Klimawandel: Das Netzwerk der Leugner

Argumente gleichen sich an

In seiner zweiten Studie blickt Farrell nun auf den Einfluss, den die Lobbyisten errungen haben. Zunächst hat die Computeranalyse erkannt, dass die gesponserten Organisationen, insbesondere die drei Thinktanks mit den patriotischen Namen, das argumentative Zentrum der Bewegung gegen Klimaschutz bilden. Auch Gruppen ohne Firmenfinanzierung orientierten sich immer mehr an ihnen. Und nicht nur diese: Der Soziologe aus Yale hat auch knapp 15.000 Zeitungsartikel, fast 2.000 Äußerungen der Präsidenten Clinton, Bush und Obama und annähend 8.000 Redebeiträge im US-Kongress in seinen Computer eingelesen. Eine semantische Analyse ergab dann, dass sie alle – bei großen individuellen Schwankungen – den Äußerungen der Lobbyisten im Lauf der Jahre tendenziell immer ähnlicher wurden.

Die Klimaschutzgegner erreichen ihr Ziel nicht erst, wenn sie ihre Version der wissenschaftlichen Fakten durchsetzen. Es genügt ihnen, den Anschein einer Kontroverse zu erzeugen, über die die Medien dann berichten und in die sich Politiker einmischen. Der jüngste Fall betrifft Wissenschaftler von der US-Behörde für Ozean und Atmosphäre NOAA. Ein Kongressabgeordneter, der Republikaner Lamar Smith aus Texas, verdächtigt sie der Manipulation von Daten und verlangt, ihre gesamte E-Mail-Korrespondenz zu sehen. Diese Methode der Einschüchterung ist seit dem Kalten Krieg und Joe McCarthy eine beliebte Strategie. Die Mitarbeiter der NOAA, um die es geht, pflegen einen der wichtigsten Langzeitdatensätze der Welt: Sie berechnen jeden Monat die Durchschnittstemperatur der Erde. Viele ihrer Daten stammen von Schiffen, auf denen sich die Messmethode immer mal wieder verändert hat, was nicht eben zur Verlässlichkeit beitrug. Das Team um Thomas Karl, den Direktor des NOAA-Zentrums für Umweltinformation, hatte im Sommer dieses Jahres in „Science“ eine neue Eichung dieser Daten vorgeschlagen. Sie hat zur Folge, dass die Temperaturstatistik nach 1998 praktisch keinerlei verzögerte Erwärmung mehr zeigt (siehe solarify.eu/doch-keine-klimapause).Diese Art von Datenpflege ist guter Usus in der Wissenschaft, und das Ergebnis entspricht mehreren anderen Analysen, wonach die so genannte Pause eigentlich überhaupt keine war. Aber die Klimaschutzgegner wollen sich ein lang gepflegtes Argument nicht so ohne Weiteres aus der Hand nehmen lassen und feuern aus allen Rohren gegen Karl. Dessen Behörde hat sich schützend vor ihn gestellt, und andere Abgeordnete werfen Lamar Smith inzwischen Amtsmissbrauch vor.

In der Logik der Soziologen, die das Netzwerk der Lobbyisten analysiert haben, ist Smith dabei nur ein Schauspieler. „Wie ein Broadway-Stück hat die Gegenbewegung einige Stars im Rampenlicht“, sagte Robert Brulle gegenüber „Scientific American„. „Aber dahinter steht eine Organisation mit Regisseuren, Drehbuchschreibern und Produzenten.“

Christopher Schrader, studierter Physiker,  ist seit 25 Jahren Wissenschafts-Journalist und hat bei Geo-Wissen, beim Nachrichten-Magazin Facts in Zürich und zuletzt 15 Jahre bei der Süddeutschen Zeitung gearbeitet. Von 2004 bis 2008  koordinierte er außerdem als Textchef die Artikel des Magazins SZ-Wissen, zwischen 2011 und 2015 lebte er als Wissenschaftskorrespondent der SZ in Berlin. Seine Themen sind vor allem Klimaforschung, Energietechnik, Umwelt, Physik und Geowissenschaften; er betreute eine SZ-Serie über Evolution. 2006 bekam der den Preis Punkt der Akademie der Technikwissenschaften Acatech für den besten Magazinbeitrag verliehen. 2007 erschien sein Buch „Darwins Werk und Gottes Beitrag“ über Kreationismus und Evolutionstheorie.

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