30 Jahre Tschernobyl und die Energiewende

Aus Politik und Zeitgeschichte: „Energie global“

Die Bundeszentrale für Politische Bildung hat in ihrer Schriftenreihe „Aus Politik und Zeitgeschichte“ ein Heft über das Thema Energie publiziert: „Energie global„. Vor 30 explodierte der Druckbehälter des Atomkraftwerks „Wladimir Iljitsch Lenin“ bei Tschernobyl und der bisher nur theoretisch bekannte GAU, der größte anzunehmende Unfall, mündete in die bis dahin schlimmste Katastrophe der zivilen Atomenergienutzung – die Zahlenangaben schwanken zwischen 50 und 93.000 (noch zu erwarteten) Opfern – und das von nur 44,152 Kilogramm in die Atmosphäre gelangtem Material (berechnet aus der in wikipedia.org veröffentlichten Tabelle der wichtigsten freigesetzen Radionuklide). Vor fünf Jahren folgte im japanischen Fukushima ein weiterer nuklearer GAU. Beide Unglücke haben dazu beigetragen, dass Deutschland inzwischen klar auf Atomausstiegskurs ist und 30 Jahre nach Tschernobyl eine „Energiewende“ eingeleitet hat.

Weltweit steht eine solche Wende aber noch aus. Die Hauptschwierigkeit ist dabei weniger, den Anteil der Atomkraft durch erneuerbare Energien zu ersetzen, sondern den dominanten Anteil von Kohle, Öl und Gas am globalen Energiemix zu verringern. Der UN-Klimagipfel 2015 hat in dieser Richtung zumindest neue Hoffnung gemacht.

Editorial von Johannes Piepenbrink

Vor 30 Jahren, in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1986, führte ein Sicherheitstest im Kraftwerk „Wladimir Iljitsch Lenin“ nahe der ukrainischen Stadt Tschernobyl in die bis dahin schlimmste Katastrophe in der Geschichte der Atomenergienutzung.

Die durch die Explosion des Reaktors freigesetzte Radioaktivität schädigte die Gesundheit zahlreicher Menschen und kontaminierte riesige Flächen vor allem in Belarus, der Ukraine und Russland. Auch wenn über Langzeitfolgen und Opferzahlen noch immer gestritten wird, ist die historische Bewertung eindeutig: Das Unglück teilt die Zeit in ein „Davor“ und ein „Danach“. Möglicherweise war „Tschernobyl“ gar ein erster, unübersehbarer „Sargnagel“ für die Sowjetunion.

Energiepolitisch änderte sich durch den GAU zunächst nicht allzu viel. Zwar wurden weltweit Sicherheits- und Evakuierungspläne aktualisiert, und die Antiatomkraftbewegung erlebte großen Zulauf, aber in den meisten Ländern wurde die friedliche Nutzung von Atomkraft staatlicherseits nicht infrage gestellt.

In Deutschland beschloss die Bundesregierung erstmals 2000 den Atomausstieg; doch erst nach der nächsten Katastrophe, der Kernschmelze im japanischen Kraftwerk Fukushima Daiichi im März 2011, erfolgte der endgültige Schwenk zu einer grundlegenden „Energiewende“.

Seither spielen erneuerbare Energien eine deutlich größere Rolle, im weltweiten Maßstab können sie den Energiebedarf
aber bei Weitem (noch) nicht decken. Das Hauptproblem ist dabei weniger, den Anteil der Atomkraft am globalen Energiemix zu ersetzen, sondern der nach wie vor dominante Anteil von Kohle, Öl und Gas. Die Verbrennung der fossilen Energieträger führt unweigerlich zu weiterem CO2-Ausstoß und befeuert damit den Klimawandel. Ob die UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 einen Wendepunkt darstellt, wird die Umsetzung der Vereinbarungen zeigen.

Inhalt des Heftes:

  • Melanie Arndt, Tschernobyl – die bekannte, unbekannte Katastrophe
  • Frank Uekötter, Utopie ohne Ökonomie: Aufstieg und Niedergang der Atomkraft
  • Claudia Kemfert, Globale Energiewende: „Made in Germany“?
  • Joachim Betz, China und Indien: (Keine) Wege aus dem Energie- und Klimadilemma
  • Steffen Bauer · Anna Pegels, Das Pariser Klimaabkommen und die globale Energiepolitik

->Quellen: