„Wir werden ihnen weiter Wandel zumuten“

Wortlaut der Kanzlerinnen-Rede

Sehr geehrter Herr Ziesemer, meine Damen und Herren, wenn Sie um Nachwuchs für Ihre Branche werben, dann tun Sie das mit den Worten „Jobs mit Spannung“.

Diese Spannung im doppelten Sinne bieten Sie nicht allein in Ihren Unternehmen, sondern Sie übertragen sie auch auf andere Wirtschaftszweige. Denn die Elektroindustrie verfügt über Schlüsselkompetenzen, die überall zum Einsatz kommen: in Fabriken und Büros, in Kliniken und Hotels ebenso wie in privaten Haushalten. All das, was Sie herstellen und leisten, ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Sie sind immer wieder Schrittmacher des Fortschritts. Innovationsfähigkeit ist Ihr Markenzeichen und zugleich Grundlage für jede dritte Innovation des Verarbeitenden Gewerbes insgesamt. 850.000 Beschäftigte, ein Jahresumsatz von 180 Milliarden Euro – das lässt sich sehen; das heißt, die Branche ist eine tragende Säule unseres Wirtschaftsstandorts.

Daher ist es mir eine Freude, hier mit dabei zu sein. Ich freue mich natürlich, dass Sie Ihre Tagung heute auch mit französischen Gästen durchführen. Ich glaube, dies ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir uns den neuen Herausforderungen gemeinsam stellen.

Sie investieren in die Zukunft. Es waren allein im vergangenen Jahr 15,5 Milliarden Euro, die die Elektroindustrie in Forschung und Entwicklung angelegt hat. Herr Kaeser hat soeben aus seiner Perspektive auch zu den Herausforderungen der Innovation gesprochen. Die Weiterentwicklung liegt natürlich vor allen Dingen im digitalen Bereich. Deshalb glaube ich, dass Ihr Thema sehr richtig gewählt ist. Die digitale Entwicklung ist eine Schicksalsfrage – da stimme ich Herrn Kaeser zu.

Davon wird es abhängen, ob diese Branche auch in zehn oder fünfzehn Jahren noch genauso selbstbewusst nach vorne schauen kann wie in einem solch guten Entwicklungszustand wie heute.

Ich glaube, wir haben seitens der Bundesregierung diese Herausforderung erkannt und in der Großen Koalition die Digitale Agenda aufgelegt und damit auch die Aktivitäten der verschiedenen Ressorts sehr gut gebündelt. Wir versuchen, die Leitplanken, die Sie brauchen, um in einem sicheren Umfeld zu agieren, mit zu entwickeln und unsere Kraft auch in die Europäische Union einzubringen, um die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen.

Plattform Industrie 4.0 heißt das, das wir als Kompetenz-Netzwerk geschaffen haben. Anderswo spricht man vom Internet der Dinge. Industrie 4.0 ist sicherlich eine Untermenge des Internets der Dinge, die eben auf den industriellen Bereich begrenzt ist. Wir sind recht froh, dass es gelungen ist, nicht weiter sozusagen solitär zu arbeiten, sondern dass die Plattform Industrie 4.0, auf der auch über Standardisierung und Normierung gesprochen wird, und das Industrial Internet Consortium eine Zusammenarbeit vereinbart haben. Ich glaube, das ist vernünftig. Bei der Gründung dieser Plattform haben wir erkannt, dass manches deutsche Unternehmen schon ganz woanders auf der Welt unterwegs ist und sich einbringt. Die neue Kooperation ist sehr wichtig, um gleiche Standards zu setzen. Wir wissen: Wer Standards setzt, hat dann auch ein Stück weit die Möglichkeit, Bedingungen zu definieren.

Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir auch offen sind für Handelsabkommen. Sie haben soeben nochmals die Voraussetzungen definiert, die Sie sich für den Abschluss eines Freihandels- und Investitionsabkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika wünschen. Wir müssen auf der einen Seite die Aufgabe sehen, ein ambitioniertes Abkommen zu entwickeln. Auf der anderen Seite gilt es, die Erwartungen nicht in die lichtesten Höhen zu schrauben. Wir müssen auch sehen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika inzwischen ein pazifisches Handelsabkommen abgeschlossen haben, dass andere Regionen der Welt miteinander Handelsabkommen abschließen und dass wir nun selbst eine Abwägung vornehmen müssen: Überwiegt der Nutzen für uns, überwiegen die interessanten Dinge, die man noch nicht erreichen konnte, oder ist das nicht so? Dann können wir eine sehr selbstbewusste Entscheidung treffen. Natürlich muss es für uns von Vorteil sein. Da wir aber insgesamt schon eine sehr große Skepsis haben, muss man die Skepsis im Augenblick nicht noch vergrößern, sondern man muss vor allen Dingen den Wind in die unterstützende Richtung wehen lassen, damit ambitioniert verhandelt wird. Dabei würde ich mir wünschen, dass auch Sie in Ihren Unternehmen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen, was die Vorteile sind, warum es auch für uns gut ist, Geld in Innovation stecken zu können und uns nicht weiter damit auseinandersetzen zu müssen, dass wir, was nichttarifäre Handelshemmnisse anbelangt, ständig Geld für Doppelentwicklungen und -zulassungen und vieles andere mehr ausgeben müssen.

Folgt: Industrie 4.0