„Jahr der Entscheidungen“

Konkrete Utopie

Die Konferenz Rio+20 hat die Idee für die Erarbeitung nachhaltiger Entwicklungsziele, die globale Gültigkeit haben, für alle Länder unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstands neu eingefordert. Es ist in engagierter und sehr erfolgreicher Vorbereitungsarbeit gelungen, 17 Ziele (die so genannten Sustainable Development Goals, SDGs) zu formulieren und ihre Realisierung mit über 160 Teilzielen zu verbinden. Sie werden im September dieses Jahres der UN-Vollversammlung zur Beschlussfassung vorliegen. Was noch vor nicht allzu langer Zeit als ferne Vision abgetan wurde, wird damit eine konkrete Utopie für eine Welt, in der im Jahre 2050 neun Milliarden Menschen friedlich zusammenleben sollen. Ohne blauäugigen Optimismus kann erwartet werden, dass die Vollversammlung diese Chance nutzen wird.

Die Verwirklichung der 17 Entwicklungsziele kann nur gelingen, wenn zentrale Querbezüge mit bedacht werden. Sie müssen auf Grundlagen aufbauen, die in zwei weiteren Bereichen ebenfalls in diesem Jahr erarbeitet werden: Die Frage der Mittel zur Umsetzung der Ziele („Means of Implementation“) wurde zuletzt auf der dritten internationalen Konferenz zu „Financing for Development“ in Addis Abeba vorangebracht. Im Dezember wird die Staatengemeinschaft dann bei der Klimakonferenz in Paris den Rahmen setzen für eine durch Taten gekennzeichnete Klimapolitik. Beides sind wichtige Fundamente für eine umfassende Strategie der Nachhaltigkeit.

Nicht resignieren vor nicht erreichbaren Zielen

Damit die Nachhaltigkeitsziele mehr werden können, als papierene Beruhigung für das engagierte „Business als usual“, muss es gelingen, dass die Querverbindungen zwischen diesen Prozessen auch in der Umsetzung gezogen werden. Im Klartext heißt dies, dass man sich bei den „Means of Implementation“ nicht allein auf die Verfügbarkeit von Finanzmitteln beschränken kann. Auch die technologische Entwicklung und gegenseitige Unterstützung, um die realistisch bestehenden Chancen einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu verwirklichen, wie auf dem G7-Gipfel in Elmau im Juni dieses Jahres bekräftigt wurde, zählen dazu.

Dass es möglich ist, eine Dekarbonisierung der Wirtschaft ökonomisch sinnvoll zu erreichen, zeigt die Entwicklung im Sektor der Technologien zur Erzeugung von Strom aus deutlich klimafreundlicheren, da CO2-ärmeren Quellen wie Wind und Sonne. Schon innerhalb der nächsten zwei Jahre können die Systemkosten der Solarenergie das gleiche Preisniveau wie Kohlestrom erreichen. Strom aus erneuerbaren Energien ist damit insbesondere in den Regionen wettbewerbsfähig, die bezüglich der Sonnenscheindauer beziehungsweise der Windintensität deutlich besser aufgestellt sind als Deutschland. Damit wird der Aufbau von wirtschaftlichen und klimafreundlichen Energiesystemen weltweit möglich – eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass über „Sustainable Energy for All“ das Recht auf Entwicklung aller Länder, wie in Rio 1992 beschlossen, realisierbar wird. Wenn es gelingt, dass ärmere Länder insbesondere in Afrika, den für ihre Entwicklung dringend notwendigen Energiebedarf über den Ausbau kohlenstoffarmer Energieerzeugung decken, ist die globale (Klima)Politik nachhaltig gelungen.

Es ist die entscheidende Bemühung, mit größter Dringlichkeit einen Prozess des Handelns gegen den Klimawandel auf den Weg zu bringen und nicht zu resignieren vor nicht erreichbaren Zielen. Entscheidend wird sein, dass der Prozess in Zukunft verbindlich und überprüfbar ist. Dann wird er zu einer sich stets verstärkenden, dynamischen Klimapolitik führen.

[note Prof. Dr. Klaus Töpfer ist Exekutivdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam. Von 1987 bis 1994 war er Bundesumweltminister, von 1998 bis 2006 Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP).]

-> Quellen und ganze Originalartikel:

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