Schlechte Noten für reiche Länder

Bertelsmann-Studie vor UN-Sondergipfel: Industriestaaten laufen Gefahr, die neuen Nachhaltigkeitsziele zu verfehlen

In New York versammeln sich bald die Staats- und Regierungschefs aller UN-Mitgliedsstaaten zum größten Gipfel der Geschichte, eröffnet vom Papst. Sie kommen zusammen, um die neuen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu verabschieden. Diese Ziele sollen in den kommenden 15 Jahren als Leitlinien der Politik dienen. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern – den Millenniums-Entwicklungszielen (Millennium Development Goals, MDGs), mit deren Hilfe die Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern halbiert werden konnte – gelten die neuen Vorgaben auch für die reichen Staaten. Einkommensstarke Länder werden dieses Mal nicht nur als Geber von Entwicklungshilfe in die Pflicht genommen; vielmehr verlangen die Ziele auch von den OECD-Staaten selbst Reformen im eigenen Land.

UN-Vollversammlung – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Durch die Millenniumsziele ist es gelungen, in vielen Entwicklungsländern spürbare Fortschritte zu erzielen. Wenn die Vereinten Nationen jetzt die neuen globalen Nachhaltigkeitsziele ab 2016 verabschieden, sind erstmals auch die Industriestaaten gefordert, diese Vorgaben zu verwirklichen. Doch die weltweit erste Bestandsaufnahme im Rahmen einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt: Die meisten Industrienationen sind weit davon entfernt, als Vorbilder für eine nachhaltige Entwicklung zu dienen.

Die meisten Industriestaaten der OECD sind laut Bertelsmann-Stiftung noch nicht fit für das neue Nachhaltigkeitsversprechen der Weltgemeinschaft: Viele sind noch weit davon entfernt, die globalen Politikziele zu erreichen, wie sie die Staats- und Regierungschefs auf dem UN-Sondergipfel in diesem Monat beschließen werden. Und bei vielen Indikatoren besteht die Gefahr, diese Ziele komplett zu verfehlen. Die größten Defizite weisen die Industriestaaten dabei in ihrem wenig nachhaltigen Produktions- und Konsumverhalten auf. Außerdem verschärfen ihre Wirtschaftssysteme vielfach den Trend zur sozialen Ungleichheit.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Vergleichsuntersuchung aller 34 OECD-Staaten anhand von 34 Indikatoren zu den zukünftigen 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals-SDG), die bis 2030 gelten sollen. Dabei handelt es sich um die weltweit erste systematische Untersuchung zum gegenwärtigen Status jedes dieser Länder und im Vergleich der Länder zueinander. Die Momentaufnahme identifiziert zudem sowohl Staaten, die bei einzelnen Nachhaltigkeitszielen Vorbildcharakter haben und wo noch erhebliche Defizite bestehen. Die Studie liefert damit auch eine Blaupause für die Erreichung der SDGs in den nächsten 15 Jahren.

Kofi Annan , der geistige Vater der Millenniumsziele, fordert im Vorwort der Studie größere Anstrengungen von den reichen Ländern der Erde: „Ich danke der Bertelsmann Stiftung dafür, dass sie die Aufmerksamkeit so detailliert auf dieses Thema gelenkt hat. Diese Studie wird hoffentlich Reformdebatten über Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in vielen Industriestaaten entfachen. Wir schulden dies unserem Planeten und seinen Menschen. Die Studie zeigt, dass einkommensstarke Länder mehr zum Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung tun müssen.“

Zu den Ländern, die die neuen UN-Ziele am ehesten erreichen, gehören danach die vier skandinavischen Staaten Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland, gefolgt von der Schweiz auf Platz fünf. Am schlechtesten bewertet werden die USA, Griechenland, Chile, Ungarn, die Türkei und Mexiko.

Folgt: Deutschland auf Rang 6