Die spinnen, die Briten!

Europäische Energieunion in Gefahr

Kommentar mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin – Der Beitrag gibt die Meinung der Autorin wieder.

Europa beschließt die „Energieunion“, will also die Energie­versorgungssicherheit, den Klimaschutz und den effizienten Umgang mit Energie gemeinsam umsetzen. Gemeinsame Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energien, der effiziente und bezahlbare Einsatz von Energie und der Schutz des Klimas sollen dabei helfen, die europäische Energiewende gemeinsam zu verwirklichen. Letztendlich kann die Energieversorgung in Europa über eine Reduktion der Energie-Importabhängigkeit sowohl durch eine Stärkung der heimischen Energieversorgung, eine Diversifikation der Energiebezüge und einen effizienten und optimierten Einsatz der Energie-Infrastruktur und strategischer Speicher gesichert werden. Die Energieunion soll als Grundstein dienen und als Treiber einer Europäischen Energiewende genutzt werden.

Strenge Beihilfe-Vorgaben der EU

Zahlreiche europäische Staaten wie Deutschland, Österreich, Dänemark und die skandinavischen Länder setzen auf einen konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien. Dabei achtet Europa sehr genau darauf, dass der Umbau und die Förde­rung erneuerbarer Energien nicht den Beihilferichtlinien der Europäischen Union widersprechen. Viele EU-Staaten – wie auch schon Deutschland – mussten oftmals die Beihilfen prüfen lassen und können nur unter strengen Vorgaben innovative, neue Technologien fördern. Diese Förderung darf grundsätzlich nur für neue und innovative Technologien erfolgen, die sich erst im Markt behaupten müssen und die Kostensenkungspotentiale haben. Sobald der Markt etab­liert ist, sollte die Förderung auslaufen beziehungsweise darf nur unterstützend erfolgen.

Bei den erneuerbaren Energien beispielsweise muss nun verstärkt von einem umlagebasier­ten System auf Ausschreibungen umgestellt werden. Dass dies wiederum teurer und ineffizienter wird und zudem vor allem Großanbieter begünstigt, konnte nicht nur in zahlreichen EU-Ländern wie beispielsweise in Großbritannien beobach­tet werden, sondern jüngst auch in Deutschland bei ersten Testversuchen für Solar-Freiflächenanlagen.

Europa erlaubt nun doch finanzielle Beihilfen – für Atom

Besonders erstaunlich mutet es da an, dass Europa nun doch finanzielle Beihilfen erlaubt, die all diese Voraussetzungen überhaupt nicht erfüllen: Für eine alte, beson­ders risikoreiche Technologie sind Beihilfen zulässig, welche keine Kostendegression durch technischen Fortschritt oder Größeneffekte erwarten lassen, und die zudem über einen Zeitraum von 35 Jahren gewährt werden. Die Rede ist von den finanziellen Beihilfen, die England für den Bau von Atomkraftwerken einführen will.

Das Vereinigte Königreich will offensichtlich keine Energie-Zukunft, sondern beharrt auf vergangenen, veralteten und teuren Technologien. England will neue Atomkraftwerke bauen. Da dies enorm teuer ist, soll es mit einem Umlagesystem auf den Strom­preis finanziert werden: Elf Cent/kwh sind für einen Zeit­raum von 35 Jahren für die Finanzierung des Baus geplant. Dabei werden nur die Kosten für den Bau an sich, nicht die Endlagerung, der Rückbau oder sonstige finanzielle Risiken eingepreist. Zum Vergleich: Windenergie kostet derzeit neun Cent/kwh mit fallender Tendenz.

Erstaunlich, dass Deutschland nicht mitklagt

Potentiale für Windenergie gäbe es in England reichlich oder auch für Wasser- oder Gezeitenkraftwerke. Österreich klagt – zu Recht – gegen diese Beihilfen. Erstaunlich, dass Deutschland sich diesen Klagen nicht angeschlossen hat. Noch erstaunlicher ist allerdings, dass Europa all dies er­laubt, obwohl es ein Schritt in die falsche Richtung ist und vor allem den Kriterien der EU-Beihilfen in vielerlei Punkten widerspricht. Europa sollte sich für eine konsequente Ener­gie-Zukunft ohne Atomkraft und fossile Energien einsetzen. Frei nach Asterix: „Die spinnen, die Briten.“

->Quelle: diw.de