„Trittin-Kommission“ kann Verursacherprinzip nicht durchzusetzen

Konzerne können sich für 23,3 Milliarden von Atom-Folgekosten freikaufen

Das Verursacherprinzip zog nicht: Die sogenannte „Trittin-Kommission“ konnte es nicht im gewünschten Umfang durchsetzen. Jetzt sollen die Atomkonzerne die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll auf einen öffentlich-rechtlichen Fonds übertragen – in den sollen sie 23,34 Milliarden Euro einbringen, wie das ARD-Hauptstadtstudio schon vorab erfahren hatte. Stefan Schultz formulierte es gleichzeitig auf SPIEGEL-Online drastisch: „Atomkonzerne können für 23,3 Milliarden Euro alle Risiken auf den Staat abwälzen.“ BUND und Greenpeace reagierten entsprechen kritisch.

Nach monatelangen Verhandlungen ist der Beschluss der 19köpfigen Kommission aus gesellschaftlichen Gruppen unter Vorsitz von Ex-Umweltminister Jürgen Trittin, des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust und Brandenburgs Ministerpräsident a.D. Matthias Platzeck (Bild: In der Bundespressekonferenz) einstimmig gefallen. Die Empfehlung wird nun der Bundesregierung übermittelt. Diese wird ihn sich mit großer Sicherheit zu eigen machen und das Konzept in Gesetzesform gießen.

Zähes Ringen bis zuletzt

Von Beust nannte das Ergebnis auch angesichts der schwierigen Lage der Energiekonzerne „fair“.  Dennoch erwarte er, „dass die Konzerne mit den Zähnen knirschen werden“. Es habe dort andere Vorstellungen gegeben (Trittin: „Am Anfang waren wir 10 Milliarden auseinander“), „aber die Einstimmigkeit macht die Sache einfacher“, so von Beust.

Platzeck lobte die gute und geräuschlose Zusammenarbeit trotz der schlechten Ausgangslage für die Kommission. Stillegung, Rückbau und Verpackung bleibe bei den Unternehmen, deren Mittel müssten transparenter dargestellt werden, ein zügiger Rückbau solle sichergestellt werden. Man habe sicherstellen, dass die „Kuh nicht geschlachtet werde, bevor man sie melken konnte“ – dass sich aber auch nicht „wieder der Eindruck ausbreitet, der Steuerzahler muss wieder einmal ran“. Man erwarte jetzt, dass die Klagen der Konzerne „der Vergangenheit angehören“.

Trittin nannte die Aufgabe widersprüchlich: „Unter Wahrung des Verursacherprinzips mussten wir das Überleben der Unternehmen sichern, gleichzeitig deren Verantwortung wahren“, darüber hinaus habe das Risiko für Stromkunden und Steuerzahler weitestgehend verringert werden müssen. „Bei der Verabschiedung des Atomnachhaftungsgesetzes muss abgesichert werden, dass die Haftungssumme nicht durch kreativen Unternehmensumbau verringert wird.“

Risikozuschlag schließt Lücke zwischen Konzern-Rückstellungen und Kosten der Zwischen- und Endlagerung

Die vier Atom-Stromer E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW mussten für Zwischen- und Endlagerung bereits Rückstellungen in Höhe von 17,2 Milliarden Euro bilden. Um jetzt aller Risiken der Atommüll-Entsorgung ledig zu sein, soll dem Kommissionsbeschluss folgend noch ein Risikoaufschlag in Höhe von 35 Prozent (6,1 Milliarden) dazukommen, der zusammen mit den Rückstellungen in den Fonds fließen soll. Dafür haben die vier bis 2022 Zeit.

Mit dem Betrag wäre, so Trittin, die bisherige Lücke zwischen den Rückstellungen der Konzerne und den Kosten der Zwischen- und Endlagerung geschlossen – unter der Annahme, dass damit jetzt begonnen würde. Die Endlagerung werde aber erst ab 2030 oder 2050 Thema sein. Das in den staatlichen Fonds eingezahlte Geld der Konzerne kann über die Jahre zinsbringend angelegt werden.

Folgt: Greenpeace und BUND kritisch