Atommüll: Neue und alte Zweifel an Tiefenlager

Auch Göttinger Geobiologe ist überzeugt, dass es keine sichere Endlagerung für Atommüll geben kann

Greenpeace hat im Oktober 2010 ein eigenes Konzept für ein Standort-Suchverfahren vorgelegt. Am 21.10.2014 belegte der Göttinger Geobiologe Joachim Reitner anhand des Tunnels von Äspö (Schweden), warum es keine sichere Endlagerung für Atommüll geben kann – einfach deshalb, weil die menschliche Geschichte außerstande ist, einen Zeitraum von 100.000 Jahren zu überschauen (geschweige denn eine Million) – nicht in die Vergangenheit und noch weniger in die Zukunft. Keine Gesteinsformation auf der Erde habe sich 100.000 Jahre lang nicht bewegt. Das erkläre, warum die Wissenschaft noch keine sichere Lösung für eine dauerhafte Lagerung von radioaktivem Müll habe. In seinem Vortrag „Der Tunnel von Äspö – das weltweit größte Untergrundlabor zur Erforschung der Endlagerung von Atommüll“ machte er in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin deutlich, wie komplex die biochemischen Vorgänge unter der Erde seien und zeigte auf, in welche Richtung künftig geforscht werden müsse.

Reitner schöpfe für seine Überzeugung aus 17 Jahren Forschungsarbeit im Tunnel von Äspö. So lange leitet der Geobiologe schon eine Gruppe aus Göttingen, die in dem Untergrundlabor bei Oskarshamn in Südschweden an einem Langzeit-Monitoring mit dem Ziel arbeitet, eine mögliche langfristige Beeinflussung biologischer Aktivität auf die Endlagerung besser zu verstehen. Der Tunnel wurde im Auftrag des schwedischen Staates von der Svensk Kärnbränslehantering AB der schwedischen Kernbrennstoff- und -abfallgesellschaft – SKB) gebaut.

Joachim Reitner, Uni Göttingen - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft (4)Er beginnt in einer Wald- und Seenlandschaft, führt 3,6 Kilometer in 450 Meter Tiefe bis unter die Insel Äspö und vereint dort Experten aus aller Welt, deren Experimente von der Firma Nova (Centre for University Studies, Research and Development) koordiniert werden. Die Wissenschaftler können ihre Gerätschaften „bequem“ mit dem Auto zu ihrem unterirdischen Arbeitsplatz transportieren. Die Schichten betragen dann aber oftmals 12 bis 14 Stunden.

Reitner erklärte, weshalb der Tunnel von Äspö ein hervorragender Ort für die Forschung sei, sich aber nicht als Endlager eigne. Das 1,8 Milliarden Jahre alte Gestein aus Diorit und Granit wäre zwar wegen seiner Stabilität ideal für eine Lagerung giftiger Stoffe, aber der Standort an sich habe zwei wesentliche Nachteile: Zum einen müsse in der Gegend mit Erdbeben der Stärke 5-6 gerechnet werden (eine Folge der jüngsten Eiszeit vor rund 20.000 Jahren), zum anderen sei das Gestein voller Risse, in denen sich unterschiedlich altes Wasser befinde.

Das älteste „saline Tiefenwasser“ ist Reitner zufolge hunderttausende Jahre alt. In den Gewässern wiederum lebten zahlreiche Mikroorganismen. „2.000 verschiedene Bakterien haben wir bisher gefunden, 10.000 oder noch mehr erwarten wir insgesamt zu finden“, sagt Reitner. Für die Endlagerung radioaktiven Mülls sind dies nicht unbedingt erfreuliche Entdeckungen, denn Mikroorganismen sind nach Bekunden des Experten in der Lage, so ziemlich jedes Material zu durchdringen und letztlich aufzulösen.

Das Konzept, an dem die Forscher und Ingenieure in Äspö arbeiten, sieht vor, abgebrannte Kernbrennstäbe in Kupferkanistern in Gesteinskavernen unterzubringen, die mit Bentonit ausgekleidet sind. Bentonit ist ein Ton, der so strukturiert ist, dass ihm auch ein Erdbeben nichts anhaben kann.

Joachim Reitner, Uni Göttingen - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftIm Kontakt mit Wasser beginnt er zu quellen und dichtet so mögliche Risse aus. Dennoch mussten die Wissenschaftler kürzlich feststellen, dass Mikroorganismen auch durch den Bentonit gewandert waren. Was also tun? „Weiterforschen“, meinte Reitner und gab zu bedenken, dass es auf der Welt nichts Giftiges gebe ohne einen Mikroorganismus, der genau jenes Gift möge.

Außerdem habe das Verfahren in Äspö gegenüber anderen Endlagerungen den Vorteil, dass die Brennstäbe wieder herausgenommen und auf ihre Stabilität geprüft werden könnten. Genau das müsse alle 100 bis 500 Jahre geschehen und zwar über einen Zeitraum von mehreren 10.000 Jahren, stellte Reitner klar und schloss mit der passenden Frage: „Aber wer kann das schon garantieren?“

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