„Wir werden ihnen weiter Wandel zumuten“

Sicherheit

Ich wollte jetzt aber über etwas Einfacheres sprechen, nämlich über Sicherheitsfragen. Die kritische Infrastruktur muss gesichert werden. Der estnische Ministerpräsident hat uns über die schwierigen Lernerfahrungen Estlands durch Cyber-Angriffe berichtet. Daraus kann man lernen. Das setzt aber auch wieder Transparenz voraus. Ich glaube, dass das IT-Sicherheitsgesetz, das wir verabschiedet haben, ein guter und kooperativer Ansatz ist. Wir suchen gemeinsam mit der Wirtschaft nach Lösungen, um Cyber-Angriffen Herr zu werden, sie zu erkennen, zu melden, abzuwehren und zu verfolgen. Wir müssen eine gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaft haben. Manch einer mag Sorgen haben, dass es auch ein Reputationsverlust sein könnte, wenn man Ziel einer Attacke wird. Da das aber sehr häufig passiert, muss man ganz einfach sagen, dass es viel wichtiger ist, dass wir lernen, wie wir damit umgehen.

Wir brauchen einen europäischen Ansatz. Wir brauchen an vielen Stellen sogar einen globalen Ansatz. Die Kooperation mit den Vereinigten Staaten von Amerika ist hierbei sehr wichtig. Wir brauchen natürlich auch eine vernünftige Infrastruktur. Unser Ziel ist erst einmal, in Bezug auf das Internet bis 2018 flächendeckend Anschlüsse mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu schaffen.

Danach baut sich natürlich eine ganz andere Aufgabe auf. Diese wird eher im Gigabit- als im Megabit-Bereich pro Sekunde liegen, wenn wir autonomes Fahren wollen, wenn wir Telemedizin unter zuverlässigen Bedingungen wollen, wenn wir das Internet der Dinge wirklich erlebbar machen wollen.

Dann geht es nicht um den Anschluss von einzelnen Haushalten, sondern dann geht es um eine durchgängig verfügbare Bandbreite über die gesamte Fläche. Man kann sich vorstellen, dass das noch erhebliche Notwendigkeiten mit sich bringen wird, insbesondere auch – darauf achtet unser Kommissar Günther Oettinger glücklicherweise – eine möglichst internationale Zusammenarbeit bei der Einführung der nächsten Stufe von 5G. Wir müssen die Frequenzbereiche in Europa grenzüberschreitend sehr viel besser ordnen, sonst wird 5G überhaupt nicht anwendbar sein. Wir haben viele Monate darauf verwandt, um in Europa zum Beispiel einen gemeinsamen Stecker für das Elektroauto zu akzeptieren. Wir müssen schneller werden, auch im Punkt Standardisierung, denn sonst wird es keinen digitalen Binnenmarkt geben.

Damit sich die verschiedenen Bereiche – Mobilität, Maschinenbau, Datenübertragung, Telemedizin – wirklich gut entwickeln können, ist es also wichtig, dass der Staat für die Infrastruktur und für die geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen sorgt. Wir werden vieles neu denken müssen.

Beispielsweise muss man sich das Auto ohne Fahrer denken müssen. Von der Versicherungswirtschaft bis zu Definitionen in der Straßenverkehrsordnung werden viele rechtliche Dinge zu überarbeiten sein.

Wir werden einen riesigen Wandel auch im Bereich der Energiewirtschaft haben. –Sie haben hier auch das Thema Erneuerbare-Energien-Gesetz kurz gestreift. – Parallel zu Ihnen tagt der BDEW, bei dem ich heute schon war, wo ich natürlich ausführlicher über Energie gesprochen habe. Intelligente Netze sind natürlich etwas, was auch für Sie von großer Bedeutung ist. Stichwort: Smart Meter; damit gibt es auch sehr viel mehr Effizienzmöglichkeiten.

Wir werden erleben, dass der digitale Wandel unser persönliches Leben und unser gesamtes gesellschaftliches Leben verändern wird. Die Individualisierung der Produkte führt natürlich auch dazu, dass sich individuelle Ansprüche sehr viel stärker entwickeln werden. Was das für den Solidaritätsgedanken, für die Frage der gesamten Versicherungsbereitschaft und -akzeptanz und für die Frage der Verbands- oder Parteistrukturen in unserer Gesellschaft bedeutet, werden wir alles schrittweise erleben.

Die sozusagen lebenslängliche Bindung an eine Struktur ist etwa durch die leichte Wechselmöglichkeit in der WhatsApp-Gruppe heute schon etwas ins Wanken geraten. Wer mir nicht mehr gefällt, mit dem muss ich ja nicht kommunizieren. Ich kann mir meine Gruppe aussuchen. Man findet immer genügend Gleichgesonnene. Was das dann aber für die Notwendigkeit kontroverser gesellschaftlicher Debatten bedeutet – Wer setzt sich dem noch aus? Wie bleiben wir kreativ? Wie bleiben wir produktiv? –, damit werden wir uns noch eingehend auseinandersetzen müssen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist eine absolut wichtige, entscheidende Zeit. Ich hoffe, dass wir, angesichts der Schnelligkeit, in der der Wandel vonstattengeht, die richtigen politischen Antworten darauf finden, dass wir die Antworten schnell und nicht immer erst zu spät finden. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger, auch um Rechtssicherheit zu haben. Ich hoffe, dass wir in Europa verstehen, dass in der globalisierten Welt Rechtsetzung nicht allein nach europäischen Befindlichkeiten erfolgen kann, sondern sich auch in das Gesamtumfeld der Welt einordnen muss, denn der Kunde wird sich dorthin wenden, wo es bessere Regeln gibt, und sich nicht mit komplizierten Regeln abfinden wollen. Deshalb hängt meiner Meinung nach für Europa in diesen Jahren sehr viel davon ab, ob wir diese Herausforderung meistern und damit unseren Wohlstand sichern oder nicht.

Ich glaube, dass der European Round Table, in dessen Rahmen der französische Präsident und ich über diese Fragen zusammen mit der Europäischen Kommission diskutieren, ein gutes und richtiges Format ist, aber dass wir in Europa insgesamt noch selbstkritischer unseren Stand und unsere Position in der Welt analysieren müssen. Es gibt Bereiche, in denen wir sehr gut sind, in den auch Sie einen davon repräsentieren. Es gibt aber auch Bereiche – Internetwirtschaft, Softwareunternehmen –, in denen wir nicht so gut sind. Das muss uns unruhig stimmen, vielleicht sogar unruhiger, als wir heute sind.

Ihnen herzlichen Dank dafür, dass Sie sich dieses Themas annehmen. Das Gute an so einem Thema ist, dass man einfach bis ins hohe Alter immer wieder etwas Neues lernt. Es ist ja auch schön, wenn sich nicht einfach immer nur die Schraubengröße oder das Ventil ein bisschen verändern. Bei diesem Thema haben wir es vielmehr mit richtig disruptiven Innovationen zu tun. Das hält jung. In diesem Sinne auf gute Zusammenarbeit.

->Quellen: