Klimawissenschaftler: „Die Zeit wird knapp“

Chancen für eine Wende nutzen, Klimarisiken begrenzen und Dekarbonisierung beschleunigen – Erklärung führender Klimawissenschaftler zur COP21

Der anthropogene Klimawandel ist wissenschaftlich belegt. Der Nachweis des menschlichen Einflusses auf das Klima basiert dabei auf jahrzehntelanger intensiver Forschung, zu der die deutsche Klimawissenschaft in erheblichem Maße beigetragen hat. Der Erwärmungstrend ist ungebrochen. Zwölf der dreizehn global wärmsten Jahre seit Beginn der flächendeckenden instrumentellen Messungen waren in diesem Jahrhundert. 2014 führt die Rangliste bisher an, könnte jedoch von 2015 abgelöst werden. Aber auch andere Prozesse, wie Eisschmelze und Ozeanversauerung, verstärken sich – mit bedrohlichen Folgen u.a. für die Ernährungssicherheit. Die Zeit, in der die Menschheit eine „gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems“ noch verhindern kann – wie 1992 in der UN-Klimarahmenkonvention in Rio de Janeiro beschlossen – wird knapp.

Rauchentwicklung bei Bitterfeld – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Führende Klimawissenschaftler haben am 24.11.2015 in Berlin in einer gemeinsamen Erklärung zur bevorstehenden UN-Klimakonferenz in Paris deutlich gemacht, dass nur ein „couragiertes und schnelles Handeln auf der weltpolitischen Ebene“ die Erderwärmung noch auf unter 2 Grad Celsius begrenzen kann. Angesichts der weitreichenden und ins Auge springenden Auswirkungen des Klimawandels bringen die Unterzeichner – Paul Becker vom Deutschen Wetterdienst, Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft, Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, Monika Rhein vom IUP-MARUM, Universität Bremen, und Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung –  ihre „große Sorge“ zum Ausdruck: „Der Stand der Wissenschaft ist eindeutig: Wir Menschen haben den größten Teil der beobachteten globalen Erwärmung verursacht – und der damit angestoßene Klimawandel birgt große, schwer abschätzbare Risiken.“

Spätestens nach  2020 sollten Treibhausgasemissionen kräftig sinken

Um den Anstieg der Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen, darf die Menschheit nur etwa 1.000 Milliarden Tonnen [[CO2]]-Äquivalente ausstoßen – dieses Treibhausgas-Budget wurde im jüngsten Synthesebericht des Weltklimarats IPCC konkret benannt.  Jochem Marotzke, stellvertretender DKK-Vorstandsvorsitzender und Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie, wies darauf hin, dass bis zum Jahr 2011 bereits etwa zwei Drittel dieser maximal zulässigen [[CO2]]-Äquivalent-Emissionen in die Atmosphäre gelangt sind. „Daraus ergibt sich, dass spätestens im Jahr 2020 eine Wende erfolgen muss. Die  weltweiten Treibhausgasemissionen sollten spätestens 2020 nicht mehr steigen und danach kräftig sinken.“

Dekarbonisierung erfordert Preis auf Emissionen

„Nur wenn die Dekarbonisierung deutlich vor Ende des Jahrhunderts abgeschlossen ist, haben wir noch eine reelle Chance, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad zu begrenzen“, erklärte DKK-Vorstandsvorsitzender Mojib Latif. Zur Einhaltung der Zwei-Grad-Grenze, so legte der Umweltökonom Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft dar, müssten die fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas bis zur Mitte dieses Jahrhunderts weitgehend durch alternative Energien ersetzt werden. Er hob hervor: „Ohne einen Preis auf die Emissionen von Treibhausgasen wird ambitionierter Klimaschutz nicht möglich sein. Die Belastung kann durch eine Steuer auf Emissionen oder durch ein Emissionshandelssystem geschehen. Die Treibhausgase kennen keine Ländergrenzen, weshalb wirtschaftswissenschaftlich auch klar ist: Es muss ein weltweit eingeführter und einheitlicher Preis sein.“ Zudem müsse man darüber nachdenken, wie für Länder mit großen Vorkommen von fossilen Brennstoffen Anreize geschaffen werden können, damit auch sie sich am Ausstieg aus den fossilen Energieträgern beteiligen.

Paris kann Weichen für  Einstieg in Dekarbonisierung stellen

Nachdem sich die Regierungschefs auf dem G7-Gipfel in Elmau zu einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bekannt haben, sehen die Klimawissenschaftler Rückenwind für die Verhandlungen in Paris. Die nationalen Minderungsbeiträge (Intended Nationally Determined Contributions, kurz: INDCs), die bisher von 164 Staaten eingereicht wurden (Stand 18.11.2015), würden jedoch bisher – selbst bei sehr optimistischen Extrapolationen der Emissionen nach 2030 – auf einen 2,7 Grad-Pfad führen, wie für den jüngsten Bericht des Climate Action Tracker errechnet wurde.

„Gleichwohl ist es ein Signal der Hoffnung, dass erstmals bei diesen Berechnungen die Zwei vor dem Komma stehen könnte“, sagte Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. „Die INDCs, die derzeit auf dem Tisch liegen, können jedoch nur ein erster Schritt sein. Sie können ein Signal an Entscheider in Politik und Wirtschaft sein, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe zu Ende geht. Der Einstieg in den Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft muss sich jedoch in den nächsten Jahren massiv beschleunigen, um die Zwei-Grad-Grenze einzuhalten.

“Mutige Schritte zum Klimaschutz nötig“

Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung hob hervor, „dass selbst eine Erwärmung von zwei Grad Celsius keineswegs harmlos ist. Sie würde gravierende Änderungen nach sich ziehen, wie die Bedrohung der Küstenstädte durch den weit über 2100 hinaus weiter steigenden Meeresspiegel, der Untergang von Pazifikinseln, Einbußen in Landwirtschaft und Fischerei und vermutlich das Ende der meisten tropischen Korallenriffe.“ Die Klimawissenschaftler betonen: „Noch haben wir Menschen es in der Hand, die Erderwärmung auf unterhalb von 2 Grad zu begrenzen. Wir verleihen unserer Hoffnung Ausdruck, dass die UN-Klimakonferenz in Paris die Zeichen der Zeit erkennt und entsprechend mutige Schritte zum Klimaschutz beschließt.“

->Quellen:

  1. Prof. Dr. Latif,
  2. Prof. Dr. Marotzke,
  3. Prof. Dr. Schellnhuber