„Jahr der Entscheidungen“

Nicht zu viel erwarten – Den Klimawandel wird der Pariser Klimagipfel im Dezember nicht aufhalten, meint die Grünen-Politikerin – Interview von Johanna Metz

Frau Höhn, spätestens seit Anfang der 1990er-Jahre wollen eigentlich alle das Klima retten. Doch unzählige Klimakonferenzen später sind die weltweiten CO2-Emissionen nicht etwa gesunken, sondern sogar um 60 Prozent gestiegen. Was ist schief gelaufen?

Wir brauchen dringend einen Erfolg, weil die Auswirkungen des Klimawandels, wie zum Beispiel Extremwetterlagen, immer häufiger und teurer werden. Aber die Weltgemeinschaft ist wie ein großer Tanker – es braucht viel Zeit, um ihren Kurs zu verändern. Wir, die Industrienationen, haben das fossile Zeitalter vor circa 150 Jahren eröffnet und unseren Reichtum auf Grundlage einer guten Energieversorgung erwirtschaftet. Das wollen uns andere Länder nun natürlich nachmachen. Die Folge ist, dass der CO2-Ausstoß in anderen Regionen der Welt beträchtlich steigt. In China etwa liegt er pro Person und Jahr inzwischen bei sechs Tonnen. In Deutschland sind es gut neun Tonnen – die Chinesen holen mächtig auf. Es ist noch viel zu tun.

Wie optimistisch sind Sie, dass das gelingt?

Optimistischer als noch vor ein paar Jahren. Denn mit den erneuerbaren Energien steht uns heute eine gute und klimaschonende Alternative zu den fossilen Energieträgern zur Verfügung. Energie aus Wind, Wasser und Sonne ist zudem inzwischen billiger als Kohle oder Atomstrom. Es sind auch immer mehr Staaten, darunter große Emittenten wie China und die USA, bereit, sich an Lösung des Problems zu beteiligen.

Das Weltklima-Abkommen, das die Staaten im Dezember in Paris beschließen wollen, soll erstmals auch die Entwicklungs- und Schwellenländer zur Senkung ihrer CO2-Emissionen verpflichten. Diese fürchten aber um ihre wirtschaftliche Entwicklung. Was können wir von diesen Ländern erwarten?

Wir, die Industrieländer haben den Klimawandel verursacht und tragen deshalb die größte Verantwortung. Wenn wir wollen, dass auch die ärmeren Länder in den Klimaschutz investieren, müssen wir ihnen zeigen: Es ist möglich, die CO2-Emissionen auf maximal zwei bis vier Tonnen pro Person und Jahr zu senken – und zwar ohne Wohlstandsverluste. Das geht nur mit einer weitgehenden Dekarbonisierung bis 2050 und dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren. Deutschland ist ein gutes Beispiel: Unsere Wirtschaft funktioniert – trotz oder gerade wegen umfangreicher Klimaschutzmaßnahmen. Von unserem Wissen und unseren Technologien können andere Länder profitieren.

Vier Monate vor Beginn der Klimakonferenz ist die künftige Rolle der Entwicklungs- und Schwellenländer aber noch immer sehr umstritten. Werden sich die Staaten tatsächlich auf einen Klimavertrag einigen können?

Wir dürfen von Paris nicht zu viel erwarten, denn wir sind noch weit von einer Lösung entfernt. Völlig unklar ist zum Beispiel die Finanzierung des Grünen Klimafonds, der die Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels unterstützen soll. Ab 2020 sollen sie 100 Milliarden Dollar jährlich erhalten – doch bisher haben die Staaten nur zehn Milliarden zugesagt. Auch werden die CO2-Reduktionsziele, die alle Staaten vor Paris auf den Tisch legen müssen, nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen.

Zumal die Zusagen freiwillig sind – Länder, die nicht so viel CO2 einsparen wie versprochen, müssen keine Sanktionen fürchten. Ist das Abkommen am Ende das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist?

Sanktionen wären wünschenswert, sind aber oft nicht durchsetzbar. Das hat das Kyoto-Abkommen von 1997 gezeigt. Den Klimawandel werden wir in Paris nicht aufhalten, aber es gilt so viel wie möglich verbindlich festzulegen, insbesondere das Zwei-Grad-Ziel. Dann könnte man in einem nächsten Schritt genau auszurechnen, wie viel CO2 jedes Land einsparen muss, um das Ziel zu erreichen.

Die Bundesregierung hat im Dezember 2014 das „Klimaschutzaktionsprogramm 2020“ verabschiedet, um das 40-Prozent-Ziel einhalten zu können. Ihre Partei fordert aber ein Klimaschutzgesetz. Warum ist das notwendig?

Das Problem mit Klimazielen ist doch, dass sie immer weit in der Zukunft liegen. Fünf Jahre vor Ablauf der Frist heißt es dann plötzlich: Da fehlen ja noch 15 von 40 Prozent – wie sollen wir das schaffen? Und dann muss die Umweltministerin eiligst einen Aktionsplan ausarbeiten. Um das zu verhindern, sollten Klimaziele Gesetz werden. Dann müsste regelmäßig überprüft werden, ob sie erreicht werden können oder weitere Maßnahmen notwendig sind. Länder wie Großbritannien und die Niederlande haben damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Leider ist ein solches Gesetz zurzeit in Deutschland politisch nicht durchsetzbar.

[note Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit Januar 2014 Vorsitzende des Umweltausschusses. Seit Oktober 2005 sitzt die frühere Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen im Bundestag.]

->Quellen und ganzes Interview:

Weitere Themen:

->Quelle: das-parlament.de