„Wir werden ihnen weiter Wandel zumuten“

Zwei Aufgaben

Herr Kaeser hat, soweit ich gehört habe, bereits über die Organisation der Arbeit gesprochen.  Hierbei werden wir zwei Aufgaben haben.

  1. Die eine ist: Welche Art von Flexibilisierung brauchen wir? Stichwort ist die Selbstbestimmtheit in der Berufsausübung mit all ihren Chancen, auch für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Da passt manches zum Beispiel im Arbeitszeitbereich nicht gut zusammen. Darüber haben wir auch gesprochen. Jetzt müssen wir schauen, was zu tun ist. Die elfstündige Ruhezeit, die es, glaube ich, nach dem europäischen Arbeitsrecht gibt, kann mancher Betätigung im Weg stehen.
  2. Auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dass es nicht die 24-Stunden-Verfügbarkeit jeden Arbeitnehmers und jeder Arbeitnehmerin gibt, weil man ja so gut erreichbar ist und weil es sich anbietet, dass man dauernd etwas sehr Dringendes zu tun hat. Das heißt also, wir werden vielleicht auch mit verschiedenen Regelungen für verschiedene Berufsbilder leben müssen, also mit mehr Vielfalt und mehr auf die jeweilige Tätigkeit ausgerichtete Arbeitszeitmöglichkeiten.

Es wird auch große Herausforderungen für unsere sozialen Systeme geben. Die Vielfalt der Betätigungen an dieser Stelle wird dazu führen, dass wir überlegen müssen, wo man Pflichten für Versicherungen einführen muss, damit bis ins Alter nicht Biografien entstehen, die nicht mehr einer klassischen Rentenbiografie entsprechen, weshalb staatliche Leistungen in Anspruch genommen werden müssen, obwohl man das gesamte Arbeitsleben über eigentlich ganz gut verdient hat. Es gibt also eine Vielzahl von Herausforderungen.

Die öffentliche Hand muss natürlich auch in Wissenschaft und Forschung investieren. Herr Kaeser hat ein so phänomenales Modell entwickelt, weshalb ich raten würde, dem Finanzminister einen Brief darüber zu schreiben, wie er die wundersame Geldvermehrung vorantreiben kann. Ich vermute einmal, dass Sie das bei Siemens so machen und bei dieser Billigzinspolitik derzeit einige Wechsel auf die Zukunft aufnehmen. Dabei kann man ja gar nichts verlieren.

Das war keine Kritik an Siemens. Ich werde mir das anschauen.

Wir haben jedenfalls in den letzten zehn Jahren unser Engagement in Bezug auf Investitionen in Forschung und Innovation stetig vergrößert. Ihnen ging es aber auch um Infrastrukturinvestitionen.

Hierbei ist in der Tat eine ganze Menge zu tun. Wir müssen nur aufpassen, dass die Investments nachhaltig tragfähig sind.

Natürlich sind die Fragen des Datenmanagements, des Datenschutzes und der Datensicherheit ein großes Thema. Ich glaube allerdings, dass auch die öffentliche Hand in Deutschland noch sehr viel mehr Angebote machen und die Möglichkeiten, die sich im digitalen Zeitalter bieten, besser nutzen muss. Es gibt inzwischen Ausweise mit einem Chip, der im Grunde eine Identifikation jeder Person möglich macht. Die Anwendungsbereiche sind allerdings ausgesprochen begrenzt. Das zu ändern, könnte natürlich ein riesiges Bildungsprogramm sein.

Wir haben den estnischen Ministerpräsidenten zu Gast gehabt. Es ist in Estland von der Gesundheitsakte über Wahlen bis hin zu vielen anderen Bereichen ganz selbstverständlich, digitale Möglichkeiten zu nutzen. Auch wir müssen jeweils Risiko- und Chancenabwägungen vornehmen. Bei unserer Diskussion hat uns der estnische Ministerpräsident sehr umfangreich zum Beispiel von der individuellen Gesundheitsakte erzählt, die jeder hat und bei der auch jeder zum Beispiel kontrollieren kann, welche Daten er verschiedenen Ärzten zugänglich macht. Eigentlich war es immer so, dass wir gefragt haben: Aber es muss doch einmal etwas schiefgegangen sein? Er hat uns aber unentwegt davon erzählt, welche Chancen damit verbunden sind. Das war eine sehr spannende und aufschlussreiche Diskussion. Ich denke, wir müssen uns solchen Fragen in den nächsten Jahren noch sehr viel entschiedener stellen. Die Einführung der Gesundheitskarte ist noch kein Beispiel dafür, wie schnell man das Zeitalter der Digitalisierung erreicht.

Passen Sie auf: Jede Art von Lobbyismus ist dann auch begrenzt, denn der Vorteil der Digitalisierung ist ja schonungslose Transparenz. Ich bin nicht auf einem Gesundheitskongress.

Deshalb will ich das hier nicht weiter ausführen, weil sonst die Ärzte sagen: Warum kommen Sie nicht zu uns und wir sprechen darüber? Wenn die Dinge sichtbarer werden, dann kann man zum Beispiel wegen einer Krankheit eben vielleicht nicht mehr zu drei Ärzten gehen. Damit sind dann natürlich auch sozusagen Errungenschaften, die man sich im Laufe seines Lebens durch kluge Verbandsarbeit erarbeitet hat, ein bisschen gefährdet. Aber die Bereitschaft zum Wandel muss man haben. Mir ist jetzt nicht ganz klar, wo bei Ihnen die intransparenten Ecken sind; leider habe ich mich darauf nicht vorbereitet. Ich werde mich noch einmal erkundigen.

Jetzt begebe ich mich auf schwieriges Terrain. Deutschland ist zum Beispiel im gesamten Dienstleistungsbereich nicht das effizienteste Land in Europa, weil wir unter Hinweis auf hohe Standards eine Vielzahl sehr regulierter Berufe haben, die Effizienz sicherlich nicht so zum Strahlen kommen lässt, wie es sein könnte.

Folgt: Sicherheit