Gerhard Knies: „Zukunft nach Design oder Desaster?“

Ob sich jemand davon beeindrucken lässt?

Ich hoffe, dass die globale Gemeinschaft ein vorsorgliches Fit-Machen für 10 Milliarden Menschen als lohnendes Ziel für ein globales Zusammenspiel anerkennt. Die UNO spricht leider von einer Belastung (burden sharing). Das ist grauenhaft  falsch und kontraproduktiv. Im Sport erhalten die Spieler einer Mannschaft eine Prämie für den Sieg ihrer Mannschaft. Je mehr sie sich anstrengen und je besser sie zusammenspielen, desto höher die Siegeschancen. Wenn aber jede Nation  nur für sich kämpft, werden die globalen Gemeinschaftsgüter weiter ausgeplündert, und alle werden verlieren. Wenn die um Weltvorherrschaft kämpfenden Supermächte begreifen, dass sie durch gutes Zusammenspiel für eine lebensfähige Welt mehr nationale Vorteile gewinnen als durch Kriege, könnten sie vielleicht vom Rivalitätsmodus auf Team-Humanity-Modus umschalten.

Was, wenn die nicht wollen – gibt es einen Plan B?

Die rechtzeitige Überwindung der weltweiten Priorisierung nationaler vor globalen Zielsetzungen ist tatsächlich ein großes Fragezeichen, und die Frage nach Plan B ist berechtigt. Aber da zeichnet sich möglicherweise so etwas ab wie ein „deus ex machina“: wenn emissionsfreie erneuerbare Energien billiger werden als die giftigen fossilen, könnten letztere schon aus ökonomischen Gründen im Boden bleiben – und der Kampf um Energie-Ressourcen und der Klimawandel ebenfalls. Weltweit wird dieser Übergang nicht an einem Tag geschehen, denn die Kosten für Erneuerbare und Fossile hängen sehr von der Region ab. In mehreren sind Erneuerbare wie Photovoltaik- und Windstrom schon billiger als Fossile, in anderen noch nicht. Außerdem gibt es oft Verzögerungen, weil fossile Energienutzung oft sowas wie einen „politischen Bestandsschutz“ genießt. Ideal wäre deshalb eine Kombination von Plan  A und B: globale Solidarität der Menschheit plus ökonomischer Vorteil.

Müssen nicht auch die Menschen ihr Verhalten grundlegend ändern – oder reicht eine Veränderung der Technologiekosten oder des Verhaltens der Nationen?

Ein besseres Verhalten würde natürlich helfen. Aber ich hoffe, es geht ohne einen neuen Menschen. Denn in ca. 50 Jahren wird sich das in über 250.000 Jahren entwickelte Verhalten der Menschen durch Einsicht nicht genügend ändern. Das Verhalten von Staaten bzw. Gesellschaften und die Technologiekosten dagegen können sich in wenigen Jahren ändern. Denken wir an die Zeiten um 1945 und 1989, oder an die Mikroelektronik.

Eins wird täglich klarer: wenn die Nationen weiterhin die Erde als Kampfplatz behandeln, gerät die Welt aus den Fugen, und die Zerstörung der globalen Lebensgrundlagen wird beschleunigt. 200 nationale Außenpolitiken ergeben keine Weltinnenpolitik, und 200 nationale Sicherheiten ergeben weder nationale noch globale Sicherheit, sondern ein globales Pulverfass. Die Erde ist nicht zu klein, die Menschheit nutzt sie nur falschnach gefährlich gewordenen Mustern der Vergangenheit: uneingeschränkte Staatensouveränität und Kampfplatzverhalten – trotz längst verlorener nationaler Unabhängigkeit, trotz extremer ziviler und ökologischer Verwundbarkeit. Beide Muster passen nicht in das Anthropozän. Die Menschheit braucht jetzt eine ökologische (no-carbon) und – was oft übersehen wird – eine zivilisatorische (no-military) Sicherheit, und eine Welt-Innenpolitik für ihren und der Eisbären Lebensraum.

…nicht gerade bescheiden!

Richtig – aber was wollen wir: eine Zukunft nach Design oder nach Desaster?

Quelle: Gerhard Knies (Gerhard.Knies @ ClubOfRome.de)