institut vor, in § 48 Absatz 4 die Wörter „für ein Jahr“ zu streichen oder so neu zu formulieren, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Konzessionsabgabe bis Übertragung der Verteilnetzanlagen auf einen neuen Konzessionär fortbesteht. Damit kann verhindert werden, dass Verzögerungen (die meistens vom Altkonzessionär verursacht werden) die Gemeinden finanziell benachteiligen.

->Quellen: