Streit um EEG 2016

EEG-Ausschreibungen in der Kritik – Regierung lehnt Bundesratswünsche ab – BEE: „stärkster Rückschlag“

Bundesrat Inschrift - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyDie in der EEG-Novelle 2016 zusammengefassten Neuregelungen waren in einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 04.07.2016 unter den Experten zum Teil heftig umstritten, notierte der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag (hib). Gleichzeitig lehnte die Bundesregierung die zahlreichen Änderungswünsche des Bundesrates (s. solarify.eu/bundesrat-billigt-grundsaetzlich-ausschreibungen) ab. Der BEE sieht in der EEG-Novelle den „stärksten Rückschlag für die Energiewende seit dem Atomwiedereinstieg“.

In der Anhörung zu dem von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachtem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (18/8860) – gleichlautend von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/8832 – reagierten die einen positiv, andere fürchteten eine Verschärfung des Nord-Süd-Gegensatzes. Wieder andere forderten größere Korridore, oder nahmen den fehlenden Netzausbau und die Hürden für die Bürger-Energie aufs Korn.

Carsten Rolle für den Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) beurteilte die vorgesehenen Ausschreibungen grundsätzlich positiv. Man verspreche sich mehr Kosteneffizienz. Aber es drohten weiterhin Steigerungen der EEG-Umlage. Ausschreibungen würden bei der Photovoltaik nur Großanlagen über ein Megawatt betreffen. Damit würden nur 20 Prozent des jährlichen Zubaus von der Pflicht zu Ausschreibungen erfasst. Zugleich forderte der BDI eine Auffangregelung für Unternehmen, die bei der EEG-Umlage begünstigt waren, aber zum Beispiel wegen sinkenden Stromverbrauchs unter den Schwellenwert fallen würden. Die Unternehmen hätten erheblich höhere Stromkosten, obwohl sie weniger Strom verbrauchten.

Professor Achim Wambach (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) bedauerte den Verzicht auf regionalisierte Ausschreibungen. Damit könne es zu weiteren Bauprojekten an küstennahen Standorten kommen. Folge sei eine Verschärfung des Nord-Süd-Problems. „Eine Zunahme von Engpasssituationen und eine weitere Steigerung von Redispatching- und Netzausbaukosten wären die Folge“, warnte Wambach.

Stefan Kapferer vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) forderte nicht nur eine Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau, sondern auch Änderungen bei den Ausschreibungsmengen. So müsse berücksichtigt werden, dass nicht alle Projekte, die einen Zuschlag erhalten hätten, tatsächlich auch gebaut würden. Daher müsse die Ausschreibungsmenge höher sein als der angestrebte Zielkorridor. Horst Seide forderte für den Fachverband Biogas und andere Verbände aus diesem Bereich einen breiteren Ausbaupfad für den Bau von Biogasanlagen. Die vorgesehene Begrenzung auf 150 Megawatt sei nicht ausreichend, sagte Seide, der auch das Fehlen einer Anschlussregelung für Altholzkraftwerke und eine Benachteiligung kleiner Akteure kritisierte. Gegen die Absicht, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 45 Prozent festzuschreiben, wandte sich Hermann Falk vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). Stattdessen sei es besser, den „bewährten dynamischen Ausbau“ fortzuschreiben. Er bezweifelte, dass Deutschland mit den Regelungen der EEG-Novelle die Klimaziele bis 2020 einhalten könne.

Die Ausschreibungsmengen gerade für Windenergie an Land müssten größer sein, „damit auch kleine und mittelgroße Akteure wie Stadtwerke eine realistische Chance auf einen Zuschlag haben“, forderte Michael Wübbels für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Sonst würden sich die kleinen Akteure aus dem Markt zurückziehen und das Feld wenigen Großkonzernen überlassen. Martin Altrock (Becker Büttner Held) bezeichnete es als unsicher, ob die Einführung von Ausschreibungen tatsächlich geeignet sei, die Ziele Kostensenkung, Mengensteuerung und Erhalt der Akteursvielfalt angemessen auszutarieren. Ein Prüfungsintervall von vier Jahren sei deshalb zu lang. Besser seien zwei Jahre. Altrock forderte zudem erweiterte Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung.

Zweifel an der Zielerreichung durch Ausschreibungen äußerte auch Claudia Kemfert (DIW Berlin). Die Tücken steckten im Detail. Erfahrungen aus anderen Ländern würden zeigen, dass keinesfalls sicher sei, dass die Vergütungshöhen sinken würden. Zudem bestehe die Gefahr, dass die angestrebten Ausbaukorridore nicht erreicht würden. Eckhard Ott (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband) forderte verschiedene Maßnahmen, um Bürger-Energieprojekte zu stärken. Klaus Ritgen (Deutscher Landkreistag) wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass trotz der Sonderregelungen für die Bürger-Energiegesellschaften immer noch große Hürden für kleine Akteure bleiben würden. Bürger-Energiegesellschaften und Stadtwerke müssten besser kooperieren können.

Die Synchronisation des Netzausbaus mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien thematisierte auch Martin Grundmann (ARGE Netz): „Der fehlende Stromnetzbau ist weiter die zentrale Ursache für massive Verwerfungen bei der Energiewende.“ Ganze Regionen seien von Zwangsabschaltungen der Anlagen betroffen. Mengen, die das Stromnetz nicht aufnehmen könne, müssten für „power-to-x“-Lösungen verwendet werden, forderte Grundmann. Uwe Nestle (Energie- und KlimaPolitik) warnte in seiner Stellungnahme davor, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Netzausbau zu knüpfen. Dies würde der Erfüllung des Ziels der Umweltverträglichkeit entgegenstehen: „Denn auch Ökostromanlagen, die zeitweise abgeregelt werden müssen, reduzieren in den anderen Zeiten Treibhausgasemissionen.“ Die Entwicklung der erneuerbaren Energien bewertete Nestle als Erfolgsgeschichte. So seien im Bereich erneuerbare Energien heute mehr Menschen beschäftigt als zu Beginn der Energiewende im Jahr 2000 im gesamten Kohlebereich.

Angelika Thomas von der IG Metall betonte die Bedeutung der Onshore- und Offshore-Wirtschaft. Die Wertschöpfungskette reiche bis nach Süddeutschland. Der Offshore-Ausbau müsse unbedingt weitergehen. Ein „stop and go“ würde der Industrie nicht gut bekommen. (hib/HLE)

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