Berlin erhöht Druck auf Brüssel
Bewertung der Betriebssicherheit

Hendricks bat, Doel und Tihange bis zur Klärung „offener Sicherheitsfragen“ herunterzufahren

Umweltministerin Barbara Hendricks hat einer BMUB-Mitteilung zufolge die belgische Regierung gebeten, die zwei Schrott-Reaktorblöcke Tihange 2 und Doel 3 aus Sicherheitsgründen vorübergehend vom Netz zu nehmen, bis „offene Sicherheitsfragen“ geklärt seien. Denn die störanfälligen Meiler stellen auch für deutsche Städte permanente Bedrohungen dar. Tihange liegt rund 60, Doel rund 130 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

Die Ministerin sprach am Rand des deutsch-chinesischen Umweltforums in Nanjing diplomatisch von einem „Wunsch“ an Belgien, wie die ARD berichtete. Der Schritt „wäre ein starkes Zeichen der Vorsorge“, erklärte Hendricks. „Und er würde zeigen, dass Belgien die Sorgen seiner deutschen Nachbarn ernst nimmt.“

 „Vor dem Hintergrund einer Stellungnahme der Reaktor-Sicherheitskommission und Beratungen zwischen deutschen und belgischen Reaktorsicherheitsexperten bittet Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die belgische Regierung, die beiden AKW-Blöcke Tihange 2 und Doel 3 bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen vom Netz zu nehmen. In den Reaktordruckbehältern der beiden Anlagen waren Wasserstoffflocken gefunden worden. Die unabhängige Reaktorsicherheitskommission (RSK), die von Hendricks um eine Stellungnahme gebeten worden war, kommt in ihrer Beurteilung der Sicherheitsreserven der beiden Reaktoren unter der Annahme einer Störfallbelastung zu dem Ergebnis, es gebe aus heutiger Sicht ‚keine konkreten Hinweise, dass die Sicherheitsabstände aufgezehrt sind. Es kann aber auch nicht bestätigt werden, dass diese sicher eingehalten werden.'“ (BMUB)

Deswegen, so Hendricks, „brauchen wir auch weitere Untersuchungen.“ Die RSK-Einschätzung bestätigt die Befürchtung von Atomkraftgegnern – sie halten die beiden belgischen Reaktorblöcke für unsicher. Greenpeace wies in einer spektakulären Aktion auf Risse in den Druckbehältern hin.

[note Schon 2006 prangerte Greenpeace mit einem symbolischen Riss am AKW Tihange 2 die Unsicherheit belgischer Kraftwerke an (Foto © Greenpeace, Eric De Mild).]

Experten haben nämlich unter anderem so genannte Wasserstoffflocken, eine Art Risse, in den Druckbehältern festgestellt. Ihre Zahl geht in die Tausende (13.047 an den Stahldruckbehältern von Doel 3, und 3.149 bei Tihange 2) und war anfangs vertuscht worden (s. solarify.eu/tausende-risse-in-belgischen-akw-vertuscht). Nichts erst seitdem kommen Tihange und Doel nicht mehr aus den Schlagzeilen. Umweltverbände fordern schon lange, die Meiler (Tihange = „Bröckelreaktor“) vom Netz zu nehmen.

[note Reaktor Doel 1 (schon wieder) abgeschaltet – In der Nacht zum 07.04.2016 musste Doel 1 wegen eines technischen Defekts erneut abgeschaltet werden. Kraftwerksbetreiber Engie (Ex-Electrabel) gab an, Doel 1 sei wegen eines technischen Defekts abgeschaltet worden, werde aber voraussichtlich schon am gleichen Tag wieder hochgefahren. Eine Gefahr oder Sicherheitsprobleme hätten nicht vorgelegen, worum es sich aber bei dem Defekt handelte, gab Engie nicht bekannt. Das ca. 40 Jahre alte AKW Doel 1 war 1975 in Betrieb genommen, im Februar 2015 nach dem Erreichen seiner vorgesehenen Laufzeit heruntergefahren, aber Ende des Jahres wieder ans Netz genommen worden, nachdem die belgische Regierung Engi eine Laufzeitverlängerung bis 2025 gewährt hatte. deredactie.be]

Risse in den Druckbehältern festgestellt

Brüssel räumte zwar Probleme ein, behauptete aber, man sei auf den Strom der beiden Reaktorblöcke angewiesen. Dieses Argument wies Hendricks prompt zurück: „Tihange 2 und Doel 3 sind zwischen April 2014 und Ende 2015 schon einmal etwa 21 Monate lang abgeschaltet gewesen; das hat für die Stromversorgung Belgiens keine negativen Auswirkungen gehabt, und deswegen halten wir es für durchaus möglich, dass die Belgier unserer Bitte folgen.“  Besonders laut ist der Protest gegen die Anlagen in Nordrhein-Westfalen rund um Aachen – die Städtregion Aachen hat inzwischen eine Klage gegen Tihange 2 angestrengt und zeigte sich hoch erfreut über das „Umdenken“ von Hendricks; sie unterstütze damit „die klare Position der StädteRegion Aachen gegen die belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel“.

Folgt: Verfahrenstechnische Bewertung des gegenwärtigen Status Quo der Betriebssicherheit der belgischen Kernkraftwerke Tihange und DoelUrteil des Experten